von Judith Rauch
"Fakten verändern Politik - sollte man meinen. Doch im realen Leben vermögen sie nicht einmal die Position von Familienministerin Schröder zu verrücken", kommentiert heute Elisabeth Zoll in der Südwest-Presse. Für "gefährliche Träumerei" hält die Ulmer Kollegin Schröders fixe Idee, beim Thema Frauenquote weiterhin auf freiwillige Zugeständnisse der Wirtschaft zu hoffen. "Es wird Zeit, dass realtitätsverbundenere Politiker die Initiative ergreifen." Renate Künast hat das schon getan: Sie bereitet einen fraktionsübergreifenden Antrag im Bundestag vor.
Kristina Schröder manövriert sich dagegen immer mehr ins Abseits. Ihr Buch "Danke, emanzipiert sind wir selber!" wird allerorten verrissen. Besonders gnadenlos geht unsere frühere Watch-Salon-Autorin Tina Groll mit der Ministerin ins Gericht: "Schröder schreibt ihre eigene Bankrotterklärung", betitelt sie ihren Kommentar auf Zeit online.
Wird Zeit, dass auch die Kanzlerin eingesteht, dass die Zeiten vorbei sind, als Frauenpolitik "Gedöns" war und man es riskieren konnte, eine unbedarfte Konservative aus Hessen zur Frauen- und Familienministerin zu machen. Frauenquote wiegt heute schwerer als Länderquote - auch in der CDU. Dass Angela Merkel selbst mit der Quote sympathisiert und sie ins Wahlprogramm ihrer Partei aufnehmen will, munkeln Eingeweihte schon lange. Nur in dieser Legislaturperiode soll es nichts mehr werden, sagte sie den Vertreterinnen des Deutschen Frauenrats.
Ach, Frau Merkel, geben Sie doch Ihrem Herzen einen Stoß! Bekennen Sie sich schon dieses Jahr zur Quote. Schicken Sie Kristina Schröder in Erziehungsurlaub, machen Sie Ursula von der Leyen zur Superministerin für Arbeit, Frauen, Familie und den ganzen Rest. Und warten Sie gelassen ab, wie der Bundestag abstimmt. Dann haben wir sie endlich, die Quote. Und nächstes Jahr regt sich schon keiner mehr darüber auf.
Wenn man bedenkt, dass es Kristina Schröders Job ist, den rechten Flügel der CDU zu repräsentieren, dann sag ich mal, es hätte schlimmer kommen können. (Man braucht nur überlegen, was noch vor 20 Jahren für Gestalten in der Union unterwegs waren.)
AntwortenLöschenViele Bälle in Sachen frauenfreundliche Politik liegen ohnehin in anderen Häusern: Ursula von der Leyen könnte die 400-Euro-Jobs abschaffen und in regulär sozialversicherungspflichtige Jobs umwandeln, und in Sachen Ehegattensplitting abschaffen hat Wolfgang Schäuble mehr Kompetenz als Kristina Schröder.
Die Kollegin E.H. weist auf den Beitrag "Verkommt die Frauenbewegung zum Karrierecoaching?" hin. Den sollte auch die Frauenministerin lesen, er ist immerhin von einem Mann.
AntwortenLöschenKarrierebegriff
Sie versucht mit einer Politik aus der Adenauerzeit zu punkten, um sich bei den Konservativen in der CDU anzudocken. Weil sie genau weiß, dass die sich gern mit jüngeren Frauen schmücken - zieren? Normalerweise müsste schon der Buchtitel als Rücktrittsschreiben angesehen werden. Sie ist Familienministerin und will alles privatisieren??? Ich kann es nicht fassen.
AntwortenLöschenSchon vor drei Jahren habe ich es bei meiner Reise von Frauen-Netzwerk zu Frauen-Verband überall deutlich rumoren gehört: "Wir wollen die Quote, wir warten nicht länger." Es rumorte nicht nur bei den Politikerinnen, sondern bei Angestellten, Managerinnen und Unternehmerinnen gleichermaßen.
AntwortenLöschenAuch wenn "pro Quote" wohl erst am Ziel ankommen muss, nämlich den paritätisch besetzten Chefredaktionen, damit Frauen medial endlich wirklich sichtbar werden, so habe ich doch das Gefühl, dass wir kurz vor dem Big Bang stehen. Die Quote ist nicht mehr aufzuhalten und das ist kein privates Anlegen einiger Feministinnen mehr, sondern praktische Politik.
Ich finde es großartig, dabei zu sein und zu sehen, wie langsam aber sicher "die Milch überkocht" und all die Frauen sichtbar werden, die in den letzten zig Jahren miteinander dafür gekämpft haben, dass die Gleichberechtigung nicht nur im Gesetz steht. Diesen Erfolg kann und wird auch eine schimmerlose Familienministerin nicht mehr verhindern können.
Also wirklich nicht Frau von der Leyen! Die hat als Übermutter und Superkarrierefrau auch kein so schönes (Vor)Bild abgegeben.
AntwortenLöschenUnd war es nicht so, dass das Erziehungsgeld zusätzlich zum AlgII gezahlt wurde, das 2007 von Ursula von der Leyen eingeführte Elterngeld aber auf Hartz IV angerechnet wird? Frau von der Leyen mag ja für die Quote in Aufsichtsräten sein wie sie will, armen Frauen/Müttern hat sie das Leben nicht gerade erleichtert...
Außerdem: Rente mit 67? Und: Schirmherrin des evangelikalen Jugendfestivals Christival, bei dem Workshops zur Umerziehung von Homosexuellen und fundamentalistischen Abtreibungsgegnern angeboten wurden. Nicht meine Ministerin, so schlimm Kristina Schröder auch ist!
Ja, das Gefühl, das Eva Hehemann beschreibt - dass wir kurz vor dem Big Bang stehen -, kenne ich. Das hatte ich im März auch, nachdem ich Viviane Reding hatte pro Quote sprechen hören und die aufgeschlossene Haltung Merkels publik wurde. Und nicht zu vergessen die Pro-Quote-Aktion der deutschen Journalistinnen, über die wir hier im Blog so viel gechrieben haben. Jetzt würde ich ihn aber gern bald hören, den Big Bang. Die Abschaffung des Ehegattensplittings nehmen wir dann sofort danach in Angriff, versprochen!
AntwortenLöschenÜbrigens ein sehr schöner Satz in dem von Crassida verlinkten Dokument:
"Frauenkarrieren sind Krönung der Frauenbewegung und nicht Audruck ihres Niederganges."
Sollte man sich mal auf der Zunge zergeben lassen.
Ich finde, dass sich die gute Kristina Schröder ein bisschen zu viel vornimmt und der Kampf gegen den Sexismus sie völlig einnimmt. Vor allem wird ihr dabei vorgeworfen andere gesellschaftlich politische Aspekte zu vernachlässigen. Besonders mit ihrem neuen Buch "Danke, aber emanzipiert sind wir selbst." geht sie immer weiter auf die Debatte der Frauenquote ein, was eigentlich gut ist, aber sie nicht gerade beliebt als jüngste Frau im Kabinett macht.
AntwortenLöschenQuelle: Handelsblatt