als Geschenk in letzter Minute oder für die Auszeit auf dem Sofa.
Pünktlich zum vierten Advent unser letzter Buchtipp Foto: Luise Loges |
Ein Geständnis vorab: Ich bin ein bisschen in Laurie Penny verliebt. Ich habe sie zwar nie getroffen, aber auf dem Gebiet, das einen Menschen für mich attraktiv macht, hat sie mein Herz gewonnen: mit ihrer Art, zu schreiben. Kaum eine in der weiten Welt des Netzfeminismus formuliert so leidenschaftlich, so polemisch und dabei so intelligent und auf den Punkt wie die 29-jährige Britin. Dementsprechend ist auch ihr aktuelles, hochgelobtes Werk "Unspeakable things", das sie dieses Jahr auch auf dem Berliner Literaturfestival vorgestellt hat, ein wahres Lesevergnügen.
Aber vom reinen Schreibstil mal abgesehen, geht es in dem Buch um Großes - nämlich um nichts weniger als die Revolution. Die der Frauen, der Armen, der "Queers, Freaks und Sünder", also all derer, die in der westlichen Gesellschaft an den Rand gedrängt werden.
Die Revolution, die Penny fordert, ist eine ganz konkrete: der Aufstand der Unterprivilegierten gegen das kapitalistische Patriarchat. Dabei verliert sie sich allerdings nicht in der Klassenkampfrhetorik des frühen letzten Jahrhunderts, sondern analysiert die Situation mit dem Blick einer jungen Frau von heute - und das Fazit ist eindeutig: "Ich glaube, die Revolution wird feministisch sein." Dabei geht es ihr mehr darum, sich aus geschlechtsspezifischen Unterdrückungsstrukturen zu befreien als darum, die Machtverhältnisse von Männern und Frauen global gegeneinander aufzurechnen.
Die Autorin wehrt sich gegen die neoliberale Vorstellung, die Gleichberechtigung der Frau sei erreicht, wenn es "mehr Frauen in den Vorständen" gibt, und entlarvt das Ideal der "modernen Karrierefrau" als Mittel der Unterdrückung. Sie fordert mehr als die Gleichberechtigung der weißen, westlichen Mittelschichtsfrau, sie fordert die Gleichberechtigung aller Unterdrückten. Sie fordert die Befreiung von starren Geschlechterrollen, nicht nur für Frauen und gender-nonkonforme Menschen, sondern auch für die vielen jungen heterosexuellen weißen Männer, die in einer modernen Welt nicht mehr in das antiquierte Rollenbild passen, das für sie vorgesehen ist. Feminismus ist für sie dabei nur ein Werkzeug, um dieses Ziel zu erreichen. Oder wie sie es ausdrückt:
"Ich bezeichne mich als Feministin, um Leute ins Bett zu kriegen und mir in der Bar die Widerlinge vom Hals zu halten, aber Feminismus ist keine Identität. Feminismus ist ein Prozess."
In gewisser Weise ist dieses Buch eine Fortführung von Pennys Streitschrift "Fleischmarkt", in der sie die Kommerzialisierung des weiblichen Körpers und der weiblichen Identität anprangert. Auch in dem neuen Buch geht es wieder um die fatale Verschmelzung von Patriarchat und Kapitalismus in der westlichen Welt.
"Unsagbare Dinge" ist ein ambitioniertes, kluges und leidenschaftliches Buch, das Lust macht, die Welt zu verbessern. Die Autorin bietet keine Universallösung, aber immerhin den Willen und den Mut, die Probleme anzugehen. Schade ist, dass die deutsche Übersetzung streckenweise etwas holprig ist. Anglophilen Leserinnen (oder Lesern!) sei daher das Original ans Herz gelegt.
Laurie Penny: Unsagbare Dinge - Sex, Lügen und Revolution, Edition Nautilus, 16,90 Euro
Englische Originalversion: Unspeakable Things, Bloomsbury, 15,72 Euro
Das war der letzte Buchtipp unserer Auslese. Wir hoffen, es war etwas für Sie dabei!
7 Tage, 7 Bücher:
#1: Christine Olderdissen über „Hack’s selbst – Digitales Do it yourself für Mädchen“#2: Tina Stadlmayer über "Spuren - Eine Reise durch Australien"
#3: Luise Loges über "Berge, Bön und Buttertee - Reise ins Tibet der Frauen"
#4: Magdalena Köster über "Und das ist erst der Anfang - Deutschland und die Flüchtlinge"
#5: Christine Olderdissen über "Warum hasst ihr uns so? Für die sexuelle Revolution der Frauen in der islamischen Welt"
#6: Angelika Knop über: "Älter als Jesus oder mein Leben als Frau: Memoir"
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