von Judith Rauch
In der aktuellen Zeit unterhalten sich unter der Überschrift "Am Medienpranger" FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher und Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo über Konformitätsdruck in den Medien. Als Stichwortgeberin, die aber eigene Akzente setzt, fungiert die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt. Trotz aller Selbstbespiegelung der hohen Medien-Herren: Das Gespräch ist phasenweise interessant. Besonders, wenn Göring-Eckardt auf der dritten Zeitungsseite endlich zum Thema Frauen kommt. Sie beginnt mit einer Provokation:
"Meine These: Die Männer Ihrer Generation, die heute die Schlüsselpositionen der Gesellschaft besetzen, sind den Weg vom Macho zum Softie und zurück gegangen."Schirrmacher:
"Was?"Göring-Eckardt:
"Die Führungsriege dieser Generation, der Babyboomer, besteht - das wissen wir nicht erst seit der Initiative 'Pro Quote' der Frauen im Journalismus - zum weit überwiegenden Teil aus Männern. Und am meisten von Altersarmut bedroht, nämlich zu 70 Prozent, sind die Frauen. Woran liegt das? Schließlich sind die Frauen dieser Jahrgänge gut ausgebildet. Es war in dieser Generation nicht mehr unanständig, arbeiten zu gehen. Sicher ist die Kinderbetreuung noch nicht perfekt organisiert. Andererseits wäre in den Milieus, über die wir jetzt reden, selbst noch genügend Geld für das Au-pair-Mädchen und die Nanny vorhanden gewesen."Es ist verblüffend, wie ahnungslos die beiden Zeitungsmacher darauf reagieren. Schirrmacher kann sich das im Grunde gar nicht erklären. Er selbst käme nie auf den Gedanken, Frauen arbeiteten nicht so gut wie Männer. Göring-Eckardt darauf ungeduldig:
"Sie meinen, das ist einfach irgendwie passiert? Sie müssen doch die Gründe analysiert haben!"Schlimmer noch di Lorenzo:
"Das hat mit zwei Realitäten zu tun. Die eine ist, dass Frauen einen Karrierknick erleben, sobald sie Kinder bekommen. Die zweite Realität ist, dass wir es im Beruf so sehr gewohnt sind, es mit Männern zu tun zu haben, dass unsere Fantasie ganz im Ernst nicht ausreichte, um uns in Führungsstellen auch Frauen vorzustellen und darauf hinzuarbeiten."Wie bitte? Seit sieben Jahren hat Deutschland eine Bundeskanzlerin - die sichtbarste Führunsgposition überhaupt. Die kleine Transferleistung, von der Politik auf die Medien zu schließen, sollte ein Journalist schon aufbringen, sollte man meinen. Doch beim Zeit-Chef hat es den Hammer der Pro Quote-Inititative gebraucht, damit er erkennt:
"Der Frauenanteil in den wichtigen Medien ist, offen gestanden, ein Witz und durch nichts mehr zu rechtfertigen."Im Ernst, Herr di Lorenzo: Wer das jetzt erst merkt, ist nicht nur fantasielos. Der ist blind.
Dem Karriereknick "erleben" Frauen ja nicht als schicksalshaftes Must-have, sondern gerade weil Chefs oft so ahnungslos sind. Meine haben damals die Zeichen erkannt, den Kolleginnen herzlich zur Schwangerschaft gratuliert und ihnen einen Krippenplatz angeboten, vom Verlag finanziert. Heute gilt das natürlich auch für die Männer! Von den Erfahrungen einer Elternzeit profitieren übrigens auch die Leserinnen und Leser. Der Blick auf die Welt verändert sich in der Regel und weitet die Wahrnehmung.
AntwortenLöschenAuch wenn ich die Quote eher zwiespältig sehe, sehe ich hier ein sehr gewichtiges Argument dafür: sie wird, wie bereits geschehen, Blicke lenken. Sie wird dazu beitragen, dass wir uns an Frauen in Führungspositionen gewöhnen und hoffentlich einen Umdenkprozess in Gang setzen. Vielleicht muss Frau sich bald nicht mehr dafür rechtfertigen, dass sie verheiratet ist und eventuell Kinder bekommen könnte.
AntwortenLöschenDer Skandal ist doch, dass diese Herren heute noch "Phantasie" brauchen, um sich Frauen in Führungspositionen vorstellen zu können, und woran sie phantasievoll denken, wenn es um Frauen geht, ist wohl nach wie vor anderer Natur. Von Journalisten würde ich aber doch mehr erwarten, nämlich Bewusstsein für gesellschaftliche Mißstände und Entwicklungen.
AntwortenLöschenNeulich auf einem DJV-Kongress hat einer aus dem ehemaligen, sechs-köpfigen, rein männlichen Orga-Team für die Workshops und Diskussionsrunden erklärt, es wären ihnen einfach keine geeigneten Frauen für die Panels "eingefallen"! Schon mal das Wort "Recherche" gehört? Schon mal bei Google nach Experten für ein Thema gesucht?
Fazit: für Führungsmänner wie Schirrmacher, di Lorenzo und vor allem Prof. Leif gibt es keine Entschuldigung mehr für ihre Blindheit gegenüber weiblicher Kompetenz und den Teilhabe-Ansprüchen von Frauen.