Mittwoch, 7. Dezember 2011

Rhein-Zeitung vs. Sat.1 - und Sarah H. mittendrin

Bild: Joathina, cc-by-nc-nd
Die 27-jährige Sarah war wohl ein wenig naiv. Und vor allem geblendet und geschmeichelt von den Verheißungen des Fernsehens. So unterschrieb sie, wie sie erzählt, im wahrsten Sinne zwischen Tür und Angel einen Vertrag mit Sat.1. Seitdem ist sie der Antistar der Kuppelshow "Schwer Verliebt". Vor allem in ihrem Ort Fischbach in Rheinland-Pfalz ist sie zur lokalen Sensation geworden - mit Public Viewing von "Schwer Verliebt" in der Kneipe, Telefonstreichen und jeder Menge Online-Mobbing.

Die Redakteurin Vera Müller von der Rhein-Zeitung wurde schon vor der ersten "Schwer Verliebt"-Ausstrahlung von Sat.1 kontaktiert und um lokale mediale Unterstützung gebeten. Also schrieb sie. Und bereute es, als sie die erste Folge sah, sofort.

Denn in der Serie wird Sarah als minderbemittelter Freak vorgeführt. Müller kontaktierte Sarah, schrieb einen langen Gegenartikel und kämpft seither an Sarahs Seite gegen Sat.1. Die Rhein-Zeitung stellte Sarah einen Anwalt zur Verfügung. Und eine Webseite, auf der die Geschichte aus ihrer Sicht geschildert wird.

Sehr klare Fronten werden hier gezogen. Die Rhein-Zeitung muss sich von Kommentatoren unter ihren Artikeln vorwerfen lassen, aus der Not von Sarah noch weiteres Kapital zu schlagen mit zahlreichen Pro-Sarah-Artikeln. Ein wenig übertrieben wirkt es tatsächlich, wenn Vera Müller schreibt, Sarah könne die Euro-Krise besser erklären als mancher Banker. An anderer Stelle erfährt man aus Müllers Artikel, dass Sarah einen Hauptschulabschluss hat und zur Zeit als Warenverräumerin arbeitet.

Dennoch lässt sich nicht übersehen, dass an der Scripted Reality von Sat.1 eigentlich alles faul ist. Vera Müller nennt, was geschehen ist, "eine Form von Missbrauch". So weit muss man nicht unbedingt gehen. Man muss auch keine neuen Rundfunkgesetze fordern. Denn letzten Endes läuft jede Auseinandersetzung mit Sarahs Fall auf das hinaus, was schon ganz am Anfang des Grundgesetzes steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Ach, wäre dieser Satz doch die unerschütterliche Aussage, die er grammatikalisch ist.

2 Kommentare

  1. Danke für den Artikel. Ich sehe das ähnlich. Vielleicht sogar noch schlimmer. Vermutlich geht es auch um gesellschaftliche Meinungsmache. Wen es interessiert: Tägliche Gehirnwäsche, Trash-TV und die Folgen

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  2. Wie es weiterging:

    Die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz hat beschlossen, dass "Schwer verliebt" nicht gegen die Programmgrundsätze verstößt. Damit darf die Sendung in die zweite Staffel gehen, die Sat.1 bereits angekündigt hat.

    Quelle: Meedia

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