Mittwoch, 3. August 2016

Gespräche im Sieben-Minuten-Takt: Feminist Speed-Dating

von Angelika Knop

Partner*innenwechsel beim Gongschlag: Juliane Hahn und Verena Regensburger von den Münchner Kammerspielen sorgen dafür, dass beim Feminist Sped-Dating der Zeitplan klappt. / Foto: Angelika Knop

Zwei Stunden, 15 Feminist*innen und jeweils sieben Minuten Zeit. Das war ein Angebot aber auch eine ziemliche Herausforderung beim Festival Body Talk an den Münchner Kammerspielen. Denn mit Körpersprache allein ließ sich die feministische Szene der Landeshauptstadt beim Speed-Dating nicht kennenlernen. Es hieß reden, reden, reden - und natürlich zuhören. Eindrücke einer intensiven Veranstaltung:


Irgendwann in diesen 120 Minuten schwirrte wohl jeder/m Teilnehmer*in mal der Kopf. Da half der Blick auf den Laufzettel, der den Besucher*innen Weg wies, Infos gab und Raum für Notizen ließ. In den Gängen des Theaters präsentierten sich Aktivist*innen und Vereine aus verschiedenen Generationen und Branchen dem Publikum. Live zugeschaltet per Skype war der zeitgleich ablaufende Slutwalk, persönlich vertreten unter anderem die Frauenstudien, das Rock Camp - und eben der Watch-Salon.

Saure Gummis, knackige Infos: Input beim Watch-Salon / Foto: A. Knop

Fragen und Antworten


Beim Gongschlag zogen die Interessent*innen weiter. Neue Gesichter, neue Fragen, neue Gespräche. Am Anfang meist eine kurze Vorstellung: Was macht der Journalistinnenbund? Was der Watch-Salon? Und die Frage: Was möchtest du wissen über uns, über mich, über Frauen in den Medien? Auszüge aus meinen Notizen:

Eine Studentin der Literaturwissenschaft, die auch als freie Journalistin arbeitet, fragt: Wie kann ich in den Medien, für die ich arbeite, die Endung "*innen" durchsetzen? So viel Individualität der Autor*innen muss doch möglich sein, dass ich das so machen darf, auch wenn es nicht die offizielle Schreibweise dort ist! 
Verbindliche Sprachregeln gehören für viele Medien zum professionellen Auftritt. Sie bieten Leser*innen und Journalist*innen auch Orientierung. Abweichungen sind generell nicht erwünscht - und umso weniger, je umstrittener sie sind. Geschlechtergerechte oder -neutrale Sprache ist leider in vielen Redaktionen entweder kein Thema oder ein rotes Tuch. Es bleibt nur der Weg, sich grundsätzlich dafür einzusetzen - in Gesprächen, Konferenzen, in Verbänden oder Blogposts. Aber kleine Änderungen lassen sich meist einbauen: zum Beispiel Berufsbezeichnungen abwechselnd männlich oder weiblich formulieren oder geschlechtsneutral als "Personen". Und vor allem: Frauen überhaupt mehr vor- und zu Wort kommen lassen.


Stellung beziehen an der Garderobe: Salonista Angelika Knop  / Foto: Barbara Streidl

Besucherin: Wie regelmäßig bloggt ihr? Wie finanziert ihr euch?
Nach Lust und Laune, etwa ein Post pro Woche. Alles ist Ehrenamt, Engagement und Spaß in einem virtuellen Netzwerk. Der Journalistinnenbund, in dem wir alle Mitglied sind, unterstützt uns, wenn mal Kosten für Treffen oder Veranstaltungen anfallen. 

Eine weitere Frau verstummt, als ich mir Notizen mache. Plötzlich hat sie große Angst, dass das, was sie mir oder anderen Gesprächspartnerinnen erzählt hat, irgendwo erscheint. Es war persönlich. Nur schwer kann ich sie überzeugen:
Wir achten natürlich die Persönlichkeitsrechte unserer Gesprächspartnerinnen und wahren Vertraulichkeit, wenn das vereinbart ist.

Die Mitarbeiterin eines autonomen Frauennotrufes fragt, wie sie ihre Arbeit und Themen bei Journalist*innen besser bekannt machen kann.
Ein erster Schritt könnte sein, dem Watch-Salon über Twitter oder Mail Themen vorzuschlagen oder entsprechende Artikel zu kommentieren. Mit den Regionalgruppen des Journalistinnenbundes lassen sich gemeinsame Veranstaltungen planen.

Eine Musikerin erzählt: Sie tritt mit einer Freundin gemeinsam auf. Die Feuilleton-Berichterstattung sieht dann so aus "Die zwei Damen ...". Sie findet das gestelzt und befremdlich, bei männlichen Darstellern sei ja auch nie von "zwei Herren" die Rede, sondern da stünden halt die Namen der Künstler. Mir fällt dazu die Debatte um sexuelle Übergriffe an der Münchner Musikhochschule und die Medienberichterstattung darüber ein. Sie hält das für keinen Einzelfall im Musikstudium. Für den Einzelunterricht bei männlichen Dozenten habe sie sich auch schon oft einen Selbstbehauptungskurs gewünscht - gegen Grapschversuche. 

Eine ehemalige Journalistenkollegin, die mittlerweile den Beruf gewechselt hat, erinnert sich: Frauen wollten in Redaktionen früher oft die "besseren Männer" sein und haben andere Frauen kaum gefördert. Meine "Antwort":
Umso wichtiger sind Frauennetzwerke in den Medien. Der Journalistinnenbund setzt sich nicht nur dafür ein, dass Frauen an wichtige Positionen kommen, sondern dass wir uns dann auch unterstützen und für eine geschlechtergerechte Berichterstattung einsetzen. Der JB tut dies durch Auszeichnungen, Mentoring oder die weltweite Beobachtung der Nachrichten

Eine Studentin fragt: Wie bist du Feministin geworden?
Mit Verspätung. Ich kam von einer Mädchenschule, Benachteiligung bei Leistung war mir fremd - auch wenn ich natürlich Vorurteile und blöde Sprüche aus Familie und Freundeskreis kannte. Als ich feststellte, dass ich zwar das Gleiche tun konnte wie männliche Kollegen - es aber anders bewertet und behandelt wurde, habe ich angefangen, nachzudenken, mich zu informieren und zu engagieren. 

Kaputt: Nach zwei Stunden war die Luft raus - nicht nur beim Ballon. / Foto: A. Knop

Fazit

Die zwei Stunden vergingen wie im Flug, waren inspirierend und unterhaltsam. Die Idee, nebenbei zu twittern oder zu bloggen, habe ich ganz schnell aufgegeben - es war einfach zu viel los. Am Ende saß ich dann noch mit einigen der spannenden Kolleginnen zusammen, die ich ja während der Veranstaltung nicht kennenlernen konnte, weil wir alle an unserem jeweiligen Stand saßen. Ich bekam zum Beispiel große Lust, ein Rock Camp zu besuchen - aber erst einmal noch mehr auf einen Kaffee und eine kurze Ruhepause, damit sich die Informationen und Eindrücke setzen konnten. Beim nächsten Mal würde ich so ein Format wieder mitmachen - gerne auch als Besucherin.

***

Speed-Dating

Viele kenne das vermutlich als organisierte Flirt-Methode: Die Hälfte der Teilnehmer*innen hat einen festen Platz, die anderen rücken immer einen Stuhl oder Tisch weiter. Jedes Pärchen bekommt etwa sieben Minuten Zeit, sich auszutauschen. Bei einem Signal wird gewechselt. Am Ende kann man die wieder kontaktieren, die man gerne erneut treffen möchte. Das Format lässt sich aber auch in beruflichen oder anderen Netzwerken zum Kennenlernen nutzen. Die Women in Film and Television (WIFT) praktizieren es zum Beispiel häufig auf ihren Treffen. Das Feminist Speed-Dating in München war Teil des Festivals Body Talk an den Kammerspielen, aber bei freiem Eintritt offen für alle. 

Kommentare

  1. Toller Bericht, das BodyTalk Festival und Speeddating war auch für uns vom RockCamp München eine sehr bereichernde Erfahrung ... übrigens findet das Rock Camp für Mädchen schon nächste Woche statt, vom 15. - 20. August und es gibt noch ein paar Plätze frei (mehr unter www.rockcampmuenchen.org) und jeder ist ganz herzlich zum Abschlusskonzert am 20. 08. ab 17:30 Uhr in der Glockenbachwerkstatt eingeladen!

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