Montag, 27. Juni 2011

Mottenkiste der Geschichte

von Judith Rauch

Wer heute 20 ist, wird es vielleicht für einen schlechten Scherz halten: Aber tatsächlich ist es erst 56 Jahre her, dass Frauenfußball in Deutschland verboten wurde - 1955. Nicht von der Regierung, sondern vom DFB, dem Deutschen Fußballbund (damals wäre Männerfußballbund korrekt gewesen).


Wer´s nachlesen will, kann es beispielsweise in Ute Gallbronners Artikel "Verboten, bestaunt und ausgelacht" in der Südwest-Presse tun. Zitat:

Hannelore Ratzeburg, jahrzehntelang einzige Frau zwischen den DFB-Herren, vermutet, dass dies viel mit der angeschlagenen deutschen Männer-Seele in dieser Zeit zu tun hatte: "Sie sind wie geschlagene Hunde aus dem Krieg zurückgekehrt und wollten wenigstens im Privatleben alles so haben wie es vorher war. Der Fußballplatz war ihr Revier."

Wenn ich richtig rechne, war es da bereits zehn Jahre her, dass der Krieg verloren ging. Und das "Wunder von Bern", der Fußballsieg der kriegstraumatisierten deutschen Männer, lag gerade mal ein Jahr zurück. Offensichtlich hat das zur Heilung der Wunde nicht gereicht.

Heute regen wir uns darüber auf, dass in Saudi-Arabien Frauen nicht Auto fahren dürfen - vermutlich sind die Männer dort ebenfalls sehr sensibel. Ich (Jahrgang 1956) bin in einer fundamentalistischen Bundesrepublik aufgewachsen, in der Mädchen und Frauen offiziell nicht Fußball spielen durften. Unfassbar! Gut, dass wir diese Mottenkiste der Geschichte auf den Müll gekickt haben.

Kommentare

  1. die mottenkiste ist zwar `offiziell` auf dem müll gelandet, aber in den köpfen bzw. im bewusstsein vieler männer existiert sie weiter und wird mit liebe gepflegt. da wird noch heute manches macho-statement verkündet, dass fußball für frauen nichts ist: geständnis eines dt. ex-nationalspielers m. basler "ich bin ehrlich, fußball ist nichts für frauen. wenn mädchen auf dem rasen rumtoben wollen, sollen sie ein netz aufstellen und tennis spielen. das sei sexy." ca. 17 macho-sprüche aus der welt des sport hat diestandard.at aufgelistet, übler sexismus gegenüber frauen im fußball wird hier verkündet. und die ca. 600 kommentare dazu reihen sich ein im bashing. auch in anderen internet-blogs zum fußball d. frauen stellen sich viele männer quer und hetzen gegen frauen.
    dass endlich einmal anlässlich der wm im hiesigen land fussball positiv dargestellt wird, grenzt schon an ein kleines wunder - hängt aber damit zusammen, dass unser dt. frauenteam so erfolgreich war und ist.
    "fussball ist das letzte reservat der männlichkeit, alles was nicht der hetero-norm entspricht, ist von ablehnung und diskriminierung bedroht. so ergeht es vielen fußballerinnen , die als zu burschikos, robust oder männlich beschrieben werden. die grenzen zwischen sexismus und homophobie im frauenfußball sind fliessend." (zit. kicken gegen das klischee/deutschlandfunk)
    gerade der fußballsport wurde und wird stark von lesbischen frauen geprägt. passt natürlich nicht in unsere heile `normale` hetero-welt und wird gerne unter den teppich gekehrt. damit frau wieder in die richtig norm passt, folgen manche brav dem playboy-aufruf und lassen im männer-magazin die hüllen fallen "immer mehr süsse, hübsche mädels, sexy gestylt, die auch shoppen gehen und wert auf ihr äusseres legen" ist die botschaft. dagegen nerven wichtige themen lesbophobie und homophobie im fußballsport ..wir sind leider immer noch weit entfernt von echter toleranz, klischee-vorstellungen und mut zum outing.
    mir scheint - bei meinem virtuellen rundgang durch die internet-szene - , viele männer haben angst vor starken (u.a. lesbischen) frauen und ihren leistungen und fürchten um ihre männerdomäne fussball - dort, wo noch archaische männlichkeit konstruiert, gelebt und gewünscht ist.

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