Montag, 26. August 2013

Netzwerken für Selbständige Europäerinnen


von Angelika Knop

Netzwerken im Fokus: "Successful Women" beim Sightseeing in Sofia. Fotos: A. Knop

´"Frauen bei Existenzgründung benachteiligt" schrieb vor einigen Tagen die Wirtschaftswoche. Erst komme oft das "Unternehmen Familie" - dann bleibe für die eigene Selbständigkeit weniger Zeit, Kapital und Risikofreudigkeit als bei Männern. Der Schritt ins Ausland scheint da kaum machbar. Doch Gründungsberatungen und EU-Programme können helfen.


Erika Varga ist selbständige Modedesignerin in Sofia. Orsa Repp lebt als freie Regisseurin und Schauspielerin in München. Begegnet sind sich die beiden im norditalienischen Vercelli. Und sie wollen sich wiedersehen – vielleicht auf einer Fashion Show oder einem Filmfestival irgendwo in Europa. Denn gerne würden die beiden beruflich etwas gemeinsam machen. „Bei uns stimmt einfach die Chemie“, erzählt Orsa begeistert von ihrer grenzüberschreitenden Freundschaft, die sie dem Projekt „Successful Women for a Successful Europe“ verdankt. Diese EU-Lernpartnerschaft brachte zwei Jahre lang Unternehmerinnen aus Bulgarien, Ungarn, Italien und Deutschland zusammen. In Workshops diskutierten sie über Nachhaltigkeit, Soziales Unternehmertum, Gründungsideen, interkulturelle Verständigung und vor allem übers Netzwerken.

Beim Netzwerken nachholen

Andrea Balassa, Projektkoordinatorin aus Ungarn,
referiert im Münchner Rathaussaal.

„Beim Aufbau von geschäftlichen Netzwerken haben Frauen noch großen Nachholbedarf“, meint Andrea Balassa, die Initiatorin und Koordinatorin von „Successful Women for a successful Europe“. Andrea ist freie Projektmanagerin bei Seed, eine Organisation in Budapest, die Existenzgründer - insbesondere Frauen  - mit Mentoring, Trainings oder Businessplan-Beratung unterstützt. Da Seed keine finanziellen Hilfen von ungarischen Behörden bekommt, suchte Andrea nach anderen Geldquellen, zum Beispiel bei der EU. So fand sie das Bildungs- und Lernprogramm GRUNDTVIG.  Ähnlich wie das deutlich bekanntere ERASMUS-Programm will es die Bildung in Europa vorantreiben: Nur eben nicht für Jugendliche oder Studenten, sondern für Erwachsene - ganz im Sinne des lebenslangen Lernens. Finanziert werden Besuche, Austausche, Workshops und Lernpartnerschaften. Einrichtungen der Erwachsenenbildung können hier erste Erfahrungen mit europäischer Zusammenarbeit sammeln.

Anträge schreiben, Partnerschaft lernen


Das Thema war gefunden: Wie können sich Gründerinnen gegenseitig unterstützen? Jetzt brauchte Andrea noch mindestens zwei PartnerInnen im europäischen Ausland. In Vercelli fand sie Andromeda, in Sofia Polymetis – und in München GründerRegioM. Diese Initiative fördert Unternehmensgründungen rund um die bayerische Landeshauptstadt. Mit dem Projekt guide berät sie Frauen im Dienstleistungsbereich und in den Freien Berufen beim Start in die Selbständigkeit. Eine Kollegin bei Seed, die deutsch spricht, nahm Kontakt per Telefon auf. Bettina Wenzel, Projektleiterin von guide, freute sich einerseits über das Angebot, „andererseits gab es da noch Einiges zu tun“. Denn bei so einer EU-Lernpartnerschaft muss jede teilnehmende Organisation bei ihrer nationalen Agentur einen eigenen Antrag stellen. Es war also ein kritischer Blick nötig, ob hier Aufwand und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Doch GRUNDTVIG hielt der Prüfung stand.

Lernpartnerschaften sind ausdrücklich als „niedrigschwelliges Angebot“ angelegt. Es gibt pauschale Zuschüsse zu Sach- und Reisekosten, abhängig davon, wie viele Personen wie oft zu den Partnern reisen. „Der bürokratische Aufwand ist also überschaubar“, so Bettina Wenzel. Und so ging es - nachdem die Förderanträge bewilligt waren - zum Auftakt-Treffen nach Budapest, um sich erst einmal kennenzulernen und Arbeitsgrundlagen zu vereinbaren. Zum Beispiel erstellten die Partner einen Bewerbungsbogen. Den mussten dann die Gründerinnen, die am Austausch teilnehmen wollten, ausfüllen – um zu den Workshops in Vercelli und Sofia reisen. Orsa Repp war eine der jeweils zwei Auserwählten.

Barrieren überwinden, Kontakte knüpfen


Das Münchner Treffen fand im Rathaus statt. Mit dabei waren 50 aktuelle und ehemalige Kundinnen von guide, darunter auch die Webdesignerin Ricarda Kiel. In den Arbeitsgruppen und  in den Pausen kam sie so gut mit anderen Teilnehmerinnen ins Gespräch, dass vier davon Kundinnen, Geschäftspartnerinnen oder ratgebende Kolleginnen geworden sind. Diese vier leben zwar in München, aber einen treuen Fan hat Ricarda auch in Budapest. Andrea Balassa bekommt ihren Newsletter und holt sich - nach der Google-Übersetzung - daraus Tipps für ihre neue Homepage. Andere Teilnehmerinnen überwanden die Sprachbarrieren nicht so leicht. Nicht immer reichten die Englischkenntnisse für eine Diskussion, bei manchen Präsentationen oder Kleingruppen ging viel Zeit fürs Dolmetschen drauf. Wer auch beim Sightseeing oder Abendessen Smalltalk machen konnte, war eindeutig im Vorteil. Und die Gespräche wurden oft erst richtig spannend, wenn man sich in der nächsten Stadt erneut traf.

„Es wäre falsch, mit der Vorstellung zu solch einem Workshop zu gehen, dass man dort sofort Geschäftsbeziehungen aktivieren kann“, meint PR-Beraterin Nadine Ormo, die in Sofia und München dabei war. „Aber ich habe einige belastbare Kontakte gefunden, bei denen ich das gute Gefühl habe, dass ich mich auch noch in einem Jahr mit einer Frage, Bitte oder einem Vorschlag melden kann.“  Auch Seed und GründerRegioM wollen den Kontakt aufrecht erhalten und ein weiteres GRUNDTVIG-Programm beantragen – diesmal mit Partnern in Bukarest und Kopenhagen. Jetzt, wo die Formalien geklärt und Arbeitsabläufe eingespielt sind, können die Verantwortlichen tiefer in Themen einsteigen und noch mehr dazulernen.

Neue Impulse: Nadine Ormo

Ideen und sich selbst neu (er)finden


Auch wenn nicht bei allen Teilnehmerinnen die internationalen Kontakte bestehen bleiben, sind - neben schönen Erinnerung aus den bereisten Städten - auf jeden Fall wichtige Erkenntnisse geblieben. Denn wer sich anderen präsentiert und ihren Fragen stellt, kann sein Geschäftsmodell noch einmal überdenken. „Durch die Gespräche ist wieder einiges in Bewegung gekommen“, sagt Nadine Ormo. „Ich habe neue Impulse bekommen, wie ich mein Angebot erweitern könnte. Manche Ideen entstehen doch besser in Netzwerken als im Home-Office." Auch Orsa ist dankbar „ein paar Tage Zeit gehabt zu haben, sich mal wieder mit eigenen Ideen zu beschäftigen.“ Vielleicht entsteht daraus ja mal ein Theaterstück, Film oder Musical mit Orsa als Regisseurin und in Erikas Kostümen. Auf jeden Fall tauschen sie sich weiter über ihre Vorhaben und Projekte auf Facebook aus.

TIPP: Wer in der Erwachsenenbildung lehrt (z.B. als Journalistin Medienkurse an der VHS gibt) und sich dafür gerne im Ausland fortbilden will, muss schnell sein: Bis zum 17.9.2013 kann man dafür letztmalig Zuschüsse beantragen. Wer eine Lernpartnerschaft ins Leben rufen will, kann das jedes Jahr tun - mit einer qualifizierten Organisation im Rücken. Weitere Infos hier.

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Auch Journalistinnen sind Unternehmerinnen. Daher konnte auch die Autorin am Programm "Successful Women for a Successful Europe" teilnehmen.  

2 Kommentare

  1. Wie wichtig das Netzwerken ist, kann nicht oft genug betont werden. Mittlerweile haben es aber die meisten Frauen schon begriffen, dass sie beruflich enorm profitieren, wenn sie sich mit Gleichgesinnten austauschen können. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass Frauen (über ihre Netzwerke) den Kontakt mit Ministerien und Wirtschafte-Organisationen suchen.

    Die lokalen IHKs sind z.B. Institutionen, die noch kaum von und für Frauen genutzt werden. Hier sollten sich Frauen mehr einbringen, was wegen familiärer Pflichten für Frauen meist schwieriger ist als für Männer. Auf die kommunale Standortpolitik z.B. kann die IHK aber einen wesentlichen Einfluss ausüben; es lohnt sich also für Unternehmerinnen, sich dort einzubringen.

    Eine vorbildliche Aktion der Kölner IHK und absolut nachahmungswürdig: der Frauen-Business-Tag am 26.09. – der erste fand letztes Jahr statt. Hier präsentieren sich circa 50 Frauen-Netzwerke und Verbände und sorgen so für intensivere Vernetzung der IHK mit ihrer weiblichen Klientel. Im letzten Jahr nutzten über 600 Besucherinnen das Angebot.

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  2. Danke für die Ergänzungen. Auch in München gab es so einen Business-Tag der IHK - und der JB war mit dabei.
    Der Formulierung dass es für Frauen wegen familiärer "Pflichten" schwieriger ist, stimme ich allerdings nicht zu. Grundsätzlich haben Männer/Väter da dieselben Pflichten (gesetzlich und moralisch). Es geht um die Rollenaufteilung, die man/frau wählt und die Verantwortung, der man/frau sich stellt. Aber so war das ja vielleicht auch gemeint?

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