Sonntag, 31. August 2008

Forscherinnen

von Judith Rauch

Heute möchte ich Euch auf ein Schwerpunkt-Thema in der aktuellen Emma aufmerksam machen: Forscherinnen, teils auch zu finden auf Emma. Das Dossier hängt zusammen mit der Foto-Ausstellung "Frauen, die forschen" von Bettina Flitner, die demnächst im Kölner Frauenmediaturm eröffnet wird und dem gleichzeitig erscheinenden Foto- und Porträtband "Frauen, die forschen" in der Collection Rolf Heyne. Bereits was in der aktuellen Emma zu sehen ist, lässt auf interessante Inszenierungen schließen. 

Was auffällt: Es gibt keinen Einheitslook. Wissenschaftlerinnen - und hier geht es ausschließlich um Frauen in den Naturwissenschaften - kommen in den verschiedensten Varianten vor: Die Informatikerin Susanne Albers trägt langes blondes Haar und fährt ein rotes Cabrio. Die Mathematikerin Caroline Lasser wirkt ernst und ätherisch und steht mit Kreide an den Fingern vor einer mit Formeln vollgeschriebenen Tafel. Es gibt Singles, Verheiratete, womöglich gar Lesben unter den Forscherinnen, es gibt Wissenschaftlerinnen mit Kindern und solche, die sagen, dass sie mit Kindern ihren Beruf nicht ausüben könnten. Die Vielfalt der Lebens- und Erscheinungsformen zeigt, dass Naturwissenschaftlerinnen im Mainstream angekommen sind. 

Als eine der WissenschaftsjournalistInnen, die im Vorfeld der Ausstellung an der Auswahl der zu Porträtierenden mitgewirkt haben, freut es mich, einige meiner Lieblinge wiederzusehen. Dazu gehört ganz besonders die Verhaltensforscherin Julia Fischer, Professorin am Primatenzentrum Göttingen. Julia Fischer ist bekannt geworden, weil sie sich nicht gescheut hat, einen "Wunderhund", den sie bei "Wetten dass ..." im Fernsehen gesehen hatte, zum Gegenstand einer seriösen Studie zu machen. Wie schafft der Border Collie Rico es, sich immer neue Namen von Spielzeugtieren zu merken - inzwischen über 250? Nicht viel anders als ein Kind, hat sie festgestellt. 

Trotzdem: Fischer gehört zu den Skeptikern unter den Wissenschaftlern, die heute versuchen, die Entstehung des menschlichen Sprachvermögens aus seinen tierischen Wurzeln zu erklären. "Geradezu bizarr groß" seien die Unterschiede zwischen Tier- und Menschenkommunikation, sagt sie und beharrt auf besseren Erklärungen als es bislang gibt. Mehr. Die Verhaltensforscherin neigt grundsätzlich nicht dazu, die Intelligenz von Tieren schwärmerisch zu überschätzen. Bei ihren Freilandbeobachtungen, so erzählte sie mir einmal, hat sie sich oft über die Dummheit "ihrer"Affen gewundert: Sie liefen dem Löwen, dem sie gerade ausgewichen waren, auf ihrem Fluchtweg direkt in die Pranken. 

Nun bin ich froh, in Emma zu lesen, dass Julia Fischer sich auch anderswo in die Höhle des Löwen wagt, nämlich in Gremien, die Foschungsgelder zu verteilen haben. Sie will "herausfinden, wie Institutionen funktionieren", hat sie gesagt. Da kann ihr skeptischer Blick auf die Intelligenz der Entscheidungsträger nur nutzen. 

Das Schöne am Wissenschaftsjournalismus ist, dass man manchmal eine Forscherin oder einen Forscher, den man bewundert, auch ein wenig protegieren kann - durch ein Foto mehr im Blatt, ein Kurzporträt, eine Empfehlung ... Objektiv ist das natürlich nicht. Höchstens im Sinne ausgleichender Gerechtigkeit. Aber im Gegensatz zu, sagen wir, Politik- oder Wirtschaftsjournalisten, hat mein Berufsstand es nicht mit einem festen Satz von Promis zu tun, sondern mit fast lauter unbekannten Größen. Wer davon prominent wird, bestimmen wir. Zu großen Teilen zumindest.

Mittwoch, 27. August 2008

Alarmierte Buben-Väter

VON CRASSIDA

Da hat sich der Spiegel-Redakteur Ralf Neukirch aber einiges von der Seele geschrieben. Wahrscheinlich ist er ein Buben-Vater. Jedenfalls lässt sich an dem Artikel „Triumph der Schmetterlinge“ über die Benachteiligung von Jungen
sehr gut deutlich machen, wie Polemik funktioniert. Nur Angriffe, keine Vorschläge, Einzelbeispiele werden generalisiert. Ein Muster-Artikel für Journalistenschulen. Tenor:
„Jungen schneiden in fast allen Bereichen schlechter ab. 47 Prozent der Mädchen gehen auf ein Gymnasium, bei den Jungen sind es nur 41 Prozent.“ Ist das der Weltuntergang? Für die jahrzehntelang zuvor herrschende umgekehrte Situation hat den jedenfalls niemand ausgerufen.
Neukirch schreibt über den „offenkundigen Grund für die Ungleichbehandlung der Jungen“:
„Es ist die Feminisierung des gesamten Schulwesens. Die Zahl der Lehrerinnen ist gestiegen, an vielen Grundschulen sind Lehrer bereits Exoten.“ Richtig, aber warum fragt er sich nicht, warum Männer so lange keine Lust auf diesen Job hatten? Die meisten haben Erziehungsaufgaben und dieses Gedöns einfach an die Frauen abgegeben. Da gab es nichts zu verdienen und angeben konnte man auch nicht damit.

Das Bundespresseamt hat im Auftrag Merkels die Mädchen-Jungen-Debatte so zusammengefasst: "Tatsächlich ist Gleichberechtigung an den Schulen Realität, weshalb Mädchen aufgrund ihres Entwicklungsvorsprungs, größeren Fleißes und höherer Lernmotivation im Vorteil sind."

Equal Pay Day am 20. März 2009

FOTO: FLICKR
VON ISABEL ROHNER 

Männer und Frauen bekommen in Deutschland für die gleiche Arbeit immer noch nicht den gleichen Lohn. 22 Prozent verdienen die Frauen im Schnitt weniger als ihre männlichen Kollegen. Der Equal Pay Day, an dem mit zahlreichen Aktionen und Veranstaltungen auf diese Misslage aufmerksam gemacht wird, findet 2009 am 20. März statt. Das kündigte das Netzwerk der Business and Professional Women (BPW) Germany an. Das Datum des Equal Pay Day markiert dabei den Zeitraum, den eine Frau über den Jahreswechsel hinaus arbeiten muss, um den Jahresverdienst ihres männlichen Kollegen zu erreichen. Neben dem BPW wollen sich zahlreiche andere Verbände und Organisationen an dem internationalen Aktionstag engagieren. Aus der Pressemitteilung des BPW: "Die überwältigende Resonanz auf den Aktionstag in diesem Jahr hat uns gezeigt, wie sehr das Thema auf den Nägeln brennt", betonte Dr. Bettina Schleicher, Präsidentin des BPW Germany, Der Equal Pay Day hatte im April auf Initiative des BPW Germany mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums erstmalig in Deutschland stattgefunden. "Wir wollen mit den Aktionen aber nicht nur aufklären, sondern vor allem Veränderung anstoßen." Neben Verhandlungstrainings speziell für Frauen und gezieltem Austausch zu gelungenen Gehaltsgesprächen seien hier vor allem Aktivitäten in Politik und Wirtschaft vonnöten. Der BPW habe es daher begrüßt, dass Fraktionen verschiedenster Couleur auf Bundes- und Landesebene aus Anlass des Equal Pay Day Anträge und Anfragen gestartet haben. "Daran muss angeknüpft werden", forderte Schleicher. Der BPW fordere daher zu einem breiten Aktionsbündnis für den Equal Pay Day 2009 auf. Der BPW hat die aus den USA stammende Idee des Equal Pay Day inzwischen in andere europäische Länder getragen. BPW Österreich, BPW Schweiz und weitere BPW-Clubs in Europa wollen ab dem kom- menden Jahr ebenfalls einen Aktionstag zu Lohngerechtigkeit durch- führen. Erklärtes Ziel sei es, dass der Equal Pay Day, dessen Termin ab 2009 nach den jeweils aktuellen statistischen Daten zum Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen jährlich neu festgelegt wird, mit der Zeit immer weiter nach vorne rücke. "Der Equal Pay Day wird erst überflüssig sein, wenn er auf den 31. Dezember des Vorjahres fällt", bekräftigte Schleicher. Weitere Infos gibt es hier.

Dienstag, 26. August 2008

Na also, geht doch!

Foto Flickr

GEFUNDEN VON ISABEL ROHNER,

Sie leben im "Land der Töchter": Bei den Mosuo im Südwesten Chinas bestimmen die Frauen die Geschicke des Dorfes. Spiegel-Online berichtet über den "Tanz der Matriarchinnen". Vor allem die Null-Funktion der Ehe und die Sprache der Mosuo sind ein Blick auf den Link wert.

Freitag, 22. August 2008

Aus der Modewelt, Folge 2

Foto: Flickr


VON ISABEL ROHNER,
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Auf meinem letzten Flug von Zürich nach Köln wurde die September-Ausgabe der "Amica" verteilt. Gut, denke ich. Besser als die Fernsehzeitschrift wirds wohl sein. Und ich beginne zu blättern.
Doch auf Seite 70 halte ich erstaunt inne. "Schon gebunden?" fragt mich der Titel des Artikels und verspricht mir alles Wissenswerte zum "neuen Herbst-Trend".
"Kopftücher sind wieder im Trend", erfahre ich Modemuffel, und dass sie "eine echte Styling-Herausforderung" sind: "Man kann damit so glamourös aussehen wie Grace Kelly im Cabrio. Oder wie Rotköppchen auf dem Weg zur Großmutter."
Aha, denke ich. Die Amica will uns also das Kopftuch als Retro-Look verkaufen. Romy Schneider ist ja wieder in. Und mantramäßig versuche ich mir zu sagen, dass Amica halt eine unpolitische Zeitschrift ist, die wird nicht auf das Kopftuch jenseits der europäischen Tradition eingehen. Wäre in diesem Zusammenhang und in diesem Rahmen ja auch fatal. Wie soll man auch den neuen "Mode-Trend" mit den Fällen übereinkriegen, wo Frauen die verrutschten Kopftücher an die Schädel genagelt wurden? Und ich gebiete der Kulturwissenschaftlerin in mir, zu schweigen.
Doch kaum gedacht, schon plaudert die Verfasserin des Artikels von ihrem letzten Iran-Besuch. "Was (im Iran) jedoch wirklich nervte, war diese Kopftuchumbinderei." Puh, denke ich. Ist zwar angesichts der Schwere der Thematik etwas unkonventionell ausgedrückt, aber die Autorin scheint zumindest ein Bewusstsein für die politische Dimension ihres Gegenstandes zu haben.
Aber: Weit gefehlt. Denn da fährt sie auch schon erklärend fort: "Ich war allerdings die Einzige, die diesen Stress hatte und nicht wusste, wie es geht. Meine Bekannten besaßen stapelweise wunderschöne Seidentücher und banden sie schnell und routiniert."
Die Iranerinnen sahen nämlich aus "wie Hollywoodstars", im Iran ist "das Kopftuch auch ein modisches Statement".
Ei ei ei, denke ich, wessen Amica bist du eigentlich, Amica? Und ich habe das plötzliche Bedürfnis alle losen Tücher zu Hause zu verbrennen.

Aus der Modewelt, Folge 1

Foto: Flickr

VON ISABEL ROHNER,

Kürzlich beim Zappen stieß ich auf eine Sendung über aktuelle Modenschauen:
Im ersten Bericht staksten minderjährige Magermodels mit totem Blick über den Laufsteg. Sie verzogen keine Miene, leer und ausdruckslos bewegten sie ihre dürren Beine. Wir kennen die Bilder zu genüge. Die zuständige Make-up-Artist wurde zu ihrem Schmink-Konzept befragt. Ihre Anwort: "Starke Augenkonturen wie in den 60er Jahren, wenig Lippenstift, aber viel Rouge, damit die Mädchen gesund aussehen!"

Im zweiten Bericht - übrigens über die neue Show von Stella McCartney - dachte ich im ersten Augenblick, mein Fernseher ist kaputt. Dann wusste ich plötzlich, was anders war: Die Models hier präsentierten ihre Klamotten lachend und breit grinsend, mit strahlenden Augen. Gut, auch sie waren schlank - aber hey: Da liefen plötzlich wieder erkennbare Menschen mit Emotionen!
Ich bin bescheiden geworden.

Sonntag, 17. August 2008

Unrealistische (Hetero-) Sexualität in den Medien

VON BRITTA ERLEMANN

„Die Sexualität muß also keineswegs ein Ort der Geborgenheit in der Paarbeziehung sein, es ist ein Ort, der vielfältige Ängste hervorrufen kann. Mit diesem Satz schließt die Professorin und Psychotherapeutin Verena Kast das Kapitel Sexualität – zwischen Geborgenheit und Angst in ihrem Buch Vom Sinn der Angst. Und sie spricht dabei nicht etwa ausdrücklich von sexueller Gewalt in Beziehungen. Kast geht es um die Kluft zwischen dem Bild von Sexualität in den Medien und der real erlebten und gelebten. Und das verunsichert: „Aus den Medien und den Illustrierten gewinnt man die Botschaft, dass fast jeder und fast jede – außer man selbst – ständig ein aufregendes, reiches Sexualleben hat“, beruft sie sich auf das Buch Sexwende. Liebe in den 90ern. „Zudem erhärtet sich der Eindruck, dass das auch das Allerwichtigste ist im Leben“, schreibt sie weiter. Demgegenüber stellt sie Umfrageergebnisse, nach denen sich sexuelle Lustlosigkeit breit macht. So hätten siebzig Prozent der Frauen, die länger als fünf Jahre verheiratet sind, außerehelichen Geschlechtsverkehr (Männer 75 Prozent). 76 Prozent dieser Frauen gaben als Grund die Entfremdung von ihren Ehemännern an, 21 Prozent, dass sie zuhause nicht genügend oder nur unbefriedigenden Sex bekommen (Quelle: Frauen und Liebe. Der neue Hite-Report, 1988).

leere (seelische und beziehungsmäßige ?) Innenwelt

Der Mythos von Sexualität, den die Medien entwerfen, suggerieren nach Kast „Wenn ich mich diesen Bildern gemäß verhalte, bekomme ich das gewünschte, dann habe ich die Lebensgefühle, die die Medien vermitteln.“ Es fände dabei eine Entleerung der Innenwelt in die Außenwelt statt. „Symbol wäre die Sexualität für lustvolle, angeregte, interessierte gegenseitige Durchdringung von zwei Welten, für Prozesse des Sich-Kennens und Erkanntwerdens, verbunden mit der Erfahrung und der Sehnsucht von Lebendigkeit, geglücktem Leben, Ganzheit, Identität und Entgrenzung, also letztlich einer Verbindung mit etwas, das über uns hinausgeht.“ Diese Fiktion von Sexualität in der Medienwelt ist nach den Worten der Professorin an der Universität Zürich fast ausschließlich heterosexueller Natur. Der normalerweise unternommene Versuch, Realität und Fantasie einander an zu nähern könne im Leiden enden in dem Moment, wo das nicht gelingt. Oder in Spaltung. Dann seien Fiktion und Realität eben unvereinbar. Sehnsucht hin oder her. (Heißt für manche/n auch Leiden oder?, d.A.) „Eine Kultur der Lust wird (in den Medien) kaum dargestellt, auch keine Dialoge der Liebe. Ein Gebiet also, das geradezu die Ängste herausfordert, schaut man genau hin, und das auch eine neue Beziehungskunst herausfordern würde.“ (Kast)

Frauen: Böses Erwachen

Zudem seien die sexuellen Bedürfnisse von Frauen und Männern nicht dieselben. „Es ist empirisch bewiesen, dass Frauen, die ökonomisch abhängig sind, sich sexuell anzupassen, sich selbst verleugnen“, schreibt sie, sich auf Sexwende beziehend. Mögliche Ziele nach Kast: Nähe, ein gutes Selbstwertgefühl, Geborgenheit, ein Zuhause. „Das Erwachen für die Frauen kommt nach Hagemann-White dann, wenn `Liebessehnsucht und Aufopferungsphantasien enttäuscht sind.´“ Es sei schwer zu sagen, ob der Grund für den (oben genannten) außerehelichen Sex darin liege, dass sich die Frauen in der Ehe emotional allein gelassen und wenig geachtet fühlen, dass sie also in einer Außenbeziehung einen Menschen fänden, der sie mehr beachtet, sie ernst nimmt und ihnen das Gefühl gibt, begehrenswert zu sein, oder ob es bei den Frauen um das Zurückgewinnen der eigenen Sexualität gehe, jenseits der sexuellen Anpassung an den Partner.

Konsequenz aus Kasts Betrachtungen der Sexualität in den Medien ist, dass aus dieser Fiktion Menschen nicht wirklich lernen können, wie sie Liebe und Sexualität leben können oder zumindest kaum. Fragt sich, welchen Zweck dieses Spiel mit den menschlichen Sehnsüchten, der menschliche Fantasie hat. Kommerz? Patriarchale Wert- und Machterhaltung? Gezielte Volksverdummung nach dem Motto Sex ist das (süchtigmachende!) Opium für´s Volk? Fakt ist: Wir brauchen (nicht nur) demnach eine neue Sexual- und Erotikkultur in den Medien. Basis: Respekt, Gleichberechtigung, Kommunikation, Einfühlung!

Verena Kast, Vom Sinn der Angst – Wie Ängste sich festsetzen und wie sie sich verwandeln lassen, Freiburg, 1996/2007

Freitag, 15. August 2008

Frauendiplomatie


Foto: REGIERUNGonline/Kugler


Zwei Frauen mischen im Georgien-Konflikt ganz vorne mit: Angela Merkel und Condoleeza Rice. Merkel in Russland, Rice in Georgien: "Frauendiplomatie", nennen das die KollegInnen von Spiegel-Online. Wir sehen daran, dass es mit der wirklichen Gleichberechtigung zumindest sprachlich noch nicht weit gekommen ist. Oder dürfen auch Top-Frauen nur mal wieder die Kohlen aus dem Feuer holen, mit dem die Jungs gezündelt haben?!

Die Weltstaatsfrau

Und gleich bringt der Spiegel den außenpolitischen Auftritt der Kanzlerin schlau in Verbindung mit dem innenpolitischen Hauen und Stechen in der SPD. Während sich ihr möglicher Herausforderer Frank-Walter Steinmeier (auch Außenminister genannt) fürs Kanzleramt in hessischen Verstrickungen befände, übernehme die Weltstaatsfrau (man lasse sich diese Wortschöpfung mal kurz auf der Zunge zergehen) die globalen Amtsgeschäfte in Sachen Kaukasus und drohendem neuen Kalten Krieg.

Krisen sind Chefinnensache

Das Zitat aus Spiegel-Online: "Am Freitag Sotschi und Medwedew, Sonntag Tiflis und Saakaschwili, dann weiter nach Schweden und ins Baltikum. Krisen sind Chefsache, da kann sich Steinmeier nicht einmal besonders dagegen wehren, allerdings unternimmt Angela Merkel auch nichts, was einem Eindruck entgegenträte, dass die Außenpolitik in Sachen Kaukasus bis auf weiteres im Kanzleramt gemacht wird. Ein gemeinsamer Auftritt der beiden alsbald in Berlin, wie ihn etwa Schröder und Fischer (und Scharping) zu Zeiten des Kosovo-Konfliktes gepflegt haben, wäre ein solches Signal."

Montag, 4. August 2008

Sport-KollegInnen in Peking

VON CRASSIDA

Unser Kollege Christian Zaschke nennt in einem Beitrag für die SZ am Wochenende.

seine eigenen SPORT-KollegInnen die „Zierpudel“ unter den Journalisten. Seiner Erfahrung nach seien SportjournalistInnen vor allem AbnickerInnen und ließen die richtige Distanz zum Thema vermissen. Ja, sie machten sich sogar zu Handlagern der Sportszene. So berichtet Zaschke über eine Pressekonferenz bei den letzten Olympischen Spielen in Athen, in der ein anscheinend dopender Gewichtheber aus dem Iran Rede und Antwort stehen sollte. Es hätten dann sogar mehrere JournalistInnnen nachgehakt, woher denn diese Leistungssteigerung käme etc. Nach peinlichem Rumdrucksen und Schweigen hätte ihn dann ein mitleidiger Sportjournalist mit der neuesten aller Fragen gerettet: „Wie hat sich das angefühlt, als Sie da oben standen und hatten die Goldmedaille?“

Zaschke weist auch auf einen Werbefilm des IOC hin, der an alle „jubelnden“ Sportjournalisten verschickt worden sei. Darin rennen „gestählte Körper mit Pferden um die Wette“, während es aus dem Off heiße „Ihr alle erfüllt uns mit Stolz darauf, Menschen zu sein“. Musik schwelle an, die Stimme auch: „Wenn ihr solche Größe erreichen könnt, dann ist nichts unerreichbar.“
Für Zaschke die „feinste Leni-Riefenstahl-Optik“.

Sonntag, 3. August 2008

Where the green, green grass grows...

Von irischen Männerumarmungen



FOTO: FLICKR


VON BRITTA ERLEMANN


Ganz leidenschaftliche Journalistin und auch an nicht-deutschen Kulturen Interesssierte habe ich natürlich auch im Urlaub die Presse verfolgt - in diesem Fall die irische. Besonders in meinem Visier: The Irish Times. In Sachen Geschlechterfragen gab es da am letzten Samstag im Juli beispielsweise gleich Mehreres zu lesen: Von einer tibetischen Schriftstellerin und Aktivistin in China, die öffentlich Kritik übt und von einem Buch über die Ehefrauen der berühmten französischen Maler Cèzanne, Monet und Rodin, namentlich Hortense, Camille und Rose. Oder auch von dem einzigen offen schwul lebenden Bischof der anglikanischen Kirche aus den USA. Und endlich dann noch etwas original Irisches - ein Artikel über die öffentliche Männerumarmung. Um den soll es hier gehen. Schließlich wollte ich aus meinem Reiseland etwas mitbringen:

Da hatte doch der französische Staatspräsident Nicolas Sarcozy den irischen Ministerpräsidenten Brian Cowen bei seinem jüngsten Staatsbesuch in Dublin in große Verlegenheit gebracht. Nicht nur griff ersterer sich den Iren zum Abschied, um ihn zu umarmen, sondern auch gleich noch für einen Doppelwangenkuss. Auf die Umarmung ging Cowen nach der Beschreibung der irischen Journalistin Shane Hegarty noch vertrauensvoll ein. "Kulturell im Hintertreffen, zögerte Cowen und kompensierte dann, indem er ein bisschen überzog", berichtet sie. "Erst einmal zurück in seiner Staatskarosse, muss es Sarkozys erster Akt gewesen sein, die Spucke von seinem linken Ohr zu wischen." (...)



Andere Länder andere Sitten



"Öffentliches Zeigen von Zuneigung gegenüber anderen Männern bleiben den männlichen Iren größtenteils fremd. In Frankreich küssen sich Männer zwei mal zur Begrüßung und zum Abschied. In Italien untermalen sie das manchmal mit einer Bären-Umarmung. In manchen Kulturen halten männliche Gefährten Händchen", stellt die Kollegin unter anderem fest.
Abgesehen davon, dass sich die Autorin des Artikels fragt, inwieweit die französisch-irische Umarmungsgeselligkeit ein privater Kampf um Vorherrschaft zwischen den beiden Führern war: Der Soziologe Paul Anthony Ryan erklärt zum Beispiel im Text: "Als Blair Bush vor ein paar Jahren traf, wurde viel diskutiert, wer wen mit seinem Arm geführt hat. Es gibt ein Protokoll, nach dem Männer lieber der Führende als der Geführte sein wollen."

Derselbe Soziologe sieht jedoch, dass sich der körperliche Umgang unter Männern und auch mit Frauen in Irland verändert hat: So sei vieles in jüngerer Zeit zwangloser geworden, inklusive Kleidung, wie man spricht und interagiert. "Damit einhergehend ist es zu einer Veränderung der Etikette um das Begrüßen gekommen, besonders, was das Grüßen von Männern anderer Männer betrifft", schreibt Hegarty weiter. So geben in der englischsprachigen Welt diverse Medien Definitionen von der neuen (echten, d.A.) Männerumarmung. Die London Times etwa unterscheidet deutlich von der Umarmung per Klaps/leichtem Schlag (wohl auf den Rücken) und der streiche(l)nden (dann wohl weiblichen oder erotischen) Umarmung. Übrigens, so hält die Journalistin fest, sei öffentliche Intimität unter Männern nicht das Vorrecht von Gesellschaften mit aufgeklärten Einstellungen gegenüber Homosexualität, sonst müsste Saudi Arabien eine Bastion der Toleranz sein.

Bloß nicht weiblich sein



Pat Fitzpatrick, Soziologe an der Universität Limerick (Irland) erklärt das Zurückschrecken der irischen Männer vor dem herzlichen Körperkontakt mit ihresgleichen so: "Männer tendieren dazu, ihre Emotionalität zu überwachen und zu kontrollieren, damit sie nicht in irgendeiner Hinsicht feminin erscheint. Auf diese Weise distanzieren sie sich von allem, was Ausdruck von Weiblichkeit beinhaltet. Es gebe eine Übereinkunft darüber, was es heißt, ein Mann zu sein und wie sie Stärke ausdrücken, und das soll nicht aufgeweicht werden." Und er sieht trotzdessen, dass sich einige Aspekte von Männlichkeit in den letzten Jahren verändert haben, eine Verunsicherung und Ängste bei den Männern, wie sie sich korrekt verhalten (sollen). Einzige Ausnahme: Männerkörperkontakt im Sport.

Was sagt uns das jetzt für good old Germany? Und was hat das vor allem mit uns Frauen zu tun? Erstens: Wenn ich hierzulande Männer beim Umarmen sehe, beobachte ich oft den von der London Times als männlich definierten Klaps auf den Rücken (oder mehrere davon hintereinander). Sanftes Streichen ist mir noch nicht untergekommen. Küsschen links und rechts? Vor allem unter Männern und ähnlich wie in Irland - eher undeutsch! Da sind sich die beiden Länder also durchaus ähnlich. Auch darin, wie sie sich in Sachen Männerkörperlichkeit in den letzten Jahren entwickelt haben. Und wir Frauen? So lange ich das bewusst wahrnehmen kann (also etwas mehr als die letzten 30 Jahre), gehen Frauen in Deutschland untereinander phyisch herzlicher miteinander um als Männer. Die Angst der Männer vor der (eigenen) Weiblichkeit sehe ich auch hier. Und damit implizit vor dem vermeintlich Minderwertigen. Warum sonst ist schwul/Schwuchtel und damit auch der gefühlvoll körperliche Umgang unter Männern auf der Schimpfwortrangliste in diesem unserem Lande ganz oben? Weil Schwulsein mit Femininität assoziiert ist. Zum Beispiel rät der oben erwähnte schwule Bischof Gene Robinson in derselben Irish Times seinen schwulen Kollegen auch dazu, auf die öffentliche Einstellung der Gesellschaft gegenüber Homosexualität ein zu wirken, indem sie sich vorrangig um die Frauenfrage kümmern. Alles andere folge automatisch. So erscheint die Verweiblichung des Männlichen als möglicher Schritt, das Weibliche in Person, nämlich die Frau (die übrigens ja auch so genannte männliche Anteile hat) auf zu werten. Zwingend ist das nicht. In so manch patriarchaler Gesellschaft halten beispielsweise (auch Hetero-)Männer Händchen. Aber frau soll ja die Hoffnung nicht aufgeben...

Freitag, 1. August 2008

Arbeit am Feindbild

Es gibt ein neues Feindbild: das Kreuzfahrtschiff. Gerade berichtet die Süddeutsche Zeitung, dass in Hamburg in dieser Saison 79 von ihnen anlegen. Dabei verbraucht etwa die Queen Mary 2 mit ihren 3850 Passagieren und Besatzungsmitgliedern so viel Strom wie eine Stadt mit 200.000 Einwohnern. Einer Studie zufolge verursacht einer dieser Riesen während einer Stunde im Hafen so viel Feinstaub wie 50.000 Autos, die mit Tempo 130 über die Autobahn fahren.

Was soll ich bloß machen, ich habe doch schon ein Feindbild. Straßenpanzer, auch SUV´s genannt, wobei diese Abkürzung keineswegs sport-utility-vehicle bedeutet, sondern
super-unsinniges-verkehrsgerät. Sie sind zu schwer, zu schnell und brauchen zu viel Platz. Fußgänger und Radfahrer haben keine Chance gegen sie: "Becken und auch die Köpfe von Kindern prallen bei diesen hohen Fahrzeugen mit voller Wucht gegen die vordere Haubenkante", schreibt der ADAC in einer Studie. Der ungedämpfte Aufschlag sei mit einer fahrenden Mauer vergleichbar, da der Aufprall nicht durch Abrollen oder Rutschen absorbiert werden kann.

Gerade hat die Deutsche Umwelthilfe ausgerechnet, dass diese Geländewagen bei uns ganz überwiegend als Firmenwagen gemeldet sind und dabei hoch subventioniert werden. So betrügen die Steuerrückzahlungen beim Porsche Cayenne S oder Audi Q7 über einen Zeitraum von sechs Jahren um die 38.000 Euro (Neupreis der Geräte rund 70.000 Euro). Während die Niederlande für deren Anschaffung eine CO 2- und Luxus-Steuer von 38.000 Euro (GB 23.000, Spanien 10.000) kassieren, hat die Bundesregierung das Thema „CO 2-Orientierung bei der Besteuerung von Dienstwagen“ auf die lange Bank geschoben. Aber die Zeit arbeitet gegen mein Feindbild: Der Umsatz der SUV´s ist in den USA und Europa um die Hälfte eingebrochen.