Sonntag, 6. Dezember 2009

Linke Feministinnen gegen Minarette?


Minarette in Amman. Foto: M. Koester

Bei der Zustimmung der Schweizer zum so genannten Minarett-Verbot fallen zwei bemerkenswerte Dinge auf: Viele Menschen haben vorher in Umfragen absichtlich ihre wahre Meinung verschwiegen. Und am Ergebnis sind angeblich linke Feministinnen stark beteiligt. So hatten sich zuvor in einer Umfrage des Tagesanzeigers nur 35% für ein Verbot ausgesprochen (wobei Frauen mit 39,3 Prozent deutlich öfter für ein Verbot als Männer mit 31,5 Prozent eintraten). Zu einem ähnlichen Umfrage-Ergebnis kam das Schweizer Fernsehen. Auf den Stimmzetteln machten die Pro-Verbots-Stimmen dann jedoch 57% aus und in ersten Nachfragen und hunderten von Leserbriefen gaben viele Menschen zu, vorher bewusst die Unwahrheit über ihre Meinung gesagt zu haben.

Die in den erschrockenen Nachbarländern gleich gestarteten nicht repräsentativen Umfragen, etwa in Bayern 2, der Berliner Morgenpost oder dem französischen Figaro brachten alle sehr hohe Ergebnisse - rund 75% Zustimmung zum Minarett-Verbot (der Spiegel brach seine Umfrage nach auffälligen Manipulationen ab).

In ersten Analysen fiel immer wieder der gleiche Name des Schweizer Politologen Michael Hermann, der meinte, ""Ich kann mir vorstellen, dass Frauen, die den Islam mit Kopftüchern, der Scharia und der allgemeinen Unterdrückung der Frauen in Verbindung bringen, für ein Minarett-Verbot gestimmt haben" und weiter „Es sind gerade Frauen, die sonst eher links orientiert sind, die dafür gestimmt haben.". Ob Handelsblatt, TAZ oder Süddeutsche Zeitung sie alle zitieren Hermann. Dabei sagt er selbst: "Es gibt noch keine empirischen Daten zum Entscheid. Folglich können erst Vermutungen angestellt werden“, um dann doch munter weiter zu spekulieren. Darüber regen sich zu Recht diverse Leute mit Ahnung von Statistik auf. Andere Aufgeweckte schreiben, es wäre ja schön, wenn es plötzlich so viele "linksgerichtete, feministische Frauen" gäbe, dass sie bei Befragungen ausschlaggebend seien.

Der Tagesanzeiger zitierte, das ZDF interviewte dazu die Schweizer Politologin Regula Stämpfli die erklärt, dass die „Ja-Stimme vieler Frauen, auch von links und mit feministischer Gesinnung“ unter anderem auf eine Aktion der bekannten Autorin und Feministin Julia Onken zurückzuführen sei. Die hatte im Vorfeld der Abstimmung rund 4000 Mails verschickt, in denen sie die Frauen dazu ermutigte, für ein Minarett-Verbot zu stimmen. In ihrem blog erklärt Onken ihre Beweggründe.
PS: Eine Woche nach dem Volksentscheid gibt es allein bei Spiegel-online 12.500 (!) User-Meinungen zum Minarett-Streit.

8 Kommentare

  1. Die Argumentation finde ich löchrig wie einen Schweizer Käse. Mir kam auch sofort der Gedanke: Woher sollen plötzlich so viele linke Feministinnen gekommen sein? Mal sehen ob nach dem "Fundamentalismus-Schock" eine fundierte Analyse folgt.

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  2. Hallo, ich weiß nicht wo sich Julia Onken überall gegen Minarette ausgesprochen hat, aber ein Newsletter mit 4000 Abonentinnen fällt bei mehr als fünf Millionen Stimmberechtigten nicht ins Gewicht. Den haben vielleicht 3000 Leute gelesen, davon wollte ein Teil ohnehin mit Ja stimmen, und von den anderen hat es sich nur ein Teil aufgrund des Newsletters anders überlegt.

    Auch wenn viele Frauen den Newsletter an ihre Bekannten weitergeleitet haben sollten, ändert das vermutlich nicht viel an den Dimensionen.

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  3. Frau Onken ist bei weitem nicht so bekannt wie suggeriert wird. Viel bedenkenswerter ist, dass in der Schweiz keine wirkliche Diskussion darüber stattfindet, welche Ängste in diesem Land wirklich kursieren. Zudem hat es beinahe schon Tradition, auf alles einzuprügeln, was fremd ist. Tagesanzeiger macht da übrigens keine Ausnahme - sie prügeln am liebsten auf Deutsche! Bemerkenswert ist ebenfalls, dass Äusserungen wie die des SVP-Präsidenten Lukas Reimann "wir wollen keine Parallelgesellschaften, wir wollen kein Multi-Kulti" weder von den anderen Partein noch von den Medien wahrgenommen und diskutiert werden. Die Entwicklung in diesem Land ist in seiner Gesamtheit besorgniserregend, auch - ja, das muss man auch sagen - weil zu wenig Wissen und viel zu viel Vorurteile gegenüber Muslime gerade von so genannten Feministinnen herrscht. Die Schweiz lebt - was Gleichstellung angeht - hinterm Mond. Aber, das ist auch kein Thema, sagt eine besorgte Reporterin aus der Schweiz

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  4. Wieder ein bedauerliches, diesmal frauenfeindliches Beispiel dafür, wie undifferenziert diese ganze Minarett-Diskussion geführt wurde. Aber irgendwie ist es doch schön, dass die Mencshen offensichtlich vor feministischen linken Frauen fast genauso viel Angst haben wie vor den Islamisten. Wäre diese Angst doch nur ein wenig berechtigter...

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  5. Linke Femininstinnen sind des Teufels!!! Die stecken Männer in eine Burka und ihren Schniedel in ein Jute-Kondom! Jawoll! Schlimmer sind nur noch rechte Machos. Und Blogger. Und Florian Silbereisen!!

    Schöne Glosse!

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  6. Hallöchen,

    qua Chromosomensatz zähle ich sicher nicht zu den Journalistinnen. ;-)

    Von Irene auf diesen Blog aufmerksam gemacht, konnte ich mir einen Kommentar nicht verkneifen.

    Ich weiß auch nicht, was hinter dem von Euch diskutierten Thema steckt, habe aber auch eigene aktuelle Erfahrungen mit "Qualitätsjournalismus".

    Es scheint in der Tat so zu sein, dass die meisten Kollegen ihre Schreibe dem Niveau der Honorare anpassen.

    Die damit verbundene Verunglimpfung Dritter wird, so sehe ich es, immer mehr in Kauf genommen. In Eurem Fall trifft es linke Frauen, in meinem einen erschossenen, unpolitischen Schüler, dessen Andenken als Propagandainstrument dient (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31668/1.html). Beiden Fällen gemein ist die negative Wertung der "Linken".

    Bürgerjournalisten - vulgo Blogger - könnten daraus sicher eine neue Verschwörungstheorie zimmern.

    Besonders gefährlich sind den Berichten zu Folge offenbar linke Feministinnen. - /*Ironie an*/ Ich gelobe hiermit hoch und heilig, dass ich bei Anblick einer linken, feministischen Amazone ohne Vorwarnung von meiner Kamera Gebrauch machen werde. Alles, was diese ultragefährliche Person sagt, werde ich in Artikel einbauen und vom Turm des nächsten Minaretts verkünden. Dabei, so was ist sicher, werde ich das Konterfei der gefährlichen Staatsfeinding auf meinem T-Shirt tragen./*Ironie aus*/

    So, nun überlegt mal, was von der obigen Ironiepassage durchführbar ist und was nicht. Das Ergebnis liefert die Information über die Gefährlichkeit der hier verglichenen Personengruppen :-)

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  7. Ganz kleine Anmerkung: Bürgerjournalisten sind nicht gleich Blogger. Blogger sind einfach Leute, die ein Weblog führen - alle davon sind Bürger, einige davon Journalisten, auf ein paar passt die Wortkombination.

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  8. Danke, Lena, für das Aufgreifen des Themas und die interessanten Links. Inzwischen hat auch Alice Schwarzer die Sache kommentiert. Als nicht-so-linke Feministin ist es mir trotzdem schleier(!)haft, warum sich die Wut über islamistische Frauenunterdrückung an Architektur austoben muss. Zumal Frau Schwarzer selbst in einem Turm residiert.

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