Sieben Tage, sieben Bücher. Empfehlungen der Salonistas zum Jahresende:
als Geschenk in letzter Minute oder für die Auszeit auf dem Sofa.
Wer um die 40 schon seine Memoiren schreibt, hat entweder viel erlebt - oder viel Selbstbewusstsein. Vielleicht auch beides, so wie Jina Khayyer. Die Iranerin wächst in Deutschland auf, will schon als junges Mädchen unabhängig sein. Gerne geht sie ins Internat, weil da alle "coolen Mädchen" sind. Mit 16 weiß sie, dass sie auf Frauen steht - womit zwar ihre Familie, sie selber aber "zu keiner Zeit" ein Problem hat. Jina Khayyer wird Journalistin, schreibt über Mode, Schauspielerinnen und ihre Heimat. Sie lebt und liebt in München, New York, Sao Paolo und Paris. Dann, "2008 habe ich mein Leben verloren. Von einer Sekunde auf die andere. Es fühlte sich so an, wie ich mir bis heute das endgültige Sterben vorstelle; einsam kalt und nass und dunkel."
Es ist einer dieser Sätze im Buch, den man sich markieren will, der klingt wie aus einem Popsong oder wie ein Romananfang. Es gibt darin viele solcher Verheißungen, Teaser, Cliffhanger. Ständig hat man das Gefühl, es fängt ein neues Kapitel an, denn die Autorin legt Fährten aus, springt in der Zeitlinie vor und zurück, reißt große Fragen an, schweift ab, um irgendwann zurückzukehren und alles ineinander zu fügen. Es liest sich so, wie sie es beschreibt: "Ich lebte in der Gegenwart, immer Vollgas, im Hier und Jetzt. Ohne Regeln und auch ohne Auflagen."
Jina Khayyer: "Älter als Jesus oder mein Leben als Frau: Memoir", Orwell Füssli Verlag, 2015, 18,95 €
Morgen erscheint der letzte Buchtipp in unserer #Auslese: Luise Loges rezensiert "Unsagbare Dinge" von Laurie Penny.
als Geschenk in letzter Minute oder für die Auszeit auf dem Sofa.
Was kommt jenseits der 33, wenn Tod und Auferstehung nicht auf dem Plan stehen? Ein Kind vielleicht? Foto: Angelika Knop |
Wer um die 40 schon seine Memoiren schreibt, hat entweder viel erlebt - oder viel Selbstbewusstsein. Vielleicht auch beides, so wie Jina Khayyer. Die Iranerin wächst in Deutschland auf, will schon als junges Mädchen unabhängig sein. Gerne geht sie ins Internat, weil da alle "coolen Mädchen" sind. Mit 16 weiß sie, dass sie auf Frauen steht - womit zwar ihre Familie, sie selber aber "zu keiner Zeit" ein Problem hat. Jina Khayyer wird Journalistin, schreibt über Mode, Schauspielerinnen und ihre Heimat. Sie lebt und liebt in München, New York, Sao Paolo und Paris. Dann, "2008 habe ich mein Leben verloren. Von einer Sekunde auf die andere. Es fühlte sich so an, wie ich mir bis heute das endgültige Sterben vorstelle; einsam kalt und nass und dunkel."
Es ist einer dieser Sätze im Buch, den man sich markieren will, der klingt wie aus einem Popsong oder wie ein Romananfang. Es gibt darin viele solcher Verheißungen, Teaser, Cliffhanger. Ständig hat man das Gefühl, es fängt ein neues Kapitel an, denn die Autorin legt Fährten aus, springt in der Zeitlinie vor und zurück, reißt große Fragen an, schweift ab, um irgendwann zurückzukehren und alles ineinander zu fügen. Es liest sich so, wie sie es beschreibt: "Ich lebte in der Gegenwart, immer Vollgas, im Hier und Jetzt. Ohne Regeln und auch ohne Auflagen."
Es geht um Liebe, Leid und Tod. Manchmal klingt es ein wenig klischeehaft, aber sie sagt selbst, es ist eben "wahr, so wie alle anderen Klischees auch". Jina Khayyer schwärmt von schönen Frauen und schnellen Autos, wie es sonst eigentlich nur Männer tun - und von ihrem Job: "Ich liebe die Mode und die Modenschauen. Ich mag die Brutalität und die Ehrlichkeit der Mode. Ich mag die Kurzlebigkeit, die ja Sinn und Sein so was von ad absurdum führt."
Damals, 2008, hat sie übrigens nicht das Leben verloren, sondern eben diesen Job, und erkennt: "ich bin abhängig, meine Existenz hängt von Geld ab." Und gerade, wenn mal als Leserin denkt: Willkommen in der Wirklichkeit! Da schreibt sie: "Damit stehst du nicht allein auf dieser Erde, du Wichtigtuerin!" Und dann nimmt sie einen mit in ein Leben ohne festen Wohnsitz, erzählt von ihrer Scham und Angst.
Beeindruckend sind die Interviews mit jungen Frauen in Teheran, witzig die Szenen, in denen sie mit dem Gynäkologen ihre künstliche Befruchtung diskutiert, konsequent ist ihr Lebensmotto: "Wenn ich mir eine Suppe koche, die mir nicht schmeckt, dann schütte ich sie weg und koche mir eine neue." Das Buch macht auf jeden Fall Appetit auf mehr. Man würde gerne wissen, wie es weiter geht mit dem Kinderwunsch und ihrer Kompromisslosigkeit.
Jina Khayyer: "Älter als Jesus oder mein Leben als Frau: Memoir", Orwell Füssli Verlag, 2015, 18,95 €
Der Buchtitel stammt übrigens von einer Geburtstagskarte, die Jina Khayyer bekam, als sie 33 Lebensjahre rum hatte. Lesen kann man ihre Texte auch in der ZEIT, in NEON, 032c, The Gentlewoman, Fantastic Man, Purple, Monopol oder The Germans - und auf ihrer Homepage. Hören und Sehen kann man sie im Interview mit dem BR.
Morgen erscheint der letzte Buchtipp in unserer #Auslese: Luise Loges rezensiert "Unsagbare Dinge" von Laurie Penny.
7 Tage, 7 Bücher:
#1: Christine Olderdissen über „Hack’s selbst – Digitales Do it yourself für Mädchen“
#2: Tina Stadlmayer über "Spuren - Eine Reise durch Australien"
#3: Luise Loges über "Berge, Bön und Buttertee - Reise ins Tibet der Frauen"
#4: Magdalena Köster über "Und das ist erst der Anfang - Deutschland und die Flüchtlinge"
#5: Christine Olderdissen über "Warum hasst ihr uns so? Für die sexuelle Revolution der Frauen in der islamischen Welt"
Anregungen, Meinungen, Kritik
Da dieses Blog nicht mehr aktualisiert wird, ist die Kommentarfunktion geschlossen. Herzlichen Dank an alle, die uns ihre Anmerkungen und ihre Meinung mitgeteilt haben.
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.