Mittwoch, 27. Juni 2012

Das Projekt "brave": Unerschrockene Journalistinnen aus dem arabischen Raum

v.li. nach re. Stephanie Doetzer, Amani Eltunsi, 
Andrea Ernst (JB-Vorsitz), Afef Abrougui, Rula Asad  
Fotos: Iris Koller

"Journalistinnen sind stets an der Seite der Frauen, wenn revolutionäre Männer die Rechte der Frauen beschneiden wollen", hatte uns die Friedensnobelpreisträgerin Dr. Shirin Ebadi in einem Grußwort zur 25. Jahrestagung des Journalistinnenbundes in München zugerufen. Und dann meldeten sich in zwei Workshops mit Kolleginnen aus dem arabischem Raum genau solche Kämpferinnen zu Wort.

Amani Eltunsi hat in Ägypten das erste Internet-Frauenradio "Banat Bas" ("only girls") gegründet, in dem auch schon mal erklärt wird, wie man Pfefferspray herstellt und sich notfalls auch schon mit einer Sicherheitsnadel gegen Belästiger wehren kann. "In Ägypten ist es weniger ein Problem, Journalistin als eine ganz normale Frau zu sein", macht Eltunsi deutlich. Frauen sind ihrer Meinung nach die großen Verlierer der Revolution, wie auch die armen Leute und die einfachen Arbeiter. "Vorher hatten wir noch Rechte, jetzt werden wir  wie Sklaven behandelt."

Afef Abrougui
Die tunesische Bloggerin Afef Abrougui freut sich über "weniger Zensur" in ihrem Land und hat sich gleich mal mit einem Code of Ethics für Journalisten vorgewagt. "Ich finde meine Themen unzensiert in den Social media", meint Abrougui. Auch ihre syrische Kollegin Rula Asad betont "Ich traue erst den Menschen, dann den Medien" und nennt als ihre Quellen "Facebook und meine Freunde". Interessant dazu die Anmerkung Eltunsis "Wir haben mehr Probleme mit Hackern als mit staatlichen Zensoren", was wohl auch damit zusammenhängt, dass Militärs wie Muslimbrüder in Ägypten im Moment vor allem mit Machtsicherung beschäftigt sind.

Rula Asad
Rula Asad wurde nach einer Reportage über Binnenflüchtlinge in Syrien so unter Druck gesetzt, dass sie aus dem Land flüchtete und zur Zeit als Stipendiatin in Deutschland lebt und arbeitet. Obwohl sie wie die Herrscherfamilie Al-Assad zu den Alawiten gehört, tritt Asad offen für den Sturz des Regimes ein. "Ich möchte so gern zurück nach Syrien gehen, aber es ist sehr gefährlich. Sie kontrollieren alle unsere Facebook-Seiten und ich würde wohl sofort verhaftet."

Stephanie Doetzer diskutiert mit Amani Eltunsi         
Unsere deutsche Kollegin Stephanie Doetzer, die einige Jahre für Al Jazeera in Doha gearbeitet hat und jetzt von Frankreich aus berichtet, muss Nichtwissenden noch mal ein paar Feinheiten des überaus wichtigen Senders ("eine komplizierte Medienmacht") erklären:
- die englische Ausgabe "Al Jazeera" * ist eher linksliberal und besetzt die Themen ganz anders,
- die arabische Ausgabe "Al Dschasira" (*beides häufig verwendete Transliterationen des gleichen Namens) steht eher den islamistisch-konservativen Kräften nahe, so lange sie Sunniten sind. 
Dass der Geldgeber Katar selbst keine Demokratiebewegungen zulässt und Menschenrechte verletzt (ebenso wie Saudi-Arabien mit dem eigenen Sender "al-Arabija"), werde in beiden Medien leider nicht zum Thema gemacht. Mit diesem Wissen im Hinterkopf sei Al Jazeera wie Al Dschasira aber von großer Wichtigkeit für die derzeitigen Umbrüche in der arabischen Welt. Am Ende wünscht sich Doetzer von den westlichen Medien mehr Differenzierung in der Berichterstattung. "Das westliche Bild des Arabers schwankt immer zwischen Extremen. Nach dem 11. September war jeder Araber ein potentieller Terrorist, um dann in der ersten Euphorie des ´arabischen Frühlings` zum lupenreinen Demokraten hochstilisiert zu werden."

JB-Projekt "brave"
Die Workshops in München waren zugleich Auftakt des Projekts "brave", mit dem der Journalistinnenbund den Erfahrungsaustausch mit Kolleginnen im arabischen Raum verstärken und einzelne Kolleginnen in ihrer Arbeit unterstützen möchte. Brave steht für "unerschrocken", das V für den afrikanischen Kontinent und das bra für den blauen BH der gedemütigten Demonstrantin auf dem Tahirplatz, deren Foto um die Welt ging.
„Wir verstehen dieses Projekt als eine Brücke – zum professionellen interkulturellen Austausch“, erklärt die Vorsitzende des Journalistinnenbundes, Andrea Ernst. Brave wird vom Auswärtigen Amt unterstützt.


2 Kommentare

  1. Banat Bas - das klingt nach einer klasse Idee. Internet Frauenradiosender mit Infos über Pfeffersprayherstellung und Sicherheitsnadeln als Waffe gegen Belästigung. Mit Waffen können die Muslimbrüder und ihnen wohlgesonnene Medien (Al Dschasira) wohl umgehen, aber mit Bildung (Informationen für Frauen aus Radio und Internet) weniger. Eine Chance, die es zu nutzen gilt.

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  2. Berichte und ein Interview mit Amani ElTunsi gibt es übrigens diesen Sonntag den 1.7. im MedienMagazin auf Bayern 5 und natürlich online:

    Journalistinnenbund
    Arabellion: Wie junge Medienfrauen den Wandel gestalten
    Autorin: Veronika Wagner

    Redaktion: Sissi Pitzer
    Moderation: Daniel Ronel

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