Donnerstag, 26. Juni 2014

Pionierin der Straßenfotografie: Herausragender Dokumentarfilm über Vivian Maier

Vivian Maier, Selbstporträt aus den 1960er Jahren

Eine junge Frau im dunklen, schweren Mantel. Groß und schlank. Mit festen Männerschuhen und schlichtem Haarschnitt. Oft mit Filzhut unterwegs. Das einzig Auffällige, die große Kamera um den Hals. Mit einem Rühr-mich-nicht-an Blick und drei Kindern im Schlepptau zieht sie ihre Bahnen  durch die Armenviertel Chicagos, fotografiert die Einkaufstaschen der Hausfrauen, den Rücken eines kräftigen Arbeiters, die erschöpften Blicke der Verkäufer. Wer war diese Unbekannte, die mehr als 100 000 Fotos schoss und keines veröffentlichte?


Der Dokumentarfilm "Finding Vivian Maier" hat etwas von einem Krimi und besticht durch eine gelungene Mischung herausragender Schwarzweiß-Fotos mit guter Musik und der Spurensuche nach eben dieser Frau: Vivian Maier, 1926 als Kind einer Französin und eines Österreichers in New York geboren, 2009 in Chicago gestorben. Grundlage des Films ist die sensationelle Entdeckung, die der damals 29jährige Historiker (und jetzige Regisseur) John Maloof 2007 in einem Auktionshaus machte. Er erstand für wenig Geld einen merkwürdigen Fundus aus abertausenden von Fotos, nicht entwickelter Filme, Tonbandaufnahmen und einer Unmenge Zettel und Quittungen. Nachdem auch Fachleute bestätigten, dass die Aufnahmen zu den besten in der Geschichte der Street-Photography zu zählen sind, machte sich Maloof detektivisch an die Arbeit. Fand mit Hilfe der Notizen mehr als hundert Menschen, die von Vivian Maier erzogen wurden oder mit ihr zu tun hatten und formte so das Bild einer ebenso genialen wie kontaktscheuen, humorvollen wie verschrobenen Künstlerinnenpersönlichkeit.


Gesammelte Erinnerungen, die uns Vivian Maiers Leben eröffnen  Foto: John Maloof

Zum Film nur so viel: Wir erfahren, dass Vivian Maier wohl eine schwierige Kindheit hatte, die ihre schroffen Seiten erklären könnten. Die als junge Frau völlig allein in Chicago auftauchte und Jahrzehnte als Kindermädchen in verschiedenen Haushalten arbeitete. Sie hat sich dabei wahrscheinlich genau überlegt, dass sie bei Spaziergängen mit den Kindern am ehesten ihrer Leidenschaft des Fotografierens nachgehen könnte. Niemand kontrollierte sie und die Kinder waren meist begeistert von den aufregenden Touren durch dunkle U-Bahn-Anlagen und Schlachthöfe. Ihr Nanny-Zimmer war stets verschlossen und tabu für alle. Dort hortete sie mehrere teure Kameras, entwickelte ihre Filme und arrangierte - zu unserem Glück - zahlreiche Selbstaufnahmen (auch draußen entstanden jede Menge Selfies). Keine ihrer Familien wusste von diesem "Hobby" (oder interessierte sich genug dafür?). Am Ende starb Vivian Maier völlig verarmt und einsam, bis John Maloof ihr geheimnisvolles Leben zumindest stückweise wieder zusammensetzte und ihren Fotonachlass für die Nachwelt rettete.

"Finding Vivian Maier", Dokumentarfilm von John Maloof, ab heute im Kino

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