Mittwoch, 31. Januar 2018

Aufruhr in der BBC: Journalistinnen beweisen skandalösen Gender Pay Gap

von Tina Stadlmayer, London

BBC-Moderatorin Jane Garvey durfte in "Woman's Hour"  keine Fragen zu Equal Pay stellen. Foto: BBC-Schnappschuss

Wenn Medien über sich selbst berichten, ist das immer schwierig. Aber was am Montag in der viel gelobten BBC-Radiosendung "Woman's Hour" zum Thema "Lohnungleichheit bei der BBC" stattfand, war ein Skandal. Ein geplantes Interview mit Equal-Pay-Expertin Sam Smethers von der feministischen Fawcett Society durfte auf Anweisung von oben nicht geführt werden, weil Moderatorin Jane Garvey der Sache nicht neutral gegenüber steht. Wie auch, wenn sie als Moderatorin bei  der BBC arbeitet, wo Männer erwiesenermaßen mehr verdienen als Frauen?



Was war geschehen? Die BBC hatte bei der Beratungsfirma PwC eine Untersuchung in Auftrag gegeben und gestern diese "On-Air-Review"veröffentlicht. Demnach gibt es "keine Beweise" dafür, dass Lohnentscheidungen einseitig zugunsten von Männern gefällt würden. Die Studie hebt zwar hervor, dass Moderatorinnen 6,8 Prozent weniger verdienen als Moderatoren, dieses Lohngefälle sei aber deutlich geringer als das nationale von 18 Prozent. Zwar gebe es "einige Merkwürdigkeiten" bei der Bezahlung, aber diese hätten eher etwas mit "mangelnder Klarheit" zu tun als damit, dass Männer bevorzugt würden.

Der BBC-Generaldirektor Tony Hall nahm die Studie zum Anlass für eine Rede vor den BBC-Mitarbeiter_innen. Er wiederholte seine Ankündigung vom Sommer, dass das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen in der gesamten BBC bis zum Jahr 2020 verschwinden und die Hälfte der Moderations-Plätze mit Frauen besetzt werde. Außerdem schlug er vor, dass das Gehalt der Moderator_innen begrenzt werden solle, auf maximal 364.000 Euro im Jahr und, dass einige weniger verdienende Kolleg_innen mehr bekommen sollten.


14 dokumentierte Fälle von eklatanter Lohnungleichheit


Die "BBC Women", eine Gruppe von 170 Journalistinnen, reagierte wütend auf die Untersuchung und die Stellungnahme ihres Bosses. Sie kritisieren, dass die Beratungsfirma PwC nicht mit ihnen gesprochen habe. Für die heute stattfindende Anhörung im Parlamentsausschuss für Kultur und Medien hat die Gruppe eine ausführliche Stellungnahme über die Lohnungleichheit bei der BBC verfasst. Darin listet sie vierzehn konkrete Fälle auf, in denen Frauen weniger verdienen als Männer in vergleichbaren Jobs.

Zum Beispiel den der China-Korrespondentin Carrie Gracie. Sie hatte vor wenigen Wochen ihren Job aufgegeben, um gegen die ungleiche Bezahlung bei der BBC zu protestieren. Gracie hatte herausgefunden, dass einige männliche Auslandskorrespondenten 50 Prozent mehr verdienen als sie. In einem offenen Brief warf sie der BBC eine "verschwiegene und illegale Bezahlungskultur" vor.

Weitere Beispiele sind eine Moderatorin, die deutlich weniger verdient als ihr Co-Moderator, und eine Sportreporterin, die halb soviel verdient wie ihr Kollege. In ihrem Bericht kritisieren die BBC-Frauen außerdem eine "Bunker-Mentalität" in einigen Redaktionen: "Frauen bekamen verdeckte Drohungen, wenn sie das Thema Lohngleichheit erwähnten".

Der Vorsitzende des Medienausschusses im Parlament, Damien Collins, machte vor der heutigen Anhörung klar, dass er die Anliegen der Journalistinnen unterstützt: "Das sind umfassende Missstände. Die BBC hat bisher keine effektive Politik der Geschlechtergerechtigkeit", sagte er in der BBC-Radiosendung "Today". Die Parlaments-Abgeordnete Maria Miller, Vorsitzende des Gleichstellungs-Ausschusses, wirft der BBC vor, gegen die Gleichheitsgesetze zu verstoßen und mit den Rundfunkgebühren unverantwortlich umzugehen.


Solidarischer Lohnverzicht


Vor wenigen Tagen hatten fünf sehr gut verdienende Moderatoren angekündigt, freiwillig Gehaltskürzungen zu akzeptieren. Alle fünf bekommen zwischen 800.000 und 600.000 Euro im Jahr. Auch der Washington-Korrespondent der BBC, Jon Sopel, der etwa 230.000 Euro verdient, will auf einen Teil verzichten. Doch damit geben sich die BBC-Women nicht zufrieden. Sie fordern mehr Transparenz, rückwirkende Nachzahlungen und eine Aufstockung der Alterversorgung. Falls die BBC darauf nicht eingehen sollte, wollen sie vor Gericht ziehen.


Weitere Artikel im Watch-Salon über die Lohnungleichheit in Großbritannien und in Deutschland:
https://watch-salon.blogspot.de/2017/11/kampagnenauftakt-equal-pay-transparenz.html
https://watch-salon.blogspot.de/2017/10/Lohndiskriminierung-bei-BCC.html
https://watch-salon.blogspot.de/2017/02/steine-schmeissen-im-glashaus-medien-ohne-lohntransparenz.html

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