von Christine Olderdissen
Der Journalistinnenbund feiert sein 30jähriges Jubiläum, vom 30. Juni bis 2. Juli 2017 am Gründungsort Frankfurt. Bis dahin stellt der Watch-Salon mit der Interviewserie "Fünf Fragen" in lockerer Folge ganz unterschiedliche Kolleginnen des jb vor, um die Vielfalt unseres Bündnisses und der jeweiligen journalistischen Arbeit zu zeigen.
"Die Aufwertung des Wortes Feminismus ist quasi ein Wunder", meint Heide Oestreich. / Foto: Carsten Kampf |
Die Frauensendung „Zeitpunkte“ ist seit mehr als 25 Jahre eine Berliner Institution im rbb-Radio. Heiß geliebt und heiß umkämpft, immer wieder mal sollte das frauenpolitische Magazin aus dem Programm gestrichen werden. Als seine langjährige, leitende Redakteurin Magdalena Kemper* 2012 in den Ruhestand ging, bedankte sich die damalige rbb-Intendantin Dagmar Reim mit warmen Worten für Kempers sture Beharrlichkeit, den Platz für Frauenthemen im Radio stets und ständig aufs Neue zu verteidigen. Alle Anwesenden hielten für einen Moment den Atem an, denn letztlich hatte die Intendantin die tägliche Sendung von ihrem angestammten Sendeplatz vertrieben.**
Bei der stimmungsvollen Abschiedsfeier traf ich Heide Oestreich, deren Artikel ich vor allem aus der taz kannte. Eine Autorin, die scheinbar ohne zu ermüden, kluge Texte über feministische Themen schreibt. Was sie damals noch nicht ahnte und womit sie mich bei der jb-Weihnachtsfeier 2015 überraschte – Heide Oestreich ist in die Fußstapfen von Magdalena Kemper gestiegen, mit einer halben Stelle als Redakteurin für die Zeitpunkte. Zur anderen Hälfte schreibt sie weiter für die taz. Ihr thematischer Schwerpunkt ist und bleibt der Feminismus.
Als Printfrau von jetzt auf gleich Radio machen – wie ist dir der Wechsel gelungen?
Ich liebte ja das Radio so und dachte, ich weiß doch wie es geht, hatte Praktika gemacht und eine trimediale Ausbildung bei der Evangelischen Journalistenschule hier in Berlin. Danach kam 1999 das Angebot für eine feste Stelle bei der taz und das fand ich reizvoller, als als Freie fürs Radio anzufangen. Nach 18 Jahren wollte ich mich verändern, aber nicht mein Themengebiet. Aber Du musst dich mal umgucken, was es für Möglichkeiten es gibt, in einer Frauenredaktion zu arbeiten, oder da, wo es um Geschlechterpolitik geht. Da gibt es sehr, sehr wenig, eigentlich kamen nur die Zeitpunkte in Frage - und die hatten natürlich nichts frei. Ich hatte dort bereits moderiert und plötzlich ergab sich die Möglichkeit für eine halbe Stelle. Nun mache ich beides und das ergänzt sich sehr schön.
Es ist ein ganz anderes Arbeiten. In der taz habe ich geschrieben, geschrieben und geschrieben, im Radio bin ich Redakteurin und vergebe Themen und arbeite mit den Autorinnen und Autoren an den Stücken. Was das heißt, habe ich unterschätzt. Es haben ja nicht alle Freien automatisch die feministischen Debatten drauf. Beim Radio kann man auch nicht so komplex sein wie im Print. Ich unterschätze auch immer noch die Kraft der O-Töne. Aber wenn dann alles fertig ist, klingt es gut und dieses Spiel mit Atmos und Musik, das fand ich ja immer schon sehr, sehr schön. Dass ich keine Zeit für eigene Beiträge habe, das wurmt mich aber doch manchmal.
Der Feminismus wurde schon für tot erklärt. Du aber hast langen Atem bewiesen und weiter darüber geschrieben. Was sagst du dazu, dass der Feminismus in den Mainstream-Medien, wie beispielsweise Spiegel und Zeit, eine neue Blüte erlebt?
Großartig, absolut großartig. Ich war lange Zeit allein auf weiter Flur in den Tageszeitungen. Dieses Gefühl, dass Frauenthemen und Gleichstellung keinen mehr interessieren, hat bei mir aber auch zu einem kritischen Blick auf feministische Themen geführt: ich habe immer gleich dazu erklärt: warum braucht man das, wofür ist es nützlich?
Als ich bei der taz angefangen habe, hatte ich zwar ein Faible für Feminismus, aber ich wollte vor allem Journalistin sein. Dann habe ich mich eingefuchst, war aber auch in der taz lange alleine damit. Plötzlich kam das Buch „Wir Alphamädchen“. Drei junge Frauen, die den Feminismus neu erfinden wollten und den Gedanken verfolgten, dass der Feminismus das Leben schöner macht, ohne jede Bitterkeit. Genau der richtige Ansatz. Obwohl auch die älteren Feministinnen alles andere als bitter sind, aber es gibt ja dieses Riesen-Vorurteil. Und mit der jungen, frischen Sprache erreichten sie auch die jüngeren Leute.
Ich finde sogar gut, wenn Beyoncé das Wort "Feminist" auf ihre Bühne stellt, und sei es aus Marketing-Gründen. Auch wenn sich Ivanka Trump Feministin nennt, gefällt mir das, obwohl sie für mich eher keine ist. Einfach, weil dann darüber gesprochen wird. Diese Aufwertung des Wortes Feminismus ist doch quasi ein Wunder.
Wir sprechen heute davon, dass es viele Feminismen gibt. Die Beteiligten bekämpfen sich zum Teil auf recht boshafte Art und Weise, ein Zerfleischen zur Unzeit, wie ich finde. Wie bildest du die verschiedenen Orte der Geschlechterfrage in deiner Arbeit ab?
Ach, das ist nichts Neues. Die verschiedenen Strömungen haben sich immer schon vehement bekämpft. Dabei sind das eben verschiedene Ansätze. Die taz jedenfalls ist ziemlich durchlässig und hat sich aufgemacht, zum Beispiel die Rassismuskritik an weißen Feministinnen zu bringen. Auch Queerfeminismus kommt bei uns vor, anders als in anderen Medien.
Was ich als Hauptkonfliktlinie sehe, ist der Alice-Schwarzer-Feminismus und der Missy-Feminismus. Bei den Themen Prostitution und Sexarbeit, aber auch bei der Kopftuchfrage geraten sie aneinander. Wir versuchen, sie in unseren Debatten oder auch im Zeitpunkte-Presseclub zusammen zu bringen, bisher mit wenig Erfolg. Ich habe da zwar auch eine eindeutige Haltung, fühle mich in der Rolle als Moderatorin dazwischen aber auch ganz wohl. Wir haben einen Riesenkonflikt in der feministischen Community und beide haben feministische Argumente, wer hat denn nun recht? Ich finde das alles sehr interessant und hoffe, ich kann die Diskussion fruchtbar machen.
Heide OestreichRedakteurin für taz und rbb-Zeitpunkte Branche: Tageszeitung und Hörfunk Beruf: Journalistin Standort: Berlin jb-Engagement: aktiv in der Regionalgruppe Berlin |
Der Journalistinnenbund feiert sein 30-jähriges Bestehen. Das sind auch 30 Jahre feministischer Journalismus. Welche Herausforderungen stellen sich uns in der Zukunft?
Wir müssen raus aus der Nische. Inzwischen gibt es mehr Autorinnen, die zu Feminismus schreiben, das ja. Aber wie viele Feministinnen sitzen denn in den Redaktionen und haben etwas zu sagen?
ProQuote ist eine sehr gute Initiative. Schön, wenn es mehr Chefinnen gibt, und die sich mehr Feminismus trauen als bisher. Aber ich habe auch gesehen, wie man mit dem schönsten Anspruch vor die Wand laufen kann, weil der ganze Unterbau männlich dominiert ist. Auch feministische Chefinnen können nicht einfach reingrätschen und den Planungsverantwortlichen Themen aufdrücken. Frauenthemen gelten immer noch verdammt schnell als "oll" - sehr viel schneller als andere Themen - und in der Konkurrenz der Texte, die ins Blatt drängen, sind sie damit schon quasi tot. Viele Autorinnen und Redakteurinnen stoßen auf diese Mauer, in allen Medien. Deshalb ist es auch eine Wohltat, die "Zeitpunkte" zu haben, die diese Themen eben gerade suchen.
Der jb müsste eigentlich dein Verband sein, aber du bist Späteinsteigerin. Wie kommt das?
Ich war früher nicht der Netzwerk-Typ und habe auch Frauennetzwerken misstraut, mit der Befürchtung, dass da viel gejammert wird. Mein Bild vom jb hat sich seitdem ganz schön gewandelt, wie man sieht.
Schön, dich im jb dabei zu haben, Heide!
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*) Der Journalistinnenbund hat 2012 Magdalena Kemper mit der Hedwig-Dohm-Urkunde für ihre herausragende journalistische (Lebens-)Leistung und ihr frauenpolitisches Engagement ausgezeichnet.
**) Sendeplätze der „Zeitpunkte“ in rbb-Kulturradio:
Dienstags 19:04 Kulturtermin (25 Minuten Hintergrund)
Samstags 17:04: Debatte, Dossier, Reportage im Wechsel (55 Minuten)
Sonntags 17:04 Zeitpunkte-Magazin (55 Minuten)
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In dieser Serie erschien bereits:
Die Jury-erfahrene Kritikerin - Fünf Fragen an Diemut Roether
Die präzise TV-Journalistin - Fünf Fragen an Inge von Bönninghausen
Die Vielseitige aus dem Osten - Fünf Fragen an Gislinde Schwarz
Die feministische Filmlöwin - Fünf Fragen an Sophie Rieger
Die interkulturell Kompetente - Fünf Fragen an Kerstin Kilanowski
Die historisch bewanderte Autorin - Fünf Fragen an Maren Gottschalk
Die medienkritische Beobachterin - Fünf Fragen an Sissi Pitzer
Die multimediale Preisträgerin - Fünf Fragen an Katharina Thoms
The flying Journalist - Fünf Fragen an Christa Roth
Die vielgereiste Dozentin - Fünf Fragen an Cornelia Gerlach
Die flexible Vermittlerin - Fünf Fragen an Jasmin Lakatos
Die forschende Blattmacherin - Fünf Fragen an Barbara Nazarewska
Die schreibende Psychologin - Fünf Fragen an Nele Langosch
Die Neue im Team - Fünf Fragen an Eva Hehemann
Die Gründerinnen des Medienlabors - Fünf Fragen an Helga Kirchner und Sibylle Plogstedt
Weitere interessante Kolleginnen im Journalistinnenbund finden sich in der Expertinnendatenbank.
Großartig, eine so glasklare Feministin wie Heide Oestreich im jb dabei zu haben. Und toll, ihre Handschrift sowohl print- wie hörfunkmäßig mitzubekommen. Wobei, der rbb in München...
AntwortenLöschenBin ebenfalls begeistert und ein große Dankeschön an die watch-salon Journalistinnen für die Interviews. Das alles während ich die Habichte in Berlin im Fokus habe und gerade von einem Beringungstermin bei den Trumfalken komme, wo übrigens die Weibbchen (so sagt es die Biologin) und die Männchen (dito) die Jungen füttern ...
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