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Montag, 23. Februar 2015

Her mit den Karikaturistinnen!

Karikatur aus "Weibsbilder": Barbara Henniger




Der Anschlag auf Charlie Hebdo bescherte der Gattung der Karikaturen ein Revival aus traurigem Anlass. Denn politische Zeichnungen erscheinen außer in speziellen Heften wie Charlie eigentlich nur noch in größeren Tageszeitungen. Zeitschriften setzen eher auf etwas leichtfüßigere Cartoons, im Netz und auf dem Büchertisch dominieren Comics bzw. Graphic Novels. Jetzt aber kennt die ganze Welt den frechen, französischen Strich, der Charlie auszeichnet. Und auf die erste Schockstarre nach den grausamen Morden folgte ein kleines Raunen. In vielen Gesprächen wurde die politische und künstlerische Freiheit, Tabus radikal zu brechen, klar betont. Aber müssen uns deswegen diese groben Figuren gefallen, fragen sich so manche? Welche Bildideen wären wohl einer Karikaturistin zum Thema  Islamismus eingefallen? Und überhaupt, wo sind auch hier wieder die Frauen?


Karikatur: Lucille Clerk

Dass man die nicht so recht im Blick hat, zeigt das Beispiel der französischen Zeichnerin Lucille Clerc. Ihre ebenso elegante wie passgenaue Antwort auf den Anschlag in Paris traf den Nerv der Europäer und wurde in Windeseile über die sozialen Netzwerke verbreitet. Leider unter falschem Namen, da das Bild versehentlich dem berühmten Banksy zugeordnet wurde. Als man das korrigierte, hielten einige Medien dann Clerc auch noch für einen Mann. Immerhin wurde der Tweet der in London arbeitenden Grafik-Designerin danach noch 14.000 mal weitergereicht.




Eine, die sich seit langem in der Karikaturszene bewegt, ist die politische Zeichnerin Barbara Henniger. Am Tag ihrer Geburt in Dresden, dem 9. November 1938, brannten in Deutschland die Synagogen, an ihrem 51. Geburtstag fiel die Mauer. Genug Gründe, ein kritischer politischer Geist zu werden. Henniger wuchs in der DDR auf, brach ihr Architekturstudium erfolgreich ab, wie sie sagt, arbeitete danach als Journalistin und widmete sich ab den siebziger Jahren ganz der Karikatur. Sie gilt als unbequeme, geradlinige Künstlerin, die keine Unverbindlichkeiten mag und dafür mit diversen Preisen ausgezeichnet wurde.

Am Telefon fallen ihr auf Anhieb erst mal ein paar gute männliche Zeichner ein, die regelmäßig für deutsche Zeitungen arbeiten. Dann aber lobt sie ihre Kollegin Amelie Glienke, genannt HOGLI, mit der Henniger eine große Ausstellung zum Thema "Weibsbilder" in Potsdam gemacht hat. Und natürlich die kürzlich gestorbene Marie Marcks ("ich war meine eigene Frauenbewegung"), die wunderbare Franziska Becker (allein ihre Kopftuch-Bilder), Katharina Greve (u.a. Titanic) und die mit bösem Humor gesegnete Kitti Hawk.

Barbara Henniger - Selbstporträt

Mit Zensur, wegen der Mohammed-Karikaturen wieder ein häufiges Thema, kennt Barbara Henniger sich aus. Immer wieder kamen zu DDR-Zeiten Texte oder eine Zeichnung von ihr in der Satirezeitschrift Eulenspiegel auf den Index. Allerdings: "Die Hemdbrust aufreißen, heroisch einen Schuss abfangen - das war nicht mein Ding. Es galt, listig die Zensur zu unterlaufen", erklärte sie in einem Spiegel-Porträt. Man musste andere Bilder finden, um die Ecke denken. "Es ging darum, den Code zu knacken und zu verstehen. Darin waren die Leute Weltmeister", sagte sie der Berliner Zeitung.

Henniger würde Mohammed nicht zeichnen. "Religiöse Gefühle sollte man respektieren". Und der zeichnerische Stil bei Charlie Hebdo? Den hält sie für "gewöhnungsbedürftig". "Die Physiognomien sind mir mit ihren Verzerrungen über Nase und Körper zu monoton. Wir möchten doch hinter der Zeichnung noch den Künstler sehen." Leider seien politische Karikaturen insgesamt auf dem Rückzug und müssten oft "kasperlhaften Comics" Platz machen. Vieles ist ihr zu simpel oder auch "zu sehr unter der Gürtellinie".

Frauen hätten oft einen anderen Ansatz, meint sie, auch wenn sie einen "typisch weiblichen" Humor oder Federstrich nicht bestätigen möchte. Das Vorurteil "Frauen können keine politische Karikatur" sei in den Redaktionen allerdings weit verbreitet. So sehr, dass sie - die sich nach alter DDR-Sitte ohnehin schon immer "Karikaturist" ohne -in nennt  - ihre Werke seit der Wiedervereinigung nur noch mit ihrem Nachnamen "Henniger" unterzeichnet.

Linktipp: Interview mit Jana Sinram zum Karikaturenstreit

Dank an Barbara Henniger für die freundliche Überlassung ihrer Karikaturen!
Ähnliche Themen: Journalismus | Magdalena Köster | Politik und Wirtschaft | Weibsbilder
von Magdalena Köster
Journalistin, Sachbuchautorin, Freischreiberin in München. Fühlt sich als fünfte von sechs Schwestern in Frauenrunden besonders wohl. Verlernt nie, sich über Ungerechtigkeiten zu empören. Schreibt entsprechend quer durch die Gesellschaft - analysiert, begeistert sich und spottet gern, im Watch-Salon wie auf Twitter.

2 Kommentare

  1. Elke KoeppingMontag, 23 Februar, 2015

    Die Zeichnerin heißt kittihawk. kittyhawk mit y ist das Pseudonym einer Filmkritikerin, die seit langen Jahren für die Siegessäule schreibt.

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  2. Magdalena Köster Montag, 23 Februar, 2015

    Vielen Dank, Elke Koepping, für den Hinweis. Der Link war richtig, das Y falsch. Hab es schon geändert.

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