Lisa Blumenberg bei der Weltpremiere von BAD BANKS, Berlinale 2018 / Foto: ZDF Sascha Baumann |
Mit großem Vergnügen habe ich die Mini-Serie „Bad Banks“ angesehen, eine deutsch-luxemburgische Koproduktion für ZDF und ARTE. Die komplexe Geschichte über eine fiktive Bankenkrise ist spannend und raffiniert erzählt, großartig gespielt und sehr hochwertig produziert. Die Kritik ist begeistert, die Zuschauerzahlen vielversprechend. Auf den internationalen Branchen-Messen in Cannes wurde die Serie erfolgreich verkauft, auf der Berlinale gezeigt und eine zweite Staffel ist bereits in Auftrag gegeben. Vor allem sind die weiblichen Figuren so vielschichtig geschildert, ihre Probleme in der männlich dominierten Branche so selbstverständlich in die Handlung integriert, dass meine Neugier geweckt war. Wer steckt hinter diesem Projekt, das dem Vergleich mit den populären Netflix-Serien durchaus standhalten kann? Lisa Blumenberg, die Produzentin von „Bad Banks“, war spontan zu einem Gespräch bereit.
Ich habe gelesen, dass Sie die Idee zur Serie hatten. Was hat Sie inspiriert?
Die Bankenkrise 2008 hat mich extrem beschäftigt. Damals wurde mir bewusst, wie sehr das Finanzwesen die Welt regiert, ohne steuerbar zu sein. Die Krise ist system-immanent. 2012 habe ich dann mit der tieferen Recherche begonnen. Ich wollte die verschlossene Welt der Hochfinanz von innen heraus erzählen, neugierig, ohne Vorurteile, die man sich dann nur bestätigen lässt. Ich wollte wissen, was die Menschen antreibt, die in diesem System arbeiten. Meine These war: Es kann nicht nur die Gier sein, es muss um mehr gehen als nur um Geld, um etwas Universelles. Die Idee war zu erzählen, wie eine neue Finanzkrise entsteht. Im Mittelpunkt sollten die Experten stehen, die Strukturierer, die sich die komplexen Finanzprodukte ausdenken, die von den Brokern verkauft werden. Solche Papiere haben mit zur Lehman-Pleite geführt. Ich wollte erzählen, ob und wie es zehn Jahre später unter veränderten Bedingungen und trotz verschärften Auflagen erneut zu einer solchen Krise kommen kann.
Ich hatte schon sehr früh ein Konzept entwickelt, mich um Verständnis der Zusammenhänge bemüht, also was für Finanzprodukte es gibt, wie sie funktionieren. Parallel dazu habe ich mir Gedanken über die Finanzierung für das Projekt gemacht, das qualitativ sehr hochwertig umgesetzt werden musste, um international zu funktionieren. Für ein Projekt dieser Größenordnung braucht es auf jeden Fall ein gut eingespieltes Team. Günther Russ und Christian Friedrichs, die mit mir die Finanzierung geschlossen haben, und Junior-Producerin Lisa Arndt haben mich sehr unterstützt.
Das Thema würde sich an europäischen Finanzplätzen authentisch darstellen lassen und trotzdem hatte es globale Relevanz. In der Bankenwelt sind nationale Grenzen obsolet, deshalb bot sich eine europäische Koproduktion an. Es war klar, dass Frankfurt der Haupt-Drehort sein würde. Und Luxemburg ist ein zwar kleiner, aber doch wichtiger Finanzplatz, mit einer sehr lebendigen Filmlandschaft und potenter Förderung. Auf diese Weise gab es eine Grundlage für die Finanzierung eines solch anspruchsvollen Projektes.
Christian Schwochow, Lisa Blumenberg und Oliver Kienle bei den MIPDrama Screenings in Cannes / Foto: privat |
Der Regisseur Christian Schwochow erzählt, dass gerade die schwierige Situation der Frauen in der männlich dominierten Banken-Branche für die Macher der Serie interessant gewesen sei. Wie weit kam dazu eine Vorgabe von Ihnen?
Das ist richtig. Von Anfang an sollte eine junge Bankerin im Zentrum der Geschichte stehen. Ich wollte die männlich dominierte Bankenwelt aus einer weiblichen Perspektive schildern. Mich interessierte die Abweichung, das Besondere. Warum will eine junge Frau in dieser Umgebung arbeiten und Karriere machen? Was treibt sie an?
Ab 2014 stieg der Autor Oliver Kienle in die Arbeit ein. Er hat die Story und die Figuren kreiert. Wir haben zusammen sehr intensiv am Buch zur ersten Folge gearbeitet, um eine glaubhafte Geschichte zu entwickeln, mit Fachberatern und und und …. Ich kann aus dem Nähkästchen plaudern und verraten, dass die Figur der Christelle Leblanc – großartig gespielt von Desirée Nosbusch – am Anfang als Mann geplant war, als klassische Mentor-Figur für Jana Liekam, die Hauptfigur. Allerdings frage ich mich immer bei allen Figuren, die ich entwickle, was passiert, wenn sie ein anderes Geschlecht hätten. Und hier war mir sofort klar, dass die Geschichte dadurch gewinnen würde. Oliver Kienle hat das auch sofort begriffen und ausprobiert. Das war ein wichtiger Schritt. Jetzt schwingen ganz andere Themen mit, zum Beispiel Generationenprobleme: die Älteren, im Zenith ihrer Macht, aber fürchtend, dass sie nicht mehr weiterkommen können, gegen die Jungen. Für eine Frau ist es eine größere Herausforderung als für einen Mann, sich in der Finanzbranche durchzusetzen. Die Wahl der Mittel, die Frage, wie weit bin ich bereit zu gehen, welche Grenzen setze ich mir – das ist alles noch einmal schwieriger.
Sie sind eine sehr erfahrene Produzentin, Ihre Produktionen haben wichtige Branchen-Preise gewonnen. Sie sind bei Letterbox Filmproduktion, der Firma, die „Bad Banks“ produziert hat, Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung. Das Filmgeschäft ist ja auch sehr männlich dominiert. Wie haben Sie es als Frau geschafft, so weit nach oben zu kommen?
Ich könnte – wie Jana, die junge Bankerin, auf eine ähnliche Frage – einfach antworten: Weil ich gut bin. Und tatsächlich würde ich das auch so sagen. Ich habe jedenfalls keinerlei Erfahrungen mit Machtmissbrauch oder sexualisierter Gewalt gemacht. Wenn ich gute Ideen entwickelt habe, dann konnte ich diese auch umsetzen.
Lisa Blumenberg und Caroline von Senden / Foto: Ricardo Vaz Palma |
Ist es Ihnen wichtig, Frauen im Film und TV – vor und hinter der Kamera – mehr Gewicht zu geben, ihnen größeren Einfluss zu verschaffen? Würden Sie sich sogar als Feministin bezeichnen?
Das ist absolut mein Interesse! Wahrscheinlich bin ich viel mehr Feministin als es mir bisher bewusst war, denn ich bin einfach eine reflektierte Frau. Ich kenne mich nicht mit feministischer Theorie aus, nicht mit gendertheoretischen Schriften, und hätte mich zur Zeit meines akademischen Studiums Ende der 80er Jahre sicher als postfeministisch bezeichnet. Aber wenn ich mir die Geschichten ansehe, die ich bisher produziert habe, bei denen oft komplexe weibliche Figuren im Mittelpunkt stehen, dann glaube ich, dass ich doch eigentlich eine Feministin bin. Nur mache ich nicht aus ideologischem Interesse Filme, in denen die weiblichen so wichtig sind wie die männlichen Rollen, sondern weil ich es einfach selbstverständlich finde. Frauen sind genauso komplex und vielschichtig wie Männer. Vor allem finde ich, ist die Bandbreite der Unterschiede innerhalb der Geschlechter viel größer als zwischen den Geschlechtern. Die Geschlechterdiskussion sollte deshalb auf einem sehr hohen, fast abstrakten Niveau geführt werden, um nicht wieder in alte Stereotypen zu verfallen. Sonst ist man ganz schnell zurück bei solchen Thesen wie dem „weiblichen Blick“, der Frauen dazu prädestiniert, romantische Geschichten zu erzählen. Das ist ja alles völliger Quatsch!
Für mich ist es eine Frage der Gerechtigkeit und vor allem auch der Qualität. Es ist ja bekannt, dass die Qualität einer Film- oder TV-Produktion umso besser ist, je vielfältiger die Geschichte und das Team sind. Die verschiedenen Bereiche in der Filmbranche sind aber nicht alle gut genug durchmischt. In der Regie ist es offensichtlich gewesen. Da gab es viel zu wenige Frauen; weswegen ich hier eine Quote für richtig halte. Es hat sich ja in den letzten zwei Jahren einiges verändert, auch bei den Sendern. Sicher auch, weil man mal genau hingeschaut hat und klare Forderungen gestellt wurden. Deshalb bin ich auch Mitglied bei WIFT – Women in Film and Television, dem ersten Verein seit der Kinderzeit im Sportverein.
Eigentlich denke ich aber nicht permanent darüber nach, welches Geschlecht mein Gegenüber hat. Wenn ich an einem guten Projekt mit guten Leuten arbeite, spielt das für mich keine Rolle. Ich habe mir allerdings beruflich ein starkes weibliches Netzwerk aufgebaut, das sehr wichtig für mich ist. Caroline von Senden zum Beispiel, die beim ZDF meine Partnerin für „Bad Banks“ war, ist eine sehr geschätzte Kollegin, die ich schon lange kenne und mit der ich einige Projekte zusammen realisiert habe. Das ist eine sehr vertrauensvolle Kooperation auf Augenhöhe.
Gibt es einen Stoff, den Sie unbedingt noch verwirklichen wollen? Was treibt Sie an?
Ein Produzenten-Traum von mir ist es, einen Musical-Film zu machen, so richtig mit viel Musik und Tanz. Ich liebe das Genre, von „Mamma Mia!“ bis hin zu den schrägen Musik-Filmen, die Woody Allen gemacht hat. Das fasziniert mich sehr!
Ansonsten treibt mich der Wille zur Qualität an. Ich will gute, ja noch bessere Filme machen. Der Beruf bringt einen sehr hohen Druck mit sich. Die Fäden laufen alle bei einem zusammen, man hat die Verantwortung für sehr viel Geld. Da verbringt man schon mal die eine oder andere schlaflose Nacht. Ich achte aber darauf, dass ich dann am Wochenende wenigstens einen Tag richtig ausschlafe und mal abschalte. Sonst ist man nicht mehr gut. Wie Christelle Leblanc es in der Geschichte sagt: „Die Entspannung gehört auch zum Beruf.“ Und wenn man dann die große Ehre hat, wie es letztes Jahr mit „Bad Banks“ geschehen ist, auf der wichtigsten Branchen-Messe die ersten Bilder einer neuen Serie im Grand Palais in Cannes vor den internationalen Einkäufern zu präsentieren, dann hat sich die Sache gelohnt.
https://www.zdf.de/verbraucher/wiso/videos/bad-banks-im-realitaets-check-100.html
AntwortenLöschenBeeindruckende Serie. Das ZDF hat zur Sicherheit mit (allerdings nzur zwei) Bankern einen Reality-Check gemacht. Auch wenn die meinen, ganz so gruslig wie in Bad Banks war's nicht und würde es auch nicht mehr werden - ein gesunder Restzweifel bleibt.
Die Recherche sollte ja auch möglichst vor dem Dreh stattfinden. ;–) War ja wohl auch so. Und Paula Baer hat sehr intensiv für ihre Rolle recherchiert. Aber klar ist, dass es in der Realität sicher nur halb so spannend zugeht. Gott sei Dank!
LöschenDanke Eva für das Interview. Und die Antwort auf deine Frage: Wie haben Sie es als Frau geschafft, so weit nach oben zu kommen? Die gefällt mir am besten und ist sicherlich eine kluge Richtschnur für (junge) Frauen:
AntwortenLöschenWEIL ICH GUT BIN.
in der nächsten Staffel könnte es noch etwas tiefer in das Geldsystem gehen. Vorsicht aber, das euch das Fernsehen dann nicht mehr lässt.
AntwortenLöschen