Mittwoch, 31. Dezember 2008
Trauriger Jahresausklang
Ich habe folgende Website noch nicht gecheckt, aber die "Palestine Media Watch" wird heute in der "Jordan Times" herausgestellt. Vielleicht schaut Ihr mal drauf:
www.pmwatch.org
Dienstag, 30. Dezember 2008
Kuba-Blog ist Kult
Freitag, 26. Dezember 2008
Die Frage der Vereinbarkeit
Grafik: Per Thomas, junger Künstler aus Bremen
In den vergangenen Wochen habe ich mehrfach Anfragen von Abiturientinnen bekommen. Sie sind 18, 19, vielleicht 20 Jahre alt. Sie schreiben für Schülerzeitungen oder ihre Regionalzeitungen. Sie möchten Journalistinnen werden. Weil ihnen das Schreiben Spaß mache, sagen diese jungen Mädchen.
Und dann fragen sie mich, die 28-Jährige: Wie könnte ich Journalistin werden? Und kann ich
"als Frau in diesem Beruf später einmal Kinder und Job vereinbaren?".Keine Ahnung! Du als Frau... was soll das eigentlich heißen? Warum denn nicht?! Alle wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema deuten auf ein klares "Nein" hin, wenn man an traditionellen Rollenzuschreibungen festhält. Aber das sind Untersuchungen aus den 70er und 80er Jahren. Repräsentative neue Studien zu diesem Thema gibt es schlicht nicht. Und ich frage mich, was los ist. Diese Mädchen sind Jahrgang 1988, 1989, 1990 - sie sind in einem Gesamtdeutschland groß geworden und mit Internet sowieso. Und sie haben die traditionelle Geschlechterrolle verinnerlicht. Wenn eine Abiturientin die Barriere "Familienvereinbarung" als IHRE EIGENE, PERSÖNLICHE Herausforderung mitdenkt, bevor sie überhaupt die Reifeprüfung abgelegt hat, dann stimmt doch irgendwas ganz gewaltig nicht! Wo leben wir denn? Im Mittelalter?
Wo sind hier die Erwachsenen, die Lehrer, die Eltern, die JournalistInnen, die den potentiellen Nachwuchs für unser Berufsfeld auffordern, neue Wege zu gehen. Denkt doch nicht Barrieren mit, wo es um Eure eigene berufliche Entwicklung und Selbstverwirklichung geht, Mädels. Willkommen im Jahr 2009. (Naja, zumindest in wenigen Tagen.)
Mittwoch, 24. Dezember 2008
Von Weihnachtswünschen und guten Vorsätzen
Im besten Sinne aber will eine extreme Meinung auf Missstände aufmerksam machen. Die Schläfrigen und Gesättigten unserer Mediengesellschaft sollen durch die Thematisierung schreiender Ungerechtigkeiten aufgeweckt und zum Nachdenken gebracht werden.
Zugegeben, manchmal gehen diese zwei Intentionen Hand in Hand - so kurz vor Beginn des Wahljahres geht es in der Politik natürlich auch darum, aufzufallen. Und dennoch ist zu wünschen, dass die Schläfrigen und Gesättigten über das, was Guido Westerwelle kürzlich gesagt hat, nachdenken:
"Deutsche Außenpolitik und deutsche Entwicklungshilfe muss sich an freiheitlichen Werten und an den Menschenrechten orientieren (...) Ich bin zum Beispiel dagegen, dass Länder Entwicklungshilfe vom deutschen Steuerzahler bekommen, die Frauen nur als Menschen zweiter Klasse behandeln und systematisch misshandeln oder wo Männer und Frauen hingerichtet werden, nur weil sie homosexuell sind."
Gut, man könnte Dr. Westerwelle erwidern: Da wäre die deutsche Außenpolitik aber ganz schnell arbeitslos. Ginge man nach der Einhaltung der Menschenrechte gäbe es für Deutschland weder viele Länder, die unterstützbar sind, noch viele Partner, mit denen zusammengearbeitet werden könnte. Und ist es nicht gerade die Aufgabe der Entwicklungshilfe, Menschenrechte zu fördern?
Außerdem: Wie steht es eigentlich um die Einhaltung der Menschenrechte in Deutschland???
Aber ich muss gestehen, mir hat allein die pure Vorstellung, die Politik könnte in Zukunft ihr Augenmerk vermehrt auf die Einhaltung der Menschenrechte und die Lage von Frauen und Homosexuelle richten, das Herz erwärmt.
Und darum geht es doch an Weihnachten.
P.S.: Die Presse dachte leider mehrheitlich gar nicht daran, die Westerwelle'sche Utopie in ihrer ganzen Bandbreite wiederzugeben - da wurden doch die Frauen einfach vergessen:
"Westerwelle macht sich für Homosexuelle stark" titelt das Hamburger Abendblatt, "Westerwelle will Strafen für schwulenfeindliche Länder" die Süddeutsche, ebenso die Augsburger Allgemeine. Und die Welt interessierte sich nur für "Westerwelles Schwarzbuch der Homophobie". Ich werde das Gefühl nicht los, dass sich in den Vorstellungen der Redaktionen auch dahinter nur Männer verbergen...
Montag, 22. Dezember 2008
Die vernachlässigte Form: Das Interview
Das Interview ist vor allem in den Printmedien eine vernachlässigte Darstellungsform - so das Fazit von Michael Haller, Journalistik-Professor an der Universität Leipzig. Seine Untersuchungen haben gezeigt, dass die Leser unzufrieden sind. Es gibt zu viele schlechte Interviews, aufgemacht mit uninspirierten Einstiegsfragen, ein Geschwafel über Gott und die Welt, ein unerträgliches Sich-Anbiedern oder das Gegenüber Nebelbomben bis zu völligen Verdunklung abwerfen lassen. Höchste Zeit also, einer der wichtigsten Darstellungsformen eine ganze Fachtagung zu widmen.
Die fand Ende November in Berlin statt und war vom Netzwerk Recherche organisiert. Nicht nur wegen der Referenten und Referentinnen - darunter Anne Will, Maybrit Illner, Peter Merseburger oder Jörg Thadeusz - war die Tagung hochkarätig besetzt. Auch wegen des Inputs. Konzentrierte drei Tage referierten, diskutierten und reflektierten rund 40 Teilnehmer in der Evangelischen Medienakademie über die Kunst des Interviews, über die Relevanz journalistischer Interviews und über verschiedene Interviewstile.
Ob Recherche- und Hintergrundinterview, Expertenbefragung, Personality-Interview oder Polittalkshow - so verschieden wie die jeweilige Gesprächssituation oder das Infoziel sind auch die Stile und handwerklichen Regeln, die es zu beachten gilt. Immer gülitg sind aber folgende Regeln:
- Professionelle Interviews sind die Erfolgsgaranten für alle journalistischen Produkte.
- Eine perfekte und penible Vorbereitung ist dabei unerlässlich, aber auch Spontanität, Einfühlungsvermögen und Humor sind auf der Seite des Interviewers wichtig.
- Die Gesprächssituation sollte angenehm sein, auch wenn der Gesprächspartner kritisch in die Mangel genommen wird.
Es geht eben nicht nur immer um die bloße Information, sondern auch darum, wie sie kommuniziert wird: Körpersprache, Zwischentöne - alles das sollten gute Interviewer auch mit Überraschungen und unkonventionellen Ideen herauskitzeln.
Ziel darf nicht die eigene Darstellung sein, aber eben auch nicht das Anbiedern des Interviewten - sondern der klare Informations-, Unterhaltungs- und damit auch Lustgewinn.
„Die Journalisten müssen das Fragen wieder lernen!”, fordert Michael Haller.
Fragen lernen, Fragen stellen, Fragen zulassen - aber fair bleiben. Einig waren sich fast alle Experten, dass die Autorisierungspraxis der Qualitätssteigerung zuträglich ist. Und wenn der Interviewpartner tatsächlich ganze Passagen schwärzt, kann man sich auch immer noch trauen, ein Interview eben nicht zu publizieren!
Übrigens: Frauen haben in den meisten Interviewsituationen einen leichten Vorteil - sei es durch die geschlechtsspezifische Sozialisation, dass sie mit nonverbaler Kommunikation besser umgehen können, als auch durch ihre Rolle als Frau. Wer erst unterschätzt wird und dann mit sehr guter Vorbereitung glänzt, kann meist auch den größten Kommunikationsprofi knacken.
Sonntag, 21. Dezember 2008
Der Schuh wird politisch
"Schon immer wollte er Bush mit einem Schuh schlagen, jetzt ist sein Traum in Erfüllung gegangen."Über diesen Traum berichtete seine Tante den Medienvertretern vor Ort. Zu früh gefreut. Zunächst spielte er den strahlenden Sieger, der von Libyens Wohlfahrtsorganisation, die ausgerechnet von einer Frau, nämlich der Tochter Gaddafis, geleitet wird, eine Ehrenmedaille erhielt. Wobei Schuhe bislang nach allgemeiner Meinung ein typisches Frauenthema sind. Aber dem scheint nicht so. Ein Mann erfand schnell ein Schuhangriffs-Internetspiel und in einer türkischen Schuhfabrik wurden über 300000 Modelle des Typs 271 geordert. Also ein echter Konjunktur-Kick für die Wirtschaft. Nebenbei bot ihm ein saudischer Geschäftsmann angeblich zehn Millionen Dollar für die Latschen.
"Wenn er ein Thema anschneidet, dann nur, um zu demonstrieren, dass keiner so gescheit ist wie er", zitiert die StZ am 20.12.08 einen seiner Kollegen, der mit ihm im Libanon einen Pressekurs besucht hat.
"Leider hat er aus diesem Kurs im Libanon nichts mitgenommen. Dort hatten wir Unterricht in journalistischer Ethik."Erfreulich, dass sich Medien kritisch äußern. Der Vorfall ist laut der arabischen Zeitung Asharq al-Awsat „eine Beleidigung für den Journalistenberuf“, denn Journalisten seien keine Mudschaheddin, sondern für die Informationsbeschaffung zuständig. Ihre Waffen seien kritische Fragen und nicht lederne Wurfgeschosse. Diese Erkenntnis ist bemerkenswert. Ziffer 1 i.V.m. den Ziffern 10 und 12 der Richtlinien für die publizistische Arbeit des Deutschen Presserats (Pressekodex) fordert, dass jeder Journalist die Menschenwürde - und damit das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien - achten muss. Medien verzichten darauf, religiöse, weltanschauliche oder sittliche Überzeugungen zu schmähen und andere wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit zu diskriminieren. Und ausgerechnet der Schuh macht deutlich, dass arabische Medien in diesem Punkt mit uns einer Meinung sind. Punkt.
Samstag, 20. Dezember 2008
Gourmet-Bibel in Frauenhand
Karriere im In- und Ausland
Doch nicht so gut geimpft?
Dienstag, 16. Dezember 2008
Miese Männerschuhe
Bush, Bagdad und die DemokratieAber mit der Pressefreiheit in Bagdad ist auch nur das frei, was dem Regime passt. Im Irak zählt das Schuhwerk zur untersten Klasse. Auch wenn Bush mit den Worten „So machen es halt die Leute in einer Demokratie“, cool und schlagfertig sein wollte, so ging dieser Schuss gründlich daneben. Dies lässt sich doch so (miss-)verstehen, dass in einer Demokratie auch mit Gewalt (Wurfgeschosse) und Demütigung (Schuhe werfen) Meinungen durchgesetzt werden. Demokratie hat aber mit Achtung, Menschenwürde und Respekt zu tun. Und wenn ein Politiker im Ausland unterwegs ist, was Bush gerne Frauen, in diesem Fall Condoleezza Rice, überlassen hat, da die USA das Zentrum der Welt für ihn darzustellen schien, sollte er zumindest ein wenig Ahnung von fremden Sitten und Gebräuchen haben.
Schuhe stehen für EkelSymbolisch ist ein Schuh im Iran das ekelhafteste aller Bekleidungsstücke. Es hat mit Dreck, Abscheu und schmutzigen Wegen zu tun. Ganz im Gegensatz zu den USA und vielen europäischen Ländern, in denen, insbesondere Frauen, Schuhe als wahre Kunstwerke, und nicht nur notwendiges Übel zur zügigeren Fortbewegung auf unwegsamem Gelände, betrachten. Spätestens seit der aus den USA stammenden TV-Kultserie „Sex and the City”, dürfte dies auch Männern bekannt sein.
Condoleezza klingt wie "Kundara"Dass Condoleezza auf arabisch klingt wie „Kundara“, was Schuh bedeutete, das zu wissen kann von keinem erwartet werden. Hätte Bush darauf hingewiesen, dass in den USA vom Tellerwäscher (oder Schuhputzer) zum Millionär legendäre Karrieresprünge nicht unüblich sind, hätte er die Lacher auf seiner Seite gehabt. Oder wenn er etwas in die Richtung ”When there’s a shine on your shoes, there’s a melody in your heart“ zitiert hätte, dann hätte der Werfer dumm aus der Wäsche geschaut.
Strahlende Schuhe - glückliches HerzEmotion, Poesie und Bildhaftigkeit (frei übersetzt: „strahlende Schuhe, glückliches Herz) prägt sich oft deutlicher ein als bürokratische Sprache. Ob der Zorn auf Bush gerechtfertigt ist oder nicht, sei dahingestellt. Für seinen Namen kann man nichts. Aber ranghohe Politiker und Entscheidungsträger können sich problemlos über auswärtige Gepflogenheiten informieren, bevor sie starten.
Sonntag, 14. Dezember 2008
Nicht schlecht - die Stiftungen
Die Konrad- Adenauer-Stiftung präsentiert auf ihrer Homepage aktuelle Nachrichten und Hintergrundinfos aus dem Nahen Osten und lud kürzlich Journalisten aus dem Nahen und Ferneren Osten zu einem Kurs „Media and Reporting on Environment and Climate Change“ ein, an dem ich kurzfristig teilnehmen konnte. Der jordanische Umweltminister erntete ein Grummeln bei den ZuhörerInnen aus Indien, Pakistan, Sri Lanka, Ägypten, Libanon etc., als er meinte, man brauche in naher Zukunft Atomkraftwerke und 58% der Bevölkerung akzeptiere diese Form der Energiegewinnung. Von der rund ums Jahr zur Verfügung stehenden jordanischen Sonnenkraft sprach er nicht.
Bei der Besichtigung einiger Wasserprojekte am Toten Meer beeindruckten mich die KollegInnen nicht nur durch ihr schnelles Mitschreiben in den jeweiligen Schriftzeichen, von rechts nach links, von oben nach unten, sondern auch durch ihre gezielten Fragen und hartnäckige Nachfragen. Nur einige zogen es vor, sich stundenlang gegenseitig zu fotografieren.
Mittwoch, 10. Dezember 2008
my home, my castle, my pendlerpauschale
Warum soll die Steuergemeinschaft eine ökologisch so unsinnige und Stadtbewohnern gegenüber ungerechte Subvention finanzieren? Unterstützen, dass – wie etwa in München -weiterhin jeden Morgen eine halbe Million Autos – zu 90% immer nur mit einer (!) Person besetzt – sternförmig auf die Stadt zufahren? Dass die Leute abends im dichten Verkehr 90 Minuten nach Haus brauchen und danach zu nichts mehr zu gebrauchen sind?
In Großstädten wohnen viele gut ausgebildete Singles, Paare, Familien, die sich oft nicht mal die Hälfte des Wohnraums leisten können wie jene auf dem Land. Typisches Beispiel München: Eltern voll arbeitende Akademiker, zwei Kinder, wohnen beengt zur Miete, drei Zimmer für 1200 Euro (!). Eigentum für die meisten undenkbar. Kitas sind rar und kosten oft mehrere hundert Euro. Wer ein Auto hat, findet keinen Parkplatz oder muss Gebühren zahlen, fährt stattdessen Fahrrad oder teilt sich eine Monatskarte. Von den Lebensmitteln über die Mülltonne bis zum Wein in der Kneipe sind die Preise weit teurer als in kleinen Orten.
Typisches Beispiel bayerisches Land: Vater Handwerker oder Facharbeiter, Mutter Halbtagsstelle, zwei Kinder, wohnen im eigenen zweistöckigen Haus mit Balkonen, Terrasse und Wiese. Als Ortsansässige kamen sie dafür an ein subventioniertes Grundstück, gebaut haben sie über mehrere Jahre mit Hilfe von Verwandten und Nachbarn, vieles lief schwarz. Die Familie hat zwei Autos, der Vater fährt damit morgens 70 Kilometer zur Arbeit nach München, Mutter 15 Kilometer. Es gibt freie und meist kostenlose Kindergartenplätze.
Statt die Pendlerpauschale wieder für alle einzuführen, sollten sich die Landbewohner in ihren luftigen Häusern etwas einfallen lassen: Fahrgemeinschaften bilden, Verkehrsräte wählen, sich mit Nachbarorten verknüpfen, Jobsuchende oder Rentner einstellen, die die Menschen in Kleinbussen zur nächsten S-Bahn fahren und abends wieder einsammeln; Pendelbusse einrichten, die stündlich über die Dörfer fahren. Bedarf ermitteln, Pläne machen, dann öffentliche Gelder für öffentlichen Verkehr fordern.
Das Verfassungsgericht hat bei seinem Urteil betont, dass es sich bei den Wegekosten um "gemischte" Aufwendungen handelt, dass also sowohl private wie berufliche Gründe dafür verantwortlich sind, wie fern jemand von seiner Arbeitsstätte wohnt. Je weiter also entfernt, desto mehr Privatvergnügen. Ich habe keine Lust, die gepflegten Autos der Familien in den wuchtigen Neubausiedlungen bayerischer Dörfer zu subventionieren und plädiere für die Abschaffung jeglicher Pendlerpauschale.
Dienstag, 9. Dezember 2008
Innenohren und Gleichgewicht
Samstag, 6. Dezember 2008
Noch eine bloggende Professorin!
von Judith Rauch
Ausgerechnet in nature, dem Fachblatt für Hardcore-BiologInnen, fand ich den Hinweis auf das Blog von Female Science Professor. Hier schreibt eine Professorin der Naturwissenschaften seit Mai 2006 anonym über ihre Erfahrungen. Und so hat sie sich eingeführt:
I do not look my age, I do not look like a professor, I do not look like a scientist. My colleagues are, with a few exceptions, very kind and polite to me, and some (many? most?) even like me ... but they do not take me seriously.Insbesondere Studentinnen scheinen die Glossen zu mögen, weil sie ihnen wertvolle Einsichten in die Spielregeln des Wissenschaftsbetriebs geben - den tief darin verwurzelten Sexismus inklusive. Die FSP-Postings sind so erfolgreich, dass sie jetzt als Buch unter dem Titel "Academeology" erschienen sind. Was ich besonders bemerkenswert finde: Dass die Autorin bis heute nicht enttarnt worden ist.
Discovering: Undercover
Wallraff kam nicht - und auch nicht Andrea Röpke, die 2007 von der Journalistenvereinigung den Leuchtturmpreis für ihre mutigen Recherchen unter Neonazis erhalten hatte. Grund: Die Rechten hatten einen Rechtsstreit begonnen, Röpke musste schnellstmöglich reagieren. Blieb also nur noch eine - Nicole Althaus, die verdeckt im katholischen Beichtstuhl recherchiert.
Die geringe Frauenquote unter den Referentinnen - und das sei an dieser Stelle klar betont - liegt keineswegs an dem Rechercheunvermögen der das Seminar planenden Kollegen vom Netzwerk Recherche. Es gibt zum einen weniger Frauen unter den investigativ arbeitenden JournalistInnen - und noch viel weniger, die undercover recherchieren!
Das hängt zum einen mit den Themen zusammen: Undercover-Recherche wird vor allem dort eingesetzt, wo es konspirativ zugeht: In Sekten, im Rotlichtmileu, bei Neonazis, Rockern, in Zirkeln der Macht. Das sind meist alles Räume, zu denen Frauen häufig immer noch keinen Zutritt haben. Für eine investigativ arbeitende Journalistin, die sich dieser Themen annimmt, bleibt da meist nur die offene Recherche - eine Undercover-Recherche ist oft nur bei einem klassischen Frauenthema möglich. Mit Frauenthemen ist aber nicht unbedingt Auflage oder Quote zu machen.
Auch die Berichte von Medienjournalist Volker Lilienthal und dessen Rechtsanwalt Helmut Graf bestätigten die Schilderungen: Lilienthal deckte die Schleichwerbung in der ARD auf - und wurde verklagt. Sein Arbeitgeber und der DJV standen hinter Lilienthal, nach zermürbenden Monaten gewann Lilienthal. Aber der fade Eindruck bleibt: Um ein Undercover-Recherche-Ergebnis auch durchsetzen zu können, braucht es mehr als wasserdichte Recherchen: Viel Geld, beste Anwälte und einen Richter, dem an Pressefreiheit etwas gelegen ist.
Mut für mehr verdeckte Recherchen
Ganz anders dagegen die Berichte des ehemaligen STERN-Rollenreporters Gerhard Kromschröder. Als Türke, Neonazi, Rocker, Giftmüllkutscher und Beichtender in Betstühlen war in den 70er und 80er Jahren unterwegs. Die Recherchekosten zahlte der STERN - und natürlich gab es auch Rückendeckung in Rechtsstreitereien. "Der STERN hat sich mit meienr Arbeit identifiziert. Das ist heute möglicherweise nicht mehr so", erklärt sich der Journalist den Wandel. Staunen bei den Jüngeren - noch viel mehr Fragen bei den Berufseinsteigerinnen. "Für Frauen scheint es noch viel weniger Möglichkeiten zu geben, verdeckt zu recherchieren", glaubt eine Journalistikstudentin aus Dortmund. Dabei gäbe es Themen genug. Darin waren sich am Ende der Tagung die Teilnehmer einig. Neben Respekt und Hochachtung für die undercover arbeitenden Kollegen hat die Fachtagung Mut gemacht, diese Königsdisziplin der investigativen Recherche neu zu entdecken - und Solidarität mit jenen zu zeigen, die mit beispielhaftem Mut diese Methode einsetzen. Es wäre ein Gewinn für den Journalismus, wenn sich auch mehr Frauen dazu entschließen, undercover zu arbeiten. Jedoch, ruft Kromschröder in Erinnerung, sollte man nur verdeckt recherchieren, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, an die Informationen zu gelangen.
Freitag, 5. Dezember 2008
Schluss mit dem Gejammer!
In der aktuellen Online-Ausgabe findet sich dann unter dem Titel "Die Pläne in München" ein Interview mit Richard Rebmann und Karl Ulrich, Geschäftsführung des Süddeutschen Verlags mit Medium-Magazin-Chefredakteurin Annette Milz. Immerhin stellen sich die Geschäftsführer den Fragen der Medienjournalistin - auf acht Seiten erklären sie dann ausführlich die Weichenstellungen für die Zukunft. Jaja, sie könnten auch anders, wenn sie könnten. Können sie aber nicht und darum wolle man das Ganze positiv sehen: Online first.
Online zuerst, das Medium der Zukunft. Erreichten laut einer Studie der Allensbach-Forscher 1980 die Tageszeitungen noch über 80 Prozent der über 29-Jährigen und immerhin über 70 Prozent der 14- bis 29-Jährigen, sind es jetzt gerade einmal 60 beziehungsweise 40 Prozent. Tendenz sinkend. Im Netz sieht es freilich anders aus. Laut ARD/ZDF-Onlinestudie sind
65,8 Prozent der deutschen Erwachsenen online, das sind immerhin 42,7 Millionen Bundesbürger. Bei den 14- bis 19-Jährigen sind es sogar 96 Prozent. Sie nutzen das Internet durchschnittlich zwei Stunden pro Tag. Fraglich dabei ist, ob sie sich in dieser Zeit bei Spiegel-Online, Faz.Net, Sueddeutsche.de oder taz.de informieren, ob sie in der ARD-Mediathek surfen - oder nicht doch eher in Social Networks wie StudiVZ unterwegs sind, sich alberne Videos bei YouTube anschauen oder illegal Musik runterladen und Online-Spiele zocken.
Wer jammert, beraubt sich selbst der Chance, etwas zu verändern. Die Krise schafft völlig neue Möglichkeiten. Denken statt Klagen, Initiative ergreifen statt still stehen. Wer über seine eigene Situation jammert, beschäftigt sich nur mit sich selbst - stattdessen sollten wir JournalistInnen auch einmal an unsere LeserInnen, HörerInnen, ZuschauerInnen denken.
Mittwoch, 3. Dezember 2008
China und der schöne Schein
"Gegenseitiger Respekt und Aufmerksamkeit" zählt nicht nur international zum guten Ton, sondern insbesondere in Ländern wie China, in denen Kritik eine peinliche Sache ist. Insbesondere vor und nach den olympischen Spielen. Zwar ist China für, aus unserer Sicht, unmögliches Benehmen bei Tisch (Rülpsen, mit vollem Mund brüllen etc.) bekannt. Aber was bei uns nicht ungewöhnlich ist, z.B. Nase putzen in der Öffentlichkeit bei Schnupfen, ist dort eine Peinlichkeit. Wann endlich ist solchen Ländern Gesundheit und Sicherheit wichtiger als Ehre und Prestige, um den schönen Schein zu wahren?
Ein Ansatz war ja der 2007 erlassene "Verhaltensknigge für chinesische Reisende ins Ausland, da das Verhalten einiger chinesischer Reisender ins Ausland nicht vereinbar mit der zunehmenden wirtschaftlichen Stärke der Nation und ihrer wachsenden internationalen Rolle sei". Daher sollen Chinesen im Ausland nicht auf die Straße spucken, auf dem WC rauchen, rülpsen oder Abfall in die Landschaft werfen. Aber wenn China, ein Staat, in dem Pressefreiheit ein Fremdwort ist, schon einen weltweit guten Eindruck machen möchte, dann sollte das Verheimlichen solcher Skandale als absolutes Don´t betrachtet werden. Wenn die Erkenntnis erst dadurch entsteht, wenn deren Exportquote um 92 Prozent einbricht, ist es zwar zu spät - aber es wäre immerhin ein Teilerfolg, wenn überhaupt eine Erkenntnis vorliegt, dass ein Zusammenhang zwischen Ehre, Ehrlichkeit und Ertrag besteht.
Ansehen kann man auch dadurch erreichen, dass man darauf verzichtet, den schönen Schein zu wahren, sondern die Wahrheit sagt. Ohne kritischen Journalismus wüsste keiner etwas davon. Kompliment und Respekt für die Auslandskorrespondenten, die in solchen Ländern recherchieren und scheinheilige Presseerklärungen kritisch unter die Lupe nehmen.
Dienstag, 2. Dezember 2008
Geschenke
von Judith Rauch
Nix Finanzkrise: Huffington Post sackt 25 Mio Dollar ein
Karrierebremse Familie
Verständlich: Frauen mit Kindern arbeiten besonders geringe Stundenzahlen. Äußerst ärgerlich: Männer mit Kindern arbeiten mehr Stunden als ihre kinderlosen Kollegen. Die Studie spricht von einer „modernisierten Versorgerehe“, in der Frauen meist nur "hinzuverdienen" und wirtschaftlich abhängig sind. Die Gründe u.a.: Minijobs, Ehegattensplitting und Mitversicherung bei der Krankenkasse sorgen dafür, dass es sich kurzfristig mehr rechnet, wenn einer voll und eine kaum arbeitet - als dass beide reduzieren. Die Quittung kommt dann oft nach der Scheidung und beim Rentenbescheid.
"Familien bremsen Karriere" titelt treffend Focus-Online. Denn in den Medien und der politischen Debatte ist das neue Familienbild angekommen - leider nicht im Alltag.
Die Zusammenfassung der Studie ist gut lesbar und es gibt sie als PDF. Also: Herunterladen und gruseln!
Montag, 1. Dezember 2008
Hier bloggt Frau Professor
von Judith Rauch
Tübingen hat einen neuen Professor für Medienwissenschaften, der gleich in zwei Köpfen denkt: Er ist auch Blog-Leser und empfiehlt unter anderem den, pardon: das Blog seiner berühmten Kollegin Miriam Meckel: Erster Eindruck: Da wird ja wirklich kräftig kommentiert. Diese Professorin ist keine einsame Ruferin in der Wüste. Trotzdem: Vielleicht sollte ihr mal jemand einen neuen Gedichtband schenken.