Mittwoch, 30. Januar 2013

Als Himmelreich durch die Hölle ging

von Judith Rauch

Der Tiefpunkt muss wohl die gestrige Talkshow von Markus Lanz im ZDF gewesen sein. Von einer öffentlichen Demontage der Laura H. schrieb - ohne großes Mitleid - Focus online. Hier hatte sich also eine mehr oder minder illustre Herren- und Damenrunde versammelt, um das abwesende Opfer zur Täterin zu stilisieren: Laura Himmelreich, die ein kritisches Porträt über den Politiker Rainer Brüderle im stern geschrieben und damit unfreiwillig einen #Aufschrei zum Thema Sexismus ausgelöst hat.

Etwas ausgewogener war es da noch bei Günther Jauch am Sonntag zugegangen. Da wurde die Reporterin, die sich nicht zeigen wollte, immerhin von ihrem Chefredakteur Thomas Osterkorn ritterlich vertreten. Doch was machte Bild.de daraus? "Wieso hat Laura Himmelreich gekniffen?" fragten die Kollegen scheinheilig und bauten den neuen "Twitter-Star" Anne Wizorek mit ihrem "Knallhart-Auftritt" zu ihrer Konkurrentin auf. Nur um beim heutigen "Showdown", dem Pressefrühstück der FDP in Berlin, in vorderster Reihe mitzutwittern, wie sich Brüderle und Himmelreich begegneten - naja, fast.

Montag, 28. Januar 2013

#aufschrei und der Medienmainstream

Zu gewöhnlich, zu alltäglich sind sexuelle Anspielungen nachts an einer Hotelbar, von einem Politiker gegenüber einer Journalistin. So etwas allein ist keine Geschichte, die den Weg in die Zeitung macht, so die journalistische Wahrheit zu der sich Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn im ARD-Talk bei Günther Jauch am Sonntagabend bekannt hat. Und doch ist es ein Thema. Die Masse macht‘s. Mehr als 60.000 Tweets zum Thema #aufschrei innerhalb weniger Stunden nach der Veröffentlichung des Brüderle-Portraits im „Stern“ sind ein Zeugnis dessen, was Männer Frauen jederzeit und überall zumuten. Der „Stern“ wird den alltäglichen Sexismus in seiner Ausformung der sexuellen Belästigung in seiner nächsten Ausgabe vertiefen. Es ist keine Lappalie, es ist ein journalistisch relevantes Thema. Denn es zeigt gesellschaftliche Realität.

Sexuelle Belästigung ist ein Instrument der Macht. Wenn Männer nicht mehr weiterwissen, sexualisieren sie Frauen. Und weil Frauen beruflich so sehr vorandrängen, ist zunehmend der Arbeitsplatz Tatort für sexuelle Belästigung.

Freitag, 25. Januar 2013

Der tägliche Sexismus II

Bild: Rochus Wolff, cc-by-nc-sa
Das Grundrauschen des Sexismus im Alltag. Und unsere Gewöhnung daran. So viel ist schon dazu gesagt worden. Und auch das hat wiederum die Gewöhnung vorangetrieben.

Dagegen hilft nur, konkret zu werden, Beispiele zu nennen, die in ihrer Häufigkeit für sich sprechen.
Mein Fahrlehrer, der während der Fahrstunde wiederholt meinen Ellbogen streichelte und sagte, "Du hast aber weiche Haut!". - @fannyheather
Ach, nur eine Lappalie. Was tut Frau also in so einer Situation? Richtig - nichts. Außer innerlich aufschreien. Oder nun auch: twittern.

Der tägliche Sexismus

Sexismus gehört zu unserem Alltag wie der morgendliche Kaffee. Er ist so sehr Normalität, dass er in seiner nicht offen diskriminierenden Form vielen gar nicht mehr auffällt oder, falls doch, ihn viele für „doch gar nicht so schlimm“ halten. „Der meint das doch nicht so“ oder „Nun nimm das doch nicht so bierernst“ heißt es dann – oder (zum aktuellen Anlass) „Wir sprechen hier doch von … – der ist doch alt, der tut doch niemandem was. Der meint das doch als Kompliment!“

 Aber es ist eben keine Lapalie, was den Frauen und Mädchen fast an jedem Tag widerfährt, und zwar allen – nicht nur Journalistinnen spätabends in politisch frequentierten Bars. 

Donnerstag, 17. Januar 2013

Quatsch mit Quote

von Angelika Knop


Focus-Titel vom Montag den 14.1.2013

Bekanntlich ist die Frauenquote Gesetz in Deutschland. Widerstand dagegen ist strafbar, sie zwingt Frauen zum Arbeiten ins Ausland oder zu illegaler Beschäftigung unter gefährlichen Umständen. Nein, das ist natürlich Quatsch. Trotzdem haben sich diese Woche prominente Damen im "Focus" geoutet: Wir wollen keine Frauenquote. Und die Aufmachung glich sicher nicht zufällig der Stern-Kampagne "Wir haben abgetrieben" gegen den § 218. Dagegen hat nun der Verein ProQuote eine Aktion gestartet.

Sexismus, parteiübergreifend

Nicht nur Piraten gucken schräg. Bild: Pixabay


von Judith Rauch

Annett Meiritz hat ausgepackt. In einem Spiegel-Artikel, der jetzt auch online zu lesen ist, beklagt sich die Spiegel-online-Redakteurin darüber, was sie sich bei der Berichterstattung über Berliner und Brüsseler Politiker so alles gefallen lassen muss. Piraten zum Beispiel haben ihr ein Verhältnis mit einem eigenen Parteimitglied angedichtet und die Journalistin als "Prostituierte" verunglimpft - das alles öffentlich per Twitter und an die Geschmähte mitadressiert.

Aber es sind nicht nur die Piraten. Sexisten gibt es auch in anderen Parteien.

Sonntag, 13. Januar 2013

One Billion Rising: Tanzen gegen die Gewalt




von Judith Rauch

Es ist eine dieser großartigen - oder auch größenwahnsinnigen - Kampagnen, wie sie nur einer Amerikanerin einfallen können, und es ist einfach eine Aktion, bei der frau mitmachen muss: One Billion Rising - der große Streiktag der Frauen und sympathisierenden Männer - gegen Gewalt am weiblichen Geschlecht. Am 14. Februar, dem Valentinstag. Hier gibt´s die wichtigsten Fakten. Und die Emotionen gibt´s im Video.

Mittwoch, 9. Januar 2013

Männliche Medienkompetenz beim MDR

MDR-Rundfunkrat 2012
Mitglieder deutscher Rundfunkräte werden nach Schönheit ausgewählt. Den Eindruck gewann der Journalistinnenbund (jb) in einer aufwändigen Recherche vor allem beim MDR-Rundfunkrat, etwa hier oder hier. 

Nein, Scherz, diese beispielhaft gezeigten Männer wurden natürlich wie alle DamenundHerrenRundfunkräte nach Medienkompetenz ausgewählt.


Nun aber richtig: Eine Untersuchung des Journalistinnenbundes ergab, dass sich die Hälfte aller deutschen Rundfunkanstalten einen weit unter 30%igen Frauenanteil  (siehe pro Quote) in ihren Rundfunkräten leistet.

Mittwoch, 2. Januar 2013

Hoffnungsträgerin Musik

Das SWR-Sinfonie-Orchester Baden-Baden-Freiburg Foto: SWR/Klaus Polkowski
 Es ist der alltägliche Frust von Journalistinnen und Journalisten: Alles wurde schon mal gedacht, gesagt, geschrieben. So geht's auch mir heute am Anfang dieses noch jungen Jahres. Was sollen wir noch schreiben zu der schrecklichen Vergewaltigung der jungen Frau in Indien?, Was zu den Opfern im Bürgerkrieg in Syrien?, Wie sollen wir die Homophobie in afrikanischen Ländern noch kommentieren?, Was sagen zur alltäglichen Gewalt in unserem Umfeld? So viel Hoffnungsloses! Seltsamerweise passt dazu die im Weltgeschehen vergleichsweise harmlose Frage, warum das wunderbare Sinfonie-Orchester Baden-Baden-Freiburg der SWR-Sparwut zum Opfer fallen wird? Das fragen sich viele Menschen und haben beim letzten Konzert zu Jahresende den Musikerinnen und Musikern frenetisch ihre Unterstützung bekundet. Denn genau da, wo so oft keine Hoffnung mehr ist, legt sich Musik wie Balsam auf die Wunden, wird Musik zur Hoffnungsträgerin für Hoffnungslose. So bleiben wir trotz allem schon Gesagtem dran an den großen und kleinen Fragen unserer Zeit. Legen als Journalistinnen den Finger in die Wunden, machen es wie Antigone den Mächtigen nicht zu einfach. Das ist meine persönliche Hoffnung für 2013.