Freitag, 5. Juni 2009

Ost-West-Knigge, Ladies-first-Sorglospaket und sonstige Sorgen...

“Wann werden wir die Teilung in Sachen gutes Benehmen überwinden?“, will die BZ in ihrer Ausgabe vom 4.06.09 wissen. Ansich eine interessante Frage. Schließlich steht „Was uns eint, was uns trennt“ auch auf der Tagesordnung der 22. Jahrestagung auf Schloss Ettersburg in Weimar. ““So wie sich Frauen dagegen wehrten, dass Männer jahrhundertelang die eigene Geschichte für die allgemeingültige ausgaben, hören wir heute Stimmen von Ost-Kolleginnen: „Wir haben es satt, uns von euch erzählen zu lassen, wer wir waren und wer wir sind.““, betont Eva Kohlrusch im Vorwort der Einladung.
In eine ganz andere Richtung antwortet der von der BZ befragte Hans-Michael Klein, seines Zeichens Vorsitzender der Deutschen Knigge-Gesellschaft mit Sitz auf Schloss Eringerfeld im nordrhein-westfälischen Geseke. Dieser will nicht nur an der Wortwahl, sondern auch am Styling erkennen, ob er einen Ossi oder einen Wessi vor sich hat. Demnach trägt der Ossi immer noch gern Sakkos mit vier Knöpfen und Krawattennadel.
Das geht leider gar nicht. In Sachen Mode sind die Wessis immer noch tonangebend. Das Rheinland liegt nun mal näher an Mailand als Dresden.
Das klingt aber zumindest zwischen den Zeilen besserwisserisch nach „Besserwessi“.Doch nicht nur das. Insbesondere beim Thema "Frauen und Emanzipation" weht in ganz Deutschland ein schärferer Wind. Klein will ein, so seine Bezeichnung, „Ladys-first-Sorglospaket“ abschaffen.
Der Mann muss den Stuhl zurechtrücken, die Tür aufhalten und im Straßenverkehr rechts gehen, damit im Zweifel er überfahren wird. Das ist mit der Emanzipation nicht zu vereinbaren.
Frauen scheinen quasi dann gleichberechtigt sein zu dürfen, wenn es für Männer vorteilhaft ist. Denn kaum eine Frau hat etwas dagegen, wenn Mann höflich, zuvorkommend und aufmerksam ist. Schließlich erhebt sie sich auch bei Tisch, wenn eine weitere Person hinzu kommt. (Vor und nach 1789 ff. blieben Frauen sitzen und nur Männer erhoben sich. Dies gehört heute der Vergangenheit an.) Aber er rechnet auch mit Nord-Süd ab:
Der Bayer lässt auch nichts zu, was über seinen Weißwurstäquator hinausgeht.
So unmondän ist Bayern nun auch wieder nicht. Abgesehen davon, dass auf internationaler Ebene Schloss Neuschwanstein auf den Top-Ten der Small-Talk-Themen "about dood old Germany" steht, ist Schloss Eringerfeld weniger bekannt. Dann schon eher Goethe, Weimar und die Ettersburg.
1776 ernannte Herzog Carl August von Sachsen-Weimar Knigge zum weimarischen Kammerherrn, wo er laut Wikipedia "als gern gesehener Kurzweilmacher viel am dortigen Hofe verkehrte". - Und Weimar liegt rund 800 km von Milano entfernt, Geseke hingegen über 900 km.

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