von Magdalena Köster
Der Journalistinnenbund feiert sein 30jähriges Jubiläum, vom 30. Juni bis 2. Juli 2017 am Gründungsort Frankfurt. Bis dahin stellt der Watch-Salon mit der Interviewserie "Fünf Fragen" in lockerer Folge ganz unterschiedliche Kolleginnen des jb vor, um die Vielfalt unseres Bündnisses und der jeweiligen journalistischen Arbeit zu zeigen.
Gründerin des jb und elegantes Vorbild, Gisela Brackert / Foto: Nicole Kohlhepp |
Ein super Buchtitel. "Gott ist eine Frau und sie wird älter". Auch Gisela Brackerts andere Bücher zeigen ihren dezidiert eigenen Blick auf theologische Fragen, sind aber auch ein Hinweis auf ihr großes ehrenamtliches Engagement im Ruhestand. Sie war Mitglied des hessischen Kirchenparlaments, Medienvertreterin in der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen, Vorstandsmitglied der Evangelischen Akademie Arnoldshain, arbeitete aber auch noch lange für eine kirchliche Sendereihe im HR. Irgendwann war es damit gut, immerhin feierte unsere Gründerin und erste Vorsitzende im Frühjahr ihren 80. Geburtstag, "irgendwo im Süden". Mich freut immer noch, dass mich Gisela bei der Jahrestagung 1991 in Frankfurt aufforderte, als Beisitzerin für den Vorstand zu kandidieren, der Anfang einer langen Bindung an den jb.
Wie lief denn so eine Journalistinnenwerdung in den fünfziger und sechziger Jahren?
Nach dem Krieg war Radio das Instrument der Stunde und ich merkte, da hatten Menschen was Wichtiges zu sagen. Schon ganz früh war klar, ich wollte Journalistin werden. Wie viele aus unserer Branche habe auch ich erst mal eine Schülerzeitschrift gegründet, später dann in Berlin und Heidelberg Germanistik und Kunstgeschichte studiert. Wir waren vier Kinder zu Haus und mein monatlicher Wechsel so bescheiden, dass ich unbedingt dazu verdienen musste. So baute ich mir nach und nach einen Bauchladen von Zeitungen auf und schrieb vor allem für das Heidelberger Tageblatt über kulturelle Themen. Mein Schwerpunkt: Bildende Kunst, insbesondere moderne Kunst. Zwanzig Mark gab es damals pro Beitrag und der konnte auch mal über eine ganze Seite gehen. Was dabei auf der Strecke blieb war die Arbeit an der angefangenen Dissertation. Ich habe sie dann eines Tages zugunsten von Ehe und Kind in die Ecke gepackt.
1967 führte uns der berufliche Weg meines Mannes nach Frankfurt, wo ich über einen Beitrag, den ich selbst angeboten hatte, einen Fuß in die Kulturredaktion des Hessischen Rundfunks bekam. Als Autorin und Moderatorin habe ich für diese Redaktion dann lange Jahre als Freie gearbeitet. Damals mit Kind durchaus noch ein Problem, aber das ist eine andere Geschichte.
Ab 1973 verdiente ich meine Brötchen dann als Festangestellte. Zunächst beim Rat für Formgebung in Darmstadt, einem Design Promotion Institut der Deutschen Wirtschaft, dann beim Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik in Frankfurt, wo ich Tagungen für die Kirchenpresse organisierte und kirchliche Institutionen in Öffentlichkeitsarbeit schulte. 1980 rief mich der Kultur-Redakteur des HR an, ob er meinen Namen in die Diskussion geben sollte, der HR suche eine neue Leiterin des Frauenfunks. Er wusste, dass ich mich mit der neuen Frauenbewegung identifizierte. So begann ich dort 1981 als festangestellte Redakteurin. Das war ein Glücksfall. Ich war ja schon 43 Jahre alt und bei Frauen in dieser Alterklasse hat der HR damals ungern noch eine Festanstellung begründet. Da haben die langen Jahre der freien Mitarbeit dann doch Zinsen getragen.
Und irgendwann war der Ärger über die männerdominierte Presse und Gesellschaft groß genug, um den Journalistinnenbund ins Leben zu rufen?
Das hatte eine Geschichte. 1985 konnte ich mit einem Stipendium des German Marshall Fund bei verschiedenen journalistischen Einrichtungen in den USA hospitieren, unter anderem bei der heute nicht mehr existierenden Zeitschrift "Working Woman Magazine“ in New York. Dort erzählte mir eine der Edelfedern, sie freue sich jetzt auf das jährliche Treffen ihres Journalistinnen-Netzwerks. Auf mein erstauntes Fragen, um was es denn dort ginge, meinte sie nur, “Unser Thema sind wir selbst.“ Die Selbstverständlichkeit, mit der sie das vorbrachte, beeindruckte mich.
Aber noch viel entscheidender war die gesellschaftliche Situation bei uns in den 80er Jahren.
Dieser offene Sexismus. Diese Herablassung in den Medien, wenn es um Frauen ging. Da wurde etwa der ZDF-Sendung "Journalisten fragen - Politiker antworten" die mangelnde Frauenbeteiligung vorgeworfen. Woraufhin der Moderator ganz jovial 100 Frauen dazu einlud, den Bundespräsidenten zu befragen. Alle in einer Veranstaltung. Oder die Worte des damaligen Pressesprechers von Bundeskanzler Kohl, als Dr. Rita Süßmuth zur Ministerin für Jugend und Familie ernannt wurde (die Abteilung "Frauen" kam erst später dazu). Der stellte die gestandene Professorin so vor: "Wir haben ein neues Kabinettsmitglied, es ist sehr hübsch".
Ein ständiges Ärgernis war mir auch, dass Frauen vor allem in jenen Bereichen eine Chance hatten, die für die männlichen Kollegen uninteressant waren. Auch beim HR fanden sich Redakteurinnen vor allem beim Kinder- und Schulfunk, beim Frauen-und Familienprogramm. Ein Aufstieg in die Führungsebenen war ohnehin nicht vorgesehen. Es kann aber nicht angehen, dass in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen die Spiegelung und Diskussion dieses Gemeinwesens ganz wesentlich in den Händen von Männern liegt. Das beschädigt die Demokratie.
21. Jahrestagung des Journalistinnenbundes 2008 im Porzellanikon, Selb / Foto: jb |
Es gab damals in Bonn diese hochgeschätzten, jährlichen Hintergrundgespräche für die Frauenpresse, veranstaltet vom Bundespresseamt. Da brachte ich die Idee eines eigenen Netzwerks zum ersten Mal ins Gespräch. Über ein zustimmendes Nicken ging die Resonanz an diesem Abend nicht hinaus. Aber die Kollegin und spätere Mitgründerin Sibylle Plogstedt - wenn die mal einen Gedanken gut findet, bleibt sie hartnäckig dabei - bohrte prompt ein Jahr später nach. Wie es denn nun stünde mit der Gründung eines Journalistinnenbundes? Ich solle mal in die Puschen kommen.
Das wirkte. Ich nahm meine eigene Adresskartei, sammelte weitere Namen und schrieb dann 60 Kolleginnen mit dem Tenor an: findet ihr nicht, dass wir uns nach den Ärztinnen, den Juristinnen, den Ingenieurinnen endlich auch als Journalistinnen zusammenschließen sollten? Und wer wäre bereit, zur Gründungsversammlung zu kommen? Die Resonanz war überwältigend. Dreißig Kolleginnen waren am 31. Oktober 1987 in Frankfurt dabei und ein halbes Jahr später stellten wir uns mit einer hochkarätig besetzten ersten Jahrestagung der Medienwelt als Journalistinnenbund e.V. vor. Mit fast 50 Ehrengästen und rund 200 Kolleginnen wurde und blieb das unsere bisher größte Jahrestagung. Das Ganze war allerdings mit einem solchen Maß an Arbeit und Selbstausbeutung erkauft, dass ich es nicht noch einmal erleben möchte.
Du hattest mal in Deinem Arbeitsleben mit einem ganz schön teuren Prozess zu kämpfen, etwas, wovor wir uns alle fürchten. Was war denn da los?
Auf den zweiten Römerberg-Gesprächen 1974 hatte ein Braunschweiger Kunst-Professor, der selbst einen realistisch-anekdotischen Stil pflegte, vier Stunden lang gegen die moderne Kunst vom Leder gezogen. Er sah darin eine weltweite Verschwörung, deren Handlanger die Kunstkritiker seien, die nicht mehr schreiben dürften, was sie meinten, sondern was sie müssten. In den drei Minuten, die mir für die Würdigung der Veranstaltung bei HR und DLF zur Verfügung standen, hatte ich ihn daraufhin als „Provinzdemagogen“ bezeichnet, der versucht habe, im Saal eine „Pogromstimmung gegen die moderne Kunst“ zu erzeugen. Andere hatten ähnlich geurteilt. Doch er verklagte bewusst zwei Freie Mitarbeiter, mich und einen Kollegen vom NDR, wegen Rufschädigung und forderte ein Schmerzensgeld in erheblicher Höhe. Und gewann in erster und zweiter Instanz. Wir mussten zahlen. Der HR, der meine Kritik durch einen Redakteur ja abgenommen hatte, übernahm die 3500 Mark für mich und wollte es damit gut sein lassen. Ich aber fand, dieses Urteil kann nicht letztinstanzlich stehen bleiben. Ein mir bekannter Frankfurter Anwalt sah das ähnlich und überzeugte den Intendanten, in Revision zu gehen. Das hieß, Klage einreichen beim Bundesverfassungsgericht.
Es dauerte dann sieben Jahre, bis 1980 das Urteil kam, weil Karlsruhe mehrere ähnliche Journalistenklagen zusammengefasst hatte. Wir bekamen Recht. Tenor des Urteils: Wir hätten als Journalisten nichts anderes getan, als in einem öffentlichen Meinungskampf öffentlich Position bezogen. Wenn kritische Meinungen einem so hohen finanziellen Risiko unterworfen würden, könne das die Bereitschaft mindern, in Zukunft Kritik zu üben. Der Kläger habe sich der offenen Diskussion zudem „aus eigenem Entschluss unterworfen und damit einen Teil seiner schützenswerten Privatsphäre aufgegeben.“ Er musste das Schmerzensgeld zurückzahlen und wir hatten einen Sieg für die Presse-und Meinungsfreiheit errungen.
Gisela BrackertLeiterin des HR-Frauenfunks a.D. Branche: Print und Hörfunk Beruf: Journalistin, Autorin, Moderatorin Standort: Frankfurt jb-Engagement: Gründerin, Erste und Ehrenvorsitzende des jb |
Ich würde ja gern politische Kommentare von Dir auf Twitter lesen. Haben denn die Neuen Medien eine Chance bei Dir?
Ich nutze durchaus das Internet. Aber die sozialen Netzwerke sind kein Thema mehr für mich. Mein I-Phone benutze ich nur zum Telefonieren und um über WhatsApp mit den Enkeln zu kommunizieren. Und es graust mich, wenn ich all die Menschen auf ihre Handys starren sehe. Da droht ein großer Verlust der primären Wahrnehmung. Ich schaue auch nur noch wenig Fernsehen, ich höre Radio, lese die Zeitung und Bücher. Gerade vertiefe ich mich mit Begeisterung in eines, das schon ein wenig aus der Zeit gefallen ist. Es ist die "Strudlhofstiege" des österreichischen Autors Heimito von Doderer, erschienen 1951. Das ist alles andere als eine gradlinige erzählte Geschichte. Das ist ein unaufhörliches Gespräch, ein Auf und Ab von Meinungen, Haltungen und Erfahrungen, im Zeitraum etwa von 1900 bis 1945. Der Widerschein einer untergegangenen Welt. Doderer wird von Kennern gern mit Proust verglichen. Ich fühle mich eher an den „Zauberberg“ von Thomas Mann erinnert. Dieser Doderer hat eine Sprache, solch einen Reichtum an Bildern und ungewöhnlichen Verknüpfungen, das ist atemberaubend!
Jetzt aber noch zum F-Wort. Wie siehst du den Feminismus heute?
Was heißt denn Feminismus heute? Etwa Trumpismus auf weiblich? „Women first“? Das kann's nicht sein. Der Feminismus hat viele Gesichter. Das liebste ist mir das der Juristin und SPD- Politikerin Elisabeth Selbert. Sie war eine der vier Frauen, die an der Ausarbeitung des Grundgesetzes mitwirkten, und ihr verdanken wir den folgenreichen Artikel 3, Absatz 2. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Sich auf das Grundgesetz zu berufen, wenn es um Feminismus geht, mag altmodisch wirken. Doch es ist der juristische Boden, auf dem wir stehen, und wenn der ins Wanken gerät, dann Gute Nacht. Der Klimawandel im politischen Alltag, das Abschmelzen demokratischer zugunsten populistischer Positionen, das hemmungslose Gender-Bashing in den sozialen Netzwerken, all das beunruhigt mich aufs Höchste. Jb sei wachsam! Feministinnen seid wachsam! Es kommen härtere Tage.
Danke, dass Du den jb zusammen mit anderen ins Leben gerufen hast!
***
In dieser Serie erschien bereits:
Die Feministin mit dem langen Atem - Fünf Fragen an Heide Oestreich
Die Jury-erfahrene Kritikerin - Fünf Fragen an Diemut Roether
Die präzise TV-Journalistin - Fünf Fragen an Inge von Bönninghausen
Die Vielseitige aus dem Osten - Fünf Fragen an Gislinde Schwarz
Die feministische Filmlöwin - Fünf Fragen an Sophie Rieger
Die interkulturell Kompetente - Fünf Fragen an Kerstin Kilanowski
Die historisch bewanderte Autorin - Fünf Fragen an Maren Gottschalk
Die medienkritische Beobachterin - Fünf Fragen an Sissi Pitzer
Die multimediale Preisträgerin - Fünf Fragen an Katharina Thoms
The flying Journalist - Fünf Fragen an Christa Roth
Die vielgereiste Dozentin - Fünf Fragen an Cornelia Gerlach
Die flexible Vermittlerin - Fünf Fragen an Jasmin Lakatos
Die vielseitige Freie - Tina Srowig
Die forschende Blattmacherin - Fünf Fragen an Barbara Nazarewska
Die schreibende Psychologin - Fünf Fragen an Nele Langosch
Die Neue im Team - Fünf Fragen an Eva Hehemann
Die Gründerinnen des Medienlabors - Fünf Fragen an Helga Kirchner und Sibylle Plogstedt
Weitere interessante Kolleginnen im Journalistinnenbund finden sich in der Expertinnendatenbank.
Danke, Gisela, dass Du vor 30 Jahren den jb gegründet und mir damit seit 25 Jahren eine Heimat gibst. Ich freue mich auf unsere Jubiläumstagung vom 30. Juni bis 2. Juli 2017. Und auf Dich!
AntwortenLöschenÜbrigens finde ich neben deinem Satz mit dem Grundgesetz!!! auch deinen "Lesetipp" Heimito von Doderer so klasse, dass ich mir gleich das Buch bestellen werde. Danke auch an die Kolleginnen vom Watch-Salon, die diese Interviewreihe entwickelt haben. Ein echtes Lesevergnügen.