Donnerstag, 16. Oktober 2014

Laura Poitras' Dokumentation über Edward Snowden - der Film "Citizenfour"


 



Laura Poitras war die erste, die Edward Snowden kontaktierte. Anfang 2013 meldete er sich das erste Mal unter dem Pseudonym "Citizenfour" bei ihr, schrieb in vorsichtigen Worten und dreifach abgesichert, dass er ihr Wesentliches zu den Überwachungspraktiken der amerikanischen Geheimdienste mitteilen könne. Er wusste, dass sich die Filmemacherin seit Jahren kritisch mit den Folgen des 11. Septembers auseinandersetzte und notwendigerweise erfahren darin war, ihren email-Verkehr sicher zu verschlüsseln.
"Du fragst, warum ich dich ausgewählt habe. Das habe ich nicht. Das hast du getan."

Laura Poitras, Collage, MK
Laura Poitras hatte 2006 den Film "My Country, my Country" über das Leben der Irakis unter amerikanischer Besatzung herausgebracht, eine Dokumentation, für die sie monatelang vor Ort in einem Wohnwagen und in irakischen Familien lebte. Der Film brachte ihr eine Oscar-Nominierung, aber auch die ständige Überwachung durch den US-Geheimdienst ein. 2010 folgte "The Oath", der zwei jemenitische Gefangene in Guantanamo begleitete und auf dem Sundance-Festival ausgezeichnet wurde. Als die ersten emails von Snowden eintrafen, saß Laura Poitras gerade an einem dritten Film über die Überwachungsmethoden der Amerikaner.

Poitras, 50, stammt aus einer reichen Familie in Boston, die seit Generationen Forschungsprojekte fördert und hat zwei Schwestern. Sie besitzt mehrere Studienabschlüsse von Filmhochschulen in San Francisco und New York und lebt seit zwei Jahren in Berlin, weil sie dort keine Repressionen fürchtet.

Ihr neuer Film "Citizenfour" hält die entscheidenden Wochen fest, in denen Edward Snowden aus seinem Leben als NSA-Mitarbeiter ausstieg, sich mit Laura Poitras und dem Journalisten Glenn Greenwald konspirativ in einem Hotel in Hongkong traf und am Ende im unerwünschten russischen Exil landete. Eine Woche verbrachten die drei im Juni 2013 in einem klaustrophobisch engen Hotelzimmer, Snowden blass, aber hochkonzentriert, auf dem Bett hockend, Greenwald sich langsam an die bald weltbewegenden Enthüllungen herantastend, Poitras mit der Kamera ganz im Hintergrund, niemals im Bild, nur ab und zu mit einer kleinen Frage zu hören (einzig die emails zwischen Snowden und ihr liest sie selbst zu Beginn des Film vor). Wenn Snowden in der Doku meint "I´m not the Story here" (was sich ins Gegenteil kehren wird), ist das erst recht ihr Credo. Wer bisher mit ihr sprach, beschreibt sie als ausgesprochen ruhig und zurückhaltend. Aber sie führt mit klarer Hand Regie, wenn etwa Greenwald im Film fragt, wie machen wir jetzt weiter? Gleichzeitig macht sie keinen Hehl daraus, dass sie in dieser Dokumentation nicht neutral sein kann, schließt sie doch in diesen Tagen in Hongkong Freundschaft mit Snowden, bietet ihm ihr Zimmer an, als die ersten Redaktionen mit Anrufen nerven, berät ihn, als er ungeschickt versucht, sein Aussehen zu verfremden. 

Den Geheimdienstlern beim Lügen zuschauen


Der zweistündige Film hat einige Längen, ist aber durch die Aufzeichnung des Snowden-Outcomings und die Einblendung weiterer Enthüllungen echte Zeitgeschichte und äußerst lehrreich. So leidet man förmlich mit dem email-Anbieter Ladar Levison von "Lavabit" mit, als der vor dem Europaparlament erklärt, dass er lieber seinen Laden zumache, als der NSA Daten über seine Kunden herauszurücken. Sehr aufschlussreich auch die Aussagen des damaligen NSA-Direktors Keith Alexander und des Geheimdienst-Koordinators James Klapper, die egal auf welche Frage "da ist nichts" antworten. Ihnen beim Lügen zuzuschauen, hat eine ganz spezielle Faszination.

Am Ende des Films gibt es noch zwei vorsichtig servierte Infohappen: Es existiert anscheinend ein zweiter, noch höher angesiedelter Whistleblower, der Glenn Greenwald mit neuen Enthüllungen versorgt. Und ein tröstlicher Blick durchs Fenster in die Moskauer Wohnung Snowdens zeigt den so einsam Vermuteten mit seiner langjährigen Freundin Lindsay Mills beim Spaghetti-Kochen. In einem Interview mit AFP sagte Snowdens russischer Anwalt kürzlich: "Sie kommt regelmäßig hierher, kann aber wegen ihres Visums nicht dauerhaft mit Snowden zusammen wohnen."

Der Dokumentarfilm "Citizenfour" läuft Ende Oktober auf dem Dokumentarfest in Leipzig und kommt am 6. November in die deutschen Kinos.

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