Montag, 11. Oktober 2010

Besser Online 2010: Entweder ein Bier oder ein Retweet



Frauen haben ein Vermarktungsdefizit - auch oder gerade im Journalismus. Eines von vielen Indizien für diese Aussage: Auf der diesjährigen Tagung "Besser Online" vom Deutschen Journalistenverband (DJV) in München saß auf keinem Podium mehr als eine Frau, auf manchem auch keine. Als es deswegen im Vorfeld ein wenig Krawall gab - unter anderem in der Journalisten-Mailingliste JoNet - hieß es von den Veranstaltern: Man habe einige angefragt, aber Absagen kassiert. Andere Kollegen propagierten mehr oder weniger unverblümt: Mädels, euch kennt eben keiner.

Aber da gab's ja Abhilfe auf der Tagung selbst, beim Panel: Wie können sich Journalisten als Marke positionieren – ob mit Twitter, Facebook oder WordPress? ...

Erste Lektion: Gefallen einfordern. Wenn Katrin Scheib, Chefin vom Dienst bei DerWesten.de, über Kollegen getwittert oder deren Tweets weiter geleitet hat, dann verlangt sie auch schon mal Gegenleistung:"Entweder ein Bier oder ein Retweet."

Zweite Lektion: Auch Persönliches schreiben. Wer nur twittert "habe gerade das und das veröffentlicht", "hat nur eine große Trommel" aber keine Aufmerksamkeit. Dass die Entscheidung da nicht immer leicht fällt, wie öffentlich man sein möchte, erzählte auch Alexander von Streit, Ressortleiter Digital bei Focus Online. Früher hat er seine Tweets nicht öffentlich gemacht, damit man sie nicht googeln kann. "Aber dann dachte ich, dann könnte ich es auch gleich lassen, habe das wieder öffentlich gemacht und twittere jetzt halt nicht mehr, dass ich aufs Klo gehe."

Dritte Lektion: Einstecken können. "Marken polarisieren - und wer sich als Marke positioniert, tut das auch", so Dorin Popa, Autor des Nice-Bastard-Blogs (mit dem schönen Untertitel München - Medien - Mädchen). Wer Cola möge, hasse eben Pepsi. Einige Kollegen hätten das Bloggen auch schon aufgegeben, als die Reaktionen scharf wurden.

Vierte Lektion: Viel Zeit investieren. Blogger und Crossmedia-Experte Christian Jakubetz verbringt schon mal fünf, sechs Stunden mit Bloggen, Tweeten, Kommentaren und bei Facebook "an Tagen, an denen ich nicht gerade auf irgendeinem Panel sitze oder irgendwie ernsthaft arbeite".
Wobei die Aussage ein bisschen in die Irre führt, denn für ihn ist der Verdienst durchaus ernsthaft, "kein nettes Zubrot, sondern ein Geschäftsmodell" - durch Aufträge, die er so generiert. Kritisch anzumerken für Nachahmer: Bei Jakubetz und einigen anderen erfolgreichen KollegInnen sind Blogs, Twitter und Facebook gleichzeitig Inhalt und Form. Sie bloggen übers Bloggen und andere Medienthemen. Wenn das Spezialgebiet eher Rassehunde, Steuerpolitik oder Französischer Film sind, fallen die Erfolgsstories meist bescheidener aus. Und auch das Zeitargument sticht durchaus. Dorin Popa meinte zwar, früher hätten die Leute eben im Job telefoniert oder Reisen gebucht, nun seien sie eben immer bei Facebook. Mag sein - aber schon früher haben mich diese Kollegen genervt, die anderen elegant die Arbeit überließen.

Im nächsten Jahr fordern wir dann übrigens ein, dass mehr Frauen auf den Podien sitzen, denn wir haben eine Liste eingereicht mit interessanten Kolleginnen, die etwas zu sagen haben, gerne auch persönlich. Und nachdem die Veranstalter jetzt so viel Prügel einstecken mussten, haben sie gelobt, für 2011 Zeit zu investieren, um sich der Geschlechterparität anzunähern und mal was zum Thema "Frauen klicken anders" zu machen - von mir aus auch mit Quotenmann.

Eine Zusammenfassung mit Video von der Tagung gibt es auf dem Blog von Inge Seibel.

8 Kommentare

  1. Liebe Angelika,
    Dein Rückblick auf die Veranstaltung ist sehr erfrischend und vor allem herzlich anders als die gefühlten zwei Dutzend Blogposts der Herren der Schöpfung, die heute fleißig retweetet wurden. Nicht so "Bier"ernst eben ;-)

    Ich drücke die Daumen, dass im kommenden Jahr nicht nur auf dem Podium, sondern auch dahinter (sprich danach)sich mehr Weiblichkeit zu Wort melden möge. Denn letzteres blieb uns ja eigentlich nicht verwehrt...
    Wo sind sie also, die Anmerkungen und Repliken der Damen? ;-)
    Herzlich
    Inge Seibel

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  2. Wenn die sagen, "man habe einige angefragt, aber Absagen kassiert", dann scheinen sie "immerhin" zwei (da Plural) angefragt zu haben...

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  3. Auf Facebook gibt´s die Girls on Web Society für bloggende Frauen, in der ich neuerdings Mitglied bin. Da bin ich gerade mal so als girl durchgerutscht! Kommt doch auch rein!!

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  4. Liebe Judith,
    ich habe meine Beitrittsanfrage bei den "Web Girls" verschickt ;-)

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  5. ... und vielleicht gibt es das nächste Mal auch Themen, die Frauen interessieren ;-)

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  6. @Angelika: Schöner Bericht! Ein Podium zum Thema "Frauen klicken anders" (o. ä.) ist definitiv für 2011 eingeplant, das haben wir in München ja auch persönlich besprochen.

    @Silke: Als einer von "denen" kann ich dir versichern, dass wir weit mehr als nur zwei angefragt haben. ;-)

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  7. Schönes Fazit der Tagung. Bier UND Retweet wäre auch eine Idee. So bierernst sind die "Herren" doch garnicht in ihren Blogposts. Besser Online – Wir sind nur auf dem Weg und noch lange nicht angekommen!
    Gruss
    Andreas

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  8. Schöner Bericht! Hätte übrigens auch gern mehr Beiträge von Frauen gehört und gesehen.

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