Sonntag, 3. Februar 2019

Mensch Mutta - Herstory zum Hören

von Gastautorin Ulrike Helwerth 

Podcasterin Katharina Thoms an der Hand ihrer Mutter im DDR-Alltag / Zeichnung: Melanie Gywer
Stimmen sind wie Fingerabdrücke. Unverwechselbar. Manche sind auch unvergesslich: Die der Macherin von Mensch Mutta hatte ich das letzte Mal vor zwanzig Jahren gehört. Die SchülerInnen eines Gymnasiums in brandenburgischen Oranienburg hatten damals im Deutschunterricht das Thema „Erinnerung als Erzählmotiv“ behandelt und waren zuguterletzt von ihrer Lehrerin losgeschickt worden, die Erinnerungen ihrer Eltern oder Großeltern an das Leben in der DDR einzufangen. Drei Schülerinnen kamen zurück mit einem gemeinsamen, fast sendereifen Hörstück.



Die Lehrerin, meine heutige Frau, spielte es mir vor. Ich war so angetan von den O-Tönen, dass ich sie mit Erlaubnis der Urheberinnen in einem Feature für den Sender Freies Berlin (SFB) - ein Vorläufer des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) - weiterverarbeitete. Dabei blieben mir vor allem die kleinen „klassenfeindlichen“ Geschichten von Katharina Thoms’ Mutter unvergesslich. Weil sie so unverwechselbar vorgetragen und stellenweise auch so komisch waren.

Für die junge Interviewerin hingegen wurde das Aha-Erlebnis mit dem Medium Radio zur Leidenschaft und später zum Beruf. Katharina Thoms ist heute Journalistin für Rundfunk und Fernsehen und arbeitet in der Redaktion Landespolitik des SWR. Den Erinnerungsfaden ihrer Mutter hat sie vor einigen Jahren wieder aufgegriffen und weitergesponnen. Aus Gesprächen während regelmäßiger Besuche daheim sind viele Stunden O-Töne entstanden. Sie wurden für den siebenteiligen Podcast MenschMutta sorgfältig geschnitten und zusammengebaut. Begleitet von Kommentaren der Tochter - mal erstaunt, mal belustigt, mal ein bisschen fassungslos, aber immer empathisch und mit deutlicher Zuneigung – entfaltet sich „ein halbes Leben in der DDR“. 

Das Leben einer hart arbeitenden, alleinerziehenden Mutter aus bescheidenen Verhältnissen, eines Mädchens vom Lande, mit ausgeprägtem Dialekt, so wie er rund um Berlin gesprochen wird, und einem offenbar unverwüstlichen Naturell. Egal, ob es um den eigenen unbekannten Vater geht, um das Verbot ihren Traumberuf Erzieherin lernen zu dürfen, um die gescheiterten Beziehungen zu den Vätern ihrer beiden Kinder und die Totgeburt eines dritten Kindes, um Familiengeheimnisse, Wohnungssuche, die erste Westreise oder das Ende der DDR. Mensch Mutta nimmt eine mit in dieses Leben und hält eine Folge für Folge bei der Stange. Ein feines Stück Herstory.

Gastautorin Ulrike Helwerth


Ulrike Helwerth ist Referentin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Frauenrat. Bis 2001 arbeitete sie als freie Journalistin u.a. für den Hörfunk. Von 1999 bis 2005 war sie Vorsitzende des Journalistinnenbundes.

Ebenfalls im Watch-Salon: Ein Interview mit Katharina Thoms.

Anregungen, Meinungen, Kritik

Da dieses Blog nicht mehr aktualisiert wird, ist die Kommentarfunktion geschlossen. Herzlichen Dank an alle, die uns ihre Anmerkungen und ihre Meinung mitgeteilt haben.

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.