von Judith Rauch
Im aktuellen Spiegel drischt Thomas Tuma auf ProQuote ein. Er wirft den Mitgliedern des erfolgreichen Verbands vor, statt Journalismus nur noch Propaganda zu betreiben. Tuma verwirbelt dabei, simpel gesagt, zwei Dinge: Erstens: Das Auftreten der ProQuote-Frauen als Lobbyistinnen von Frauenkarrieren. Daran gibt es eigentlich nichts zu kritteln, denn das machen sie offen, lautstark und effektiv. Zweitens: Das Auftreten der ProQuote-Frauen und der mit ihnen sympathisierenden Journalistinnen, vor allem aus der Branchenpresse, als Berichterstatterinnen über Frauenkarrieren. Dabei kann es schon mal zu unkritischen Beiträgen, zu "positivistisch-affirmativem Kitsch" (Tuma) kommen, und das ist journalistisch nicht schön. Die Beispiele, die er zitiert, sprechen für sich.
Vor Jahren war ich Emma-Redakteurin, und wir mischten mit einem winzigen Redaktionsteam die Republik auf. Unsere Kampagnen, zum Beispiel gegen Pornographie, fanden überall Gehör. Von den großen, traditionellen Frauenverbänden hörte man derweil weniger, aber manchmal konnten wir den einen oder anderen mitreißen.
Natürlich waren wir in diesen Fällen Lobby, Propagandistinnen, Kampfblatt - aber auch diese Seite kann der Journalismus haben. Man muss es nur offen spielen, nicht versteckt.
Übrigens: Dass der Spiegel mit einer prostitutionskritischen Titelgeschichte aufmacht - Bordell Deutschland: Wie der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert -, können sich die Scheinriesinnen aus der Kölner Emma-Redaktion durchaus mit auf ihre Fahnen schreiben. Sie kritisieren das aktuelle Prostitutionsgesetz schon lange und mit viel Ausdauer. Das sollen die Realzwerge à la Tuma erst mal nachmachen.
Hier noch eine stolze Scheinriesin! Schöne Antwort auf einen schnöden Artikel - danke dafür.
AntwortenLöschenGefallen hat mir übrigens auch die Antwort von ProQuote, nachzulesen -> hier.
Herr Tuma hat schon vor einigen Monaten im SPIEGEL gegen die Quote gewettert und sich beklagt, dass die Forderungen der Frauen nicht durch Fluktuation eingelöst werden könnten, sondern nur durch die Entlassung von Männern von ihren Führungsposten und die Benachteiligung männlicher Anwärter bei Bewerbungen auf dieselben.
AntwortenLöschenEr hat – wie sehr viele Männer auf den Top-Etagen mit der dort herrschenden, extrem dünnen Luft – gewaltige Angst um seinen schönen sicheren Job. Schließlich hat er da schon massenweise Konkurrenz von Geschlechtsgenossen, da möchte er sich nicht auch noch die weiblichen Mitbewerber aufhalsen. Kann ich nachvollziehen. Aber Mitleid habe ich trotzdem nicht.
Es ist richtig, dass die proQuote-Frauen ihren Anteil am Kuchen fordern. Bisher hat man(n) ihnen immer vorgehalten, sie wollten ja gar nicht, scheuten sich vor der Verantwortung und wollten ja viel lieber bei ihren Kindern bleiben. Wenn keine sich je dagegen wehrt, dass sie bei Beförderungen systematisch übergangen wird, bleiben solche Gegenargumente unwiderlegt und die Top-Etagen auch weiterhin zu fast 100 Prozent männlich besetzt.
Die Marketing-Argumente der Befürworterinnen, warum wir Quoten brauchen (demographischer Wandel, mehr Gewinne und bessere Qualität durch Diversität, usw.) sind ja ganz nett, aber letztendlich geht es um Gerechtigkeit. Und Gleichberechtigung steht uns qua Grundgesetz zu – ganz einfach, oder?
Natürlich macht ProQuote Lobbyarbeit für Frauen. Wer denn sonst.
AntwortenLöschenTolles Argument von Tuma: Wer selbst betroffen ist, soll sich gefälligst raushalten. Eigeninteresse verträgt sich nicht mit der Gemeinnützigkeit eines Vereins und mit unabhängigem Journalismus.
AntwortenLöschenAlso liebe Kolleginnen: Ab in die Opferrolle! Lasst andere für euch schreiben und kämpfen!
Bekanntlich hat ja auch noch nie ein Journalist gegen das Tempolimit kommentiert, der Porsche fährt. Oder kein Vegetarier gegen den Fleischkonsum. Oder kein männlicher Journalist gegen ProQuote.
Vor Malaria hat er wohl keine Angst... aber bei ProQuote wittert er vermutlich mehr Gefahr...
AntwortenLöschenLiebe Frau Rauch,
AntwortenLöschenWie bitte? ....“Das Auftreten der ProQuote-Frauen und der mit ihnen sympathisierenden Journalistinnen, vor allem aus der Branchenpresse, als Berichterstatterinnen über Frauenkarrieren. Dabei kann es schon mal zu unkritischen Beiträgen, zu "positivistisch-affirmativem Kitsch" (Tuma) kommen, und das ist journalistisch nicht schön. Die Beispiele, die er zitiert, sprechen für sich“.
Als Beispiel nannte er das Interview, das Annette Bruhns uns als frisch gewählte Vorsitzende von Pro Quote für unser jährliches Special „Journalistin 2012“ gab. Ich kann nur annehmen dass Sie diese Interview („Wir haben eine Großmaulkratie“) gar nicht gelesen haben. Falls Sie das nachholen möchten: Bitte schön - es steht auf unserer website www.mediummagazin.de frei zum Nachlesen.
Ich finde es mehr als legitim, sogar geboten, in einem Fachmagazin eine Kollegin wie Annette Bruhns, die die Frauenquote im Journalismus vorantreiben will, nach ihren persönlichen Ansichten und Ambitionen zu befragen. Und ihre Aussagen im O-Ton wiederzugeben, weil auch das viel über die Person aussagt.
Sehen Sie das etwas anders? Machen Sie sich dafür im Ernst die Haltung Tumas zu eigen - was Ihre Worte nahelegen?
Falls ich Sie missverstanden haben sollte, freue ich mich auf klärende Antwort.
Annette Milz
Chefredakteurin „medium magazin“
Liebe Annette Milz,
AntwortenLöschennatürlich habe ich das Interview gelesen, ich habe ja das MediumMagazin abonniert. Und selbstverständlich ist das Thema ProQuote zwingend für die Branchenpresse und ein Interview mit der Vorsitzenden, die ich sehr schätze, der richtige Ansatz. Sich hier Denk- und Schreibverbote aufzuerlegen, wäre ja wirklich absurd.
Es geht an der Stelle, auf die Sie anspielen, ja gar nicht um das Ob, sondern um das Wie. Sich nicht gemein machen mit einer guten Sache, nicht zu viele Servicefragen stellen, auch bei Porträts von Vorbildfrauen nicht nur die schönen Seiten zeigen ... Klar, es gelingt nicht immer, die professionelle Distanz perfekt zu wahren, das kenne ich nur zu gut. Aber es wirkt glaubwürdiger, wenn es gelingt.
Auch Thomas Tuma hat schon Kuschel-Interviews geführt - mit einem Mann! Enthüllt Wolfgang Michal auf Carta unter dem Titel "Die Angst des Spiegel vor den Frauen".
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