Dienstag, 16. Juni 2009

Zeitreise Ost-West

Auf einem gemeinsame Zeitreise zwischen Ost- und Westdeutschland in den Jahren 1989 bis 2009 begaben sich die Teilnehmerinnen der Jahrestagung des Journalistinnenbundes am ersten Juni-Wochenende. Gar vielfältig waren die Erlebnisse mit dem anderen Teil des Landes und mit der Wende. So saß eine Ost-Frau just zur Wende im Abi und sollte von einem Tag auf den anderen nicht mehr die Prinzipien des sozialistischen Realismus belegen, sondern widerlegen. Für eine Münchnerin spielte die Wende in ihrer Heimatstadt kaum eine Rolle und für eine Jugoslawin, die in den Westen übergesiedelt war, zeigte sich dieser überheblich. Für einige ergaben sich neue Ost-West-Kontakte und neue journalistische Themen. Soweit einige Beispiele aus dem Zeitabschnitt 1989 bis 1993.
Ab 1994 studiert eine West-Frau beispielsweise in Frankfurt Oder. Eine andere West-Frau hat eine Ferienwohnung auf Usedom, genießt die unberührte Natur und nimmt die DDR (Ex-)Spießigkeit wahr. Eine Ost-Frau wiederum reist mit den Söhnen durch die USA und macht dort ein Feature, zu dem ihr eine West-Frau den Tipp gegeben hat. (Der Sohn hat dort ein Austauschjahr absolviert.) Aus Deutschlandfunk wird Deutschlandradio, und eine West-Frau geht in Vorruhestand.
1998 bis 2001 sind Ost-Frauen kaum wahrnehmbar im West-Fernsehen, wie eine Teilnehmerin berichtet. Zwei West-Frauen besuchen Ex-Wohnhäuser von Familienangehörigen in Ost-Deutschland. Eine Ost-Frau zieht mit dem Rucksack durch Australien, eine andere volontiert und hat das Gefühl von beruflichem Aufbruch. Eine West-Frau volontiert bei der Märkischen Oderzeitung und fühlt sich stärker denn je als "Wessi".
2002 bis 2005 ist der Broterwerb einer Ost-Journalistin erst mal gesichert. Eine West-Frau erlebt die Flutkatastrophe in Sachsen und trauert über den Verlust des Aufgebauten. Eine andere West-Frau macht eine große Reise durch Polen und Litauen, später durch Weissrussland und noch einmal durch Polen. Der SFB fusiniert mit dem ORB und lässt alte neue Ost-West-Gräben sichtbar werden.
2006 bis 2009 schreibt eine West-Frau: "Nie vergessen: Wir im Westen waren Beobachter. Die im Osten haben die Revolution gemacht." Eine andere West-Frau fühlt sich auch nach drei Jahren beim rbb in Frankfurt (Oder) immer noch als Außenseiterin. Und eine Ost-Frau verortet sich bewusst in Thrüingen. Eine weitere West-Frau recherchiert in Mecklenburg und erlebt sperrige Institutionen, die wenig Erfahrungen mit JournalistInnen haben. Die Arbeit gestaltet sich schwerer als im Westen. Und die EinwohnerInnen haben Angst vor Neonazis, was sie aus dem Westen nicht kennt.
Insgesamt nahmen an der hier beispielhaft aufgezeigten Zeitreise deutlich mehr West-Frauen als Ost-Frauen teil, denn letztere sind im JB demnach nach wie vor unterrepräsentiert. Nichtsdestotrotz hatten die Kolleginnen der Zeitreise zufolge zahlreiche Ost-West-Berührungen.

Kommentare

  1. Ich fand es gut, dass trotz der vielen kurzfristigen Änderungen (Obama-Besuch) mit der Organisation der Jahrestagung alles geklappt hat und hoffe, dass es auch in Zukunft einen Austausch zwischen "hüben und drüben" gibt. Und vielleicht können wir ja in zehn Jahren erneut in Weimar tagen - und den "Zeitstrahl" (Erlebnisse/Daten/Erfahrungen wurden auf Plakattafeln geschrieben) auf den aktuellen Stand bringen. Bis dahin werden die Begriffe "hüben und drüben" vermutlich veraltet sein.

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