Montag, 30. August 2010

Sarrazin oder die Provokations-Masche

Was haben Eva Herman und Thilo Sarazzin gemeinsam? Nein, nicht nur einen gewissen Hang zu Anlehnung an NS-Gedankengut - da die Referenz an die Familienwerte der Nazis, hier das "jüdische Gen". Sie verquicken Halbwahrheiten zu einer These, unterfüttern sie mit (pseudo)-wissenschaftlichen Erkenntnissen und lassen sich dann in Talkshows herumreichen.
Das Dumme daran? Sie reiten nur eine Masche bis zur Perfektion, die längst den Buch- und Meinungsmarkt beherrscht:



Suche für deine These stets nur unterstützende Argumente und blende alle Kritik und gegenteilige Erkenntnisse aus. Nicht ganz so publikumswirksam und auf nicht so verminten Terrain machen das auch JournalistenkollegInnen. Da reiten einige Firmen auf der Well des Biobooms und halten sich nicht so genau an die Vorschrifte, schon haben wir eine "Biolüge" und das Zeug taugt ja nix. Listen der "populärsten Irrtümer" stehen nie Listen von "Dingen, die dennoch wahr sind" gegenüber. Es ist der Trend zum Krawall und der Trend zur Vereinfachung.
Selbst Staatsanwälte/innen müssen entlastende Momente bei Beschuldigten berücksichtigen. Wir sollten es auch (wieder) tun und damit einen Gegentrend setzen. Ein Einerseits-Andererseits-Artikel kommt zwar nicht so schlagkräftig daher, verkauft die LeserInnen aber nicht für dumm.
Sehr gut hat das übrigens unsere Mitbloggerin Judith Rauch letztens in "bild der wissenschaft" gemacht, als  sie über männliche und weibliche Gehirne schrieb und mit so manchem Mythos von Venus und Mars aufräumte.

4 Kommentare

  1. Herzlichen Dank für den Hinweis auf meine bdw-Artikel!
    Generell gebe ich Dir Recht: Ein Artikel sollte zwar eine klare Botschaft haben und sich nicht im Einerseits/Andererseits verlieren. Aber Gegenargumente sollten nicht verschwiegen werden.
    Und auch gegenüber Sarrazin heißt es fair sein:
    Das mit dem Juden-Gen hat er offensichtlich falsch verstanden (ob mit Absicht oder nicht, steht dahin): siehe seine Erklärung in der FAZ.
    Und: Necla Kelek und Monika Maron verteidigen
    Sarrazin teilweise, worauf auch Luise Pusch
    hinweist.

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  2. Es scheint mir, daß erst eine un/geliebte oder un/erträgliche Provokation zum Thema Integration die alten Wunden schmerzhaft aufreisst. Und ich wundere mich, wie der Provokateur von genau den politischen EntscheidungsträgerInnen verdammt wird, während im gleichen Atemzug diese auf ihre eigenen Fehler verweisen, die ihnen der Provokateur zum un/geliebten Thema vor die Nase hält. Verkehrte Welten?

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  3. Es ist total ärgerlich, daß sich die Diskussion jetzt um Sarrazin dreht und entzündet. INsbesondere schmerzt es mich, daß Necla Kelec ihn verteidigt. Hat sie doch ähnliches schon geschrieben - nur besser! Ich habe gerade das Buch von Kirsten heisig in der Hand, auch sie greift das Thema mangelnde Integration auf: auch ohne Sarrazins Arroganz und ohne Geschwafel über "schlechte Gene". Sie schreibt sehr wütend und sehr kritisch, ohne - so emfpinde ich es - an faschistische Theorien zu erinnern. Es wäre wesentlich angemessener über die Bücher dieser Frauen zu diskutieren als dem überheblichen Sarrazin zu helfen, sein Buch zu verkaufen.
    Sonja Chevallier
    Hamburg

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  4. Gut, Sonja, dass Du an die Jugendrichterin Kirsten Heisig erinnerst. Schon der Buchauszug, der im Spiegel kam, war ein Augenöffner. Welch ein Verlust ihr Tod ist!

    Übrigens: Kann nicht jemand mal einen netten Artikel über die bildungshungrigen türkischen Mädchen schreiben? Sie fallen mir immer an Zeugnis-Tagen auf, wie sie in der U-Bahn ihre Noten vergleichen. Wie stolz sie auf ihre guten Leistungen sind!

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