Dienstag, 25. Januar 2011

1Live weiß Bescheid: Frauen wollen Friseure


Der Lack ist ab? - Dann bitte nicht nach Düsseldorf. 
Foto: A. Knop

"Wenn Damen sich nicht gerne die Fingernägel lackieren, in die Disko oder zum Friseur gehen, dann sind sie in Essen oder Düsseldorf falsch."
Das meint Statistik-Professor Walter Krämer von der TU Dortmund. Der Journalistinnenbund aber meint, wer hier falsch liegt, das ist Herr Krämer - und mit ihm ein öffentlich-rechtlicher Sender, der diese seltsame Statistik-Studie zu frauenfreundlichen Städten in Auftrag gegeben hat.

Der Moderator der WDR Lokalzeit Ruhr wirkt bei der Ansage des Beitrages schon ein wenig befremdet:
 "Es ist sehr interessant, was da untersucht wurde, worauf es offensichtlich ankommt, um bei Frauen zu punkten." 
Dann folgt schönste WDR-Cross-Promotion. Die Radio-Kollegen haben im 1Live Sektor-Report den Statistiker bewerten lassen, was Frauen angeblich wollen: Friseure, Boutiquen, Nagelstudios, Reformhäuser - und Männer.

Frau könnte das nun mit Humor nehmen, zumal Professor Krämer in dem Beitrag ein bisschen wie Horst Schlämmer wirkt. Und noch lustiger wird's, wenn frau weiß, womit der Mann sich als Autor einen Namen gemacht hat: mit dem "Lexikon der populären Irrtümer" und dem Werk "So lügt man mit Statistik."Außerdem ist er im Wissenschaftsrat der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften, die sich unter anderem gegen "pseudowissenschaftliche Behauptungen" wehrt.

Ärgerlich nur, dass für so was unsere Rundfunkgebühren draufgehen. Und deshalb hat der Journalistinnenbund einen offenen Brief an den WDR geschrieben:

Offener Brief 

Bonn, den 24. Januar 2011

Liebe Monika Piel,

„Wir haben einfach alle Klischees bedient, die es nur so gibt“, sagt Prof. Walter Krämer im Beitrag „Frauenstadt – Essen Nr. 3“ in der Lokalzeit am Dienstag, den 18. Januar. Und erzählt munter, nach welchen Kriterien er als Statistiker die frauenfreundlichste Stadt von NRW errechnet hat: Nach der Anzahl von Schuh- und Schmuckgeschäften, Nagelstudios, Blumenläden, Diskotheken sowie nach dem Männerüberschuss nämlich. “Damen, die sich nicht gerne die Fingernägel lackieren oder Schuhe kaufen, die sind dann in Essen oder Düsseldorf falsch, “ erklärt Krämer.

Soweit wäre das einfach nur ärgerlich und dumm - wenn nicht als Co-Autor dieser Studie der TU Dortmund der WDR genannt wird, konkret: WDR 1Live. Das hat uns nun doch überrascht: So etwas initiiert der WDR, die erste Landesrundfunkanstalt, die Frauenförderplan und Gleichstellung realisiert hat? Die Anstalt, die sich für eine geschlechtergerechte Sprache einsetzt und natürlich für Qualitätsjournalismus? Die Anstalt, für die auch viele unserer Mitglieder arbeiten, gibt Gebührengelder aus für solchen Unsinn?

Vielleicht war die Kooperation mit der TU Dortmund sogar kostenfrei (was wir sehr hoffen) – aber die Redaktion, Moderation und Berichterstattung quer durch die WDR-Programme („Crosspromotion“ in WDR2, diverse Lokalzeiten etc.) war es sicher nicht. Dazu kommt, dass eine wohl vergleichbar klischeebeladene Studie über die „männerfreundlichste Stadt in NRW“ im November erstellt wurde: Prima! Da haben Sie dann beide Geschlechter gleich klischeehaft bedient. (Dürfen wir vermuten, wie die Kriterien für die Männer aussahen: Anzahl der Fußballvereine und Muckibuden pro Stadt?)

Kaum erwähnenswert, dass in dem 2’21-Bericht in der Lokalzeit zu allem Überfluss auch noch eine Gruppe Frauen interviewt wurde, die gerade „ein Stück über die Wechseljahre“ einüben – und daher „Expertinnen in Frauenfragen“ seien. Die dürfen sich dann in die Kamera freuen, dass es noch Taxifahrer gibt, die die Damen bis zur Haustür begleiten.

Bitte sorgen Sie dafür, dass in Ihrem Haus kein weiterer Cent für solch dummes, unreflektiertes Bedienen von Klischees ausgegeben wird. Solche Berichte schaden dem Ansehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Wir wissen, der WDR kann es besser!

Falls Sie nochmals eine Studie auflegen möchten: Wie wäre es mit Kriterien wie „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, „Umfang und Verfügbarkeit von Kinderbetreuung“, „Anzahl der Frauen in Führungspositionen“ für die frauenfreundlichste Stadt in NRW? Und falls Prof. Walter Krämer eine solche Studie nicht erstellen mag, dann finden sich in NRW bestimmt viele, die das gern übernehmen: z.B. Prof. Ilse Lenz, weitere s. www.netzwerk-frauenforschung.nrw.de. Übrigens: Das gilt auch für die Neuauflage der Männerstudie.

Auf beides freut sich – mit herzlichen Grüßen –

Ihr Journalistinnenbund
vertreten durch die Vorstandsmitglieder:
Eva Kohlrusch, Vorsitzende des Journalistinnenbundes
Rosemarie Mieder, stellvertretende Vorsitzende des Journalistinnenbundes
Hilde Weeg
Cornelia Benninghoven
Wibke Gerking
Petra-Alexandra Buhl

























Kommentare

  1. Ich weiß gar nicht, über wen ich mich mehr wundern soll: übe den Wissenschaftler oder über den Sender.

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