Katrin Lechler und Thembi Wolfram waren für die JB-Mentoring-AG auf der Journalistinnen-Konferenz "Crossing Borders" in Kairo. Foto: Katrin Lechler |
Journalismus im postrevolutionären Ägypten ist ein hartes Pflaster. Laut Reporter ohne Grenzen ist das Land eines der gefährlichsten, mindestens 16 Journalisten sind derzeit in Ägypten in Haft. Frauen werden zudem durch Gesetze und Traditionen beruflich und privat massiv diskriminiert. Über 90 Prozent der ägyptischen Frauen geben an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein; als Straftat ist dies erst seit Kurzem anerkannt. Wie bewältigen die Journalistinnen zwischen Kairo und Aswan diese Situation? Im November 2014 richtete die Deutsche-Welle-Akademie in Kairo die Konferenz „Crossing Borders – Empowering Women Journalists in Egypt“ aus. Mit dabei waren auch Katrin Lechler von der Mentoring-AG des Journalistinnenbundes (JB) und Kerstin Kilanowski von der DW-Akademie, ebenfalls JB-Mitglied. Luise Loges sprach mit beiden über die Stimmung unter den ägyptischen Journalistinnen.
Wie ist heute - vier Jahre nach der Revolution - die Stimmung in Kairo, besonders unter den JournalistInnen?
Kerstin Kilanowski: Ich bin im Mai 2013 zum ersten Mal in Ägypten gewesen, daher kann ich die Stimmung zum Beispiel nicht mit der vor fünf Jahren vergleichen, aber mein Eindruck ist, dass man in der Öffentlichkeit nicht über Politik spricht. Einer der Gründe ist, dass es dadurch in Diskussionen zu Konfrontationen kommen könnte, und andererseits scheint es eine große Angst zu geben, irgendetwas zu sagen, was das Regime kritisiert. Als JournalistIn kann man sehr leicht verhaftet werden, wenn man eine regimekritische Bemerkung macht.
Katrin Lechler:
Ich kann meinen Eindruck eigentlich nur zweiteilen in das, was ich auf der
Straße erlebt habe, und die Eindrücke, die ich auf der Konferenz gesammelt habe.
Das waren zwei unterschiedliche Welten. Auf der Straße habe ich mich teilweise
bedroht gefühlt, weil ich ständig gefürchtet habe, angegrapscht zu werden –
natürlich eine Projektion, da ich ja schon gewarnt worden war. Ich habe Frauen
auf der Straße sogar mitleidig angeschaut, aber auf der Konferenz habe ich dann
ganz starke, meinungsfreudige Frauen erlebt, die dem Vorurteil so gar nicht entsprachen.
Organisatorinnen Sigrun Rottmann (links) und Kerstin Kilanowski (2. v. rechts) von der DW-Akademie mit Konferenzteilnehmerinnen Safaa Ali (2. v. li.) und Basma el Ofy (rechts). Foto: Sigrun Rottmann |
Und wie steht es mit dem Verhältnis der Journalistinnen zu Demokratie und Feminismus?
KK: Was mich auch überrascht hat ist, dass das Wort Feminismus, das bei uns ja geradezu einen schlechten Beigeschmack hat, mit großer Begeisterung von den Frauen dort benutzt wird. Andererseits hat es mich gewundert, dass sie arabische Feministinnen wie zum Beispiel Fatima Mernissi aus Marokko, die ich sehr schätze, gar nicht kannten. Simone de Beauvoir hingegen kannten ganz viele.
KL: Ich erinnere
mich an ein Gespräch in der Pause, mit einer der wenigen Frauen dort, die kein
Kopftuch getragen haben. Mich hat interessiert, ob das eine freie Entscheidung
war. Sie hat ganz klar gesagt: Es bedarf Mut, um das Kopftuch abzulegen. Es sei
zwar nicht so, dass man auf der Straße mehr Belästigungen ausgesetzt sei. Aber
sie müsse sich immer wieder dafür rechtfertigen,
besonders in der Familie.
KK: Ich habe auch
mit Frauen gesprochen, die lange kein Kopftuch getragen haben und sich dann
bewusst dafür entschieden haben, doch eines zu tragen – ich rede hier
allerdings vom einfachen Hidschab, nicht der Ganzkörperverschleierung Niqab –
und auch dafür Unverständnis geerntet haben. Ich bin bei dieser ganzen
Kopftuchdiskussion in den letzten Monaten sehr vorsichtig geworden, denn ich
habe so viele selbstbewusste Frauen mit Kopftuch kennengelernt. Mir ist
natürlich klar, dass diese selbstständigen, berufstätigen Frauen, mit denen ich
zu tun hatte, in der Minderheit sind. Ob eine Frau Kopftuch trägt, ist aber meines
Erachtens völlig unabhängig von Selbstbewusstsein und Demokratieverständnis.
KL: Ein Unterschied ist, dass die meisten JournalistInnen in Ägypten fest angestellt sind und dass es viel mehr staatliche Medien gibt. Es gibt ähnliche Diskussionen wie bei uns vor etwa zehn Jahren. Bei der Frage nach der Quote, gleicher Bezahlung oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen die ÄgypterInnen noch ziemlich am Anfang.
Vor welchen Problemen stehen ägyptische Journalistinnen im Vergleich zu uns?
KL: Ein Unterschied ist, dass die meisten JournalistInnen in Ägypten fest angestellt sind und dass es viel mehr staatliche Medien gibt. Es gibt ähnliche Diskussionen wie bei uns vor etwa zehn Jahren. Bei der Frage nach der Quote, gleicher Bezahlung oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen die ÄgypterInnen noch ziemlich am Anfang.
KK: Ein großer
Unterschied ist die völlige Intransparenz der Bezahlung, auch bei den
Festangestellten. Das scheint nach Lust und Laune zu funktionieren: Wer nicht auf
den Putz haut, wird schlechter bezahlt. Bei Frauen wird als Grund genannt, dass
sie öfter krank seien oder sich um ihre Kinder kümmern müssten oder schwanger
würden – es ist ja immer irgendetwas falsch an uns Frauen.
Ein weiterer großer Unterschied ist, dass manche Frauen, besonders in
ländlicheren Gegenden, teilweise abends nicht mehr aus dem Haus oder
noch nicht einmal telefonieren dürfen. Damit ist normale journalistische Arbeit
natürlich nicht mehr möglich und die Frauen haben dementsprechend nur
langweilige Bürojobs, was die meisten völlig unterfordert.
Eine Gemeinsamkeit ist die Frage, wie man sich als
Journalistin mit Themen durchsetzt. Dass viele Themen, die man als Frau
vorschlägt, lächerlich gemacht oder als unwichtig abgelehnt werden, kommt ja
hier durchaus auch vor.
Das Thema der Konferenz war "Empowering". Wie habt ihr das in euren Workshops umgesetzt?
KK: Das Programm
für die Konferenz haben Sigrun Rottmann und ich zusammen entwickelt. In den
Workshops ging es nicht um journalistische Skills, sondern um
Persönlichkeitsentwicklung als Frau und Journalistin in Ägypten. Was enorm gut
ankam, war, dass die Frauen sich zum ersten Mal austauschen konnten und gemerkt
haben, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Sie haben jetzt sogar
ein landesweites Netzwerk gegründet. Ein weiterer Punkt war das Training,
eigene Stärken zu erkennen, zu analysieren und einzusetzen, anstatt sich selbst
immer nur als Mängelwesen zu sehen. Eine Frau hat zum Beispiel gesagt, sie habe
sich immer geschämt, dass sie drei Kinder habe, das sei doch unprofessionell. Erst
jetzt könne sie anerkennen, dass es auch eine Leistung ist, als Berufstätige
drei Kinder großzuziehen.
KL: Thembi
Wolfram und ich von der Mentoring-AG waren. glaube ich, eher als Vorbilder da, nicht
um Wissen zu vermitteln. Wir wollten zeigen, wohin ein Mentoring-Projekt wie
das des JB führen kann. Es gab natürlich Zweifel bei den Journalistinnen, ob
sie das überhaupt mit ihrem Leben vereinbaren können. Viele sind ja jetzt schon
einer Doppelt- und Dreifachbelastung ausgesetzt und zweifelten, ob sie sich da
auch noch um eine Mentee kümmern könnten. Sie bekommen auch, anders als wir
anfangs, keinerlei finanzielle Unterstützung. Wir haben ein Best-Practice-Beispiel gegeben,
das zwar nicht eins zu eins auf die ägyptische Wirklichkeit übertragen werden
kann, aber wir konnten Denkanstöße geben.
Konntet ihr auch etwas von den ägyptischen Kolleginnen lernen?
KK: Was ich
dazugelernt habe ist, dass solche kleine Schritte riesige Veränderungen sein
können. Wir haben bei den DW-Workshops über 60 Frauen kennengelernt, und viele
von ihnen haben das, was wir in diesen kurzen Workshops angesprochen haben,
direkt umgesetzt. Es gab recht viele Kolleginnen, die nach diesem Workshop ihre
Situation in ihren Redaktionen verbessert haben. Eine Frau hat erreicht, dass
sie jetzt das Doppelte verdient. Eine andere, die noch bei ihren Eltern wohnte
und bisher nicht außerhalb übernachten durfte, hat durchgesetzt, auch mal woanders zu schlafen, wenn sie arbeitet.
KL: Das kann ich nur
unterstreichen. Was wir von ihnen lernen können, ist diese Aufbruchsstimmung
und die Begeisterung, mit der sie unser Programm angenommen haben. Mir ist klar
geworden, dass das Mentoring-Programm wirklich die Keimzelle für Veränderung
sein kann, und dass man sich nicht immer nur beklagen darf. Wenn man will, kann
man große Veränderungen erreichen.
KK: Was ich auch
spannend finde und was wir auch noch mehr im JB verankern sollten, ist die
Zusammenarbeit der verschiedenen Arbeitsgruppen, wie hier der Mentoring-AG und unserem Projekt Brave für Journalistinnen im arabischen Raum. Da gibt es noch sehr viel Potenzial.
Zum Weiterlesen: Bericht der DW-Akademie zu „Crossing Borders“ und "Mentoring AG trifft ägyptische Kolleginnen" auf der JB-Homepage
Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview! Ich ziehe den Hut vor den ägyptischen Kolleginnen, denn es erfordert viel mehr Mut in einem solchen gesellschaftlichen Umfeld das Unmögliche möglich zu machen als hier im Westen. Ich engagiere mich für den jb im Allgmeinen und für brave im Besonderen,um solche mutigen und zähen Journalistinnen in ihrem Kampf um Gleichberechtigung zu unterstützen.Umso schöner ist es dann zu erfahren: Die Unterstützung kommt an und wirkt! Danke !
AntwortenLöschenAls eine, die schon öfter beim Mentoring-Programm des JB mitgemacht hat, freut es mich sehr, wie gut dieser Austausch in Kairo gelaufen ist. Für solche eins zu eins-Begegnungen sollte viel mehr Geld bereit gestellt werden. Denn dabei kommt wirklich etwas heraus.
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