Freitag, 28. Oktober 2011

Mutterwahn und Freiheit


Barbara Vinken, Barbara Streidl und Antje Schrupp (v.l.n.r.)
Foto: Ingrid Arnold


Vom „Latte-Macchiato-Mütter“-Bashing bis zum persiflierenden „Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter!“: Die Mütter in Deutschland werden gerade wieder streng beobachtet. Bei den Frauenstudien München (Forum zur Veranstaltung) diskutierten die Literatur-Professorin Barbara Vinken und die Publizistin und Bloggerin Antje Schrupp darüber. Warum scheinen Frauen in ihren Lebensentwürfen alle Freiheiten zu verlieren, sobald sie Mütter sind?
„Suboptimal gelaufen“

Barbara Vinken („Die deutsche Mutter – Der lange Schatten eines Mythos“) ging an die historischen Wurzeln des in Deutschland bis heute dominierenden Mutterbildes: Die Reformation legte das Wohl der Kinder und damit der Gesellschaft in die Hände der Familie – während etwa in Frankreich die Republik der Kirche diese Aufgabe abgenommen und eine Tradition staatlicher Kinderbetreuung aufgebaut hat. Auf diesen „Reformations-Rucksack“, wie ihn die Moderatorin, „Mädchenmannschaft“-Mitgründerin und „Alpha-Mädchen“-Co-Autorin Barbara Streidl, fortan nannte, kommen in Deutschland dann noch der Bruch durch die Mutter-Ideologie des Nationalsozialismus und die konträren Erfahrungen mit dem Kinderkrippen-System in der DDR obendrauf. Das Ganze sei hierzulande also wirklich „suboptimal gelaufen“, so Vinken.

Auch die politischen Rahmenbedingungen – etwa das Ehegatten-Splitting und ein dazu nicht recht passendes neues Unterhaltsrecht – reflektierten nur, dass sich die deutsche Gesellschaft langfristig und tief verwurzelt auf die Versorgerehe als Norm verständigt habe, allen Entwicklungen zum Trotz. Was hätten die Veränderungen bislang auch bewirkt: „Keine Karriere und keine Kinder!“

Chancen trotz Bürden

Antje Schrupp appellierte daran, auf die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte aufzubauen: Gleichberechtigung ist in vielen Bereichen möglich – und auch eine Arbeitswelt, die sich nicht mehr an einem „männlichen Arbeitsethos“ orientiert. Die Anforderungen an ein gutes Leben mit Kindern, die meist noch von Frauen formuliert werden, könnten auch ein Hebel sein, um die Gesellschaft zu verändern.

Hier kam dann die Zustimmung vor allem aus dem Publikum, das in der Diskussion eine spannende Bandbreite an Biografien und Meinungen zeigte, ohne dass gleich der eigene Lebensentwurf zum Maß der Dinge gemacht werden wollte. Das Private bleibt politisch und es werden nur sehr langfristige politische Lösungen möglich sein. Bis dahin heißt es wohl weiter, den Mutterwahn zu bekämpfen und Freiheit zu erkämpfen – also business as usual für die Frauenpolitik.

Am selben Abend gab es übrigens auch im Deutschlandfunk eine Diskussion zum Thema: In der Reihe „Streitfragen Ost-West“ sprachen unter anderem Freya Klier und Bascha Mika über männliche und weibliche Rollenbilder und dabei vor allem übers Mutterbild – mit interessanten Positionen zum Nachhören

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