Montag, 6. Juni 2016

Wir sind Expertinnen: Journalistinnen-Barcamp bei der jb-Jahrestagung

Twittern, bloggen, Umgang mit Rechtspopulismus - welche Themen wollen wir besprechen?   /  Foto: C. Olderdissen



„Superinteressant“, „ ein tolles Format“, so lauteten unisono die Reaktionen auf das Barcamp, das der Journalistinnenbund bei seiner  Jahrestagung in Berlin angeboten hatte.  Barcamp, das waren sieben Workshops, die die Kolleginnen zu Beginn vorschlugen und die dann als Gesprächsrunden ohne große Vorbereitung durchgeführt wurden.  Was die Frauen aktuell bewegte wurde zum Thema, wie: „Hass oder Hoffnung“, „Lügenpresse – Umgang mit Rechtspopulismus“ und „Social Media für Journalistinnen“.



Ich als Expertin

 

Großen Anklang fand dieser Workshop, bei dem es um die Frage ging, wer sich „Expertin“ nennen darf. Eine Kollegin, die seit vielen Jahren über Architektur schreibt, sagte, sie bezeichne sich nicht als solche, weil sie das Fach ja nicht studiert habe. Andere erwiderten, sie solle ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, männliche Architektur-Journalisten würden sich ohne zu zögern als „Experten“ verkaufen. Einig waren sich alle, dass es wichtig ist, im Gespräch mit Auftraggeber_innen  die eigenen Schwerpunkte, Kenntnisse und Fähigkeiten zu betonen – wie auch auf der Webseite.  Wer auch noch ein Blog habe, könne sich mit den selbstgewählten Themen einen Namen machen und im Idealfall darüber an Aufträge kommen. Weil Expertinnen immer auch gesucht werden, wird der Journalistinnenbund auf seiner Webseite bald eine „Expertinnenliste“ präsentieren. Dort können sich die Kolleginnen mit ihren speziellen Kenntnissen vorstellen.


Twittern für Journalistinnen 

 

„Die moderne Journalistin braucht Twitter, zur Eigenwerbung, als Recherche-Tool und um sich mit Informant_innen und Kolleg_innen zu vernetzen“  –  darin waren sich die Teilnehmerinnen weitgehend einig.  Manche, wie die ehemalige Geschäftsführerin des Journalistinnenbundes, Marlies Hesse (80), twittern schon fast so lange, wie es den Kommunikationsdienst gibt. Sie nutzen Twitter als Informationskanal, weil sie so viele Hinweise auf interessante Webseiten, Blogposts und Artikel zugespielt bekommen. Sie schätzen es, Diskussionen unter den vielen Medienleuten, die sich da tummeln, mitzubekommen. Und, dass sie dann selbst, alles, was ihnen wichtig erscheint, weiter streuen können. Retweeten, am besten mit einem eigenen, pointierten Kurzkommentar, sorgt für den gewünschten Schneeball-Effekt, genauso wie das Sharen auf Facebook. "Twitter ist professioneller als Facebook , weil es uns zwingt, knapp und pointiert zu formulieren“, sagte eine Teilnehmerin. Bleibt das Problem, dass Twittern viel Lebenszeit auffressen kann. Auch dafür gab es Lösungsvorschläge: Einige Kolleginnen beschränken sich zum Beispiel darauf, nur dreimal am Tag ihre Timeline zu checken. Wer Tipps für den Einstieg braucht, findet sie auf der Webseite Fit für Journalismus.

Hass oder Hoffnung

 

Wie gehen Kolleginnen mit Hassmails, Drohungen und Gender-Bashing um?  Das war die Frage im nächsten gut besuchten Workshop. Immer wieder werden Autorinnen von Rechtsradikalen oder Hatern bedroht, manche bekommen sogar Morddrohungen. Einige Kolleginnen berichteten, dass sie sich von ihren Arbeitgebern im Stich gelassen fühlen. Sie wünschen sich mehr juristische und psychologische Hilfe. Die Teilnehmerinnen waren sich einig, dass Rundfunkanstalten und Verlage auch Freie und nicht nur Festangestellte dabei unterstützen müssen, die Hater zu verklagen. Gemeinsam mit anderen Berufsverbänden will der Journalistinnenbund eine Resolution zu diesem Thema verabschieden. Außerdem will der jb mit anderen Frauenverbänden eine Kampagne gegen Gender-Bashing initiieren.

Umgang mit Rechtspopulismus 

 

Hier stellten die Kolleginnen fest, dass es wichtig ist, diejenigen zu erreichen, die mit rechtspopulistischen Ideen zwar sympathisieren, aber keine eingeschworenen Anhänger_innen von AfD oder Pegida  sind.  Dabei könne „Konstruktiver Journalismus“ helfen. Dieser setzt auf Berichte über Erfreuliches und Gelungenes, statt auf das Negative zuzuspitzen. Eine Kollegin schlug die „AfD-Diät“ vor: Nicht immer auf die AfD reagieren, sondern den Demagogen etwas Positives entgegensetzen.         

Bloggen für den Watch-Salon

 

Salonista Christine Olderdissen berichtete wie die Arbeitshaltung im Team ist:  „Wir wählen Themen aus, die uns wirklich wichtig sind“. Die Fernsehjournalistin sagte: „Es ist für mich eine schöne Ergänzung zum Filmemachen,  dass ich im Blog längere Texte schreibe“.  Sie freue sich, wenn ein Blogpost, wie das Interview mit Tabea Hosche über 2200 mal geklickt werde. Ein solcher Erfolg kommt nicht von alleine, sondern entsteht durch begleitendes Twittern und Bedienen anderer Kanäle - und weil die Follower die Info retweeten. Mareice Kaiser, die in Zukunft im Watch-Salon mitarbeiten wird, erzählte von ihrem erfolgreichen Blog kaiserinnenreich.de. 2014 gestartet, wird er inzwischen von Tausenden gelesen. Er hat ihr auch schon den einen oder anderen journalistischen Auftrag eingebracht.

Interessant war auch der Workshop über die einseitige Sportberichterstattung. Die Leistungen von Sportlerinnen kommen viel zu wenig vor und Sportjournalistinnen dürfen zu selten ans Mikrofon. Insgesamt fanden drei, manchmal vier Workshops gleichzeitig statt. Erschöpft aber glücklich fragten die Teilnehmerinnen nach dreieinhalb  Stunden intensiven Diskutierens: „Wann machen wir das nächste Barcamp?“


Berichte über die Preisverleihung, Fotos, die besten Tweets und vieles mehr gibt es auf  journalistinnenbund.de

Kommentare

  1. Vielen Dank - für diese schöne Zusammenfassung! Am meisten hat mich gefreut, dass wir alle endlich wieder ins Gespräch gekommen sind und dabei enpassant mehr von dem, was eine jede einzelne im Job und in der Gesellschaft umtreibt, erfahren konnten. Und was ich auch festgestellt habe: Das Barcamp ist für alle Generationen geeignet! Die Frauen, die da waren, hatten alle wirklich etwas zu sagen. Toll!

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