Donnerstag, 12. Dezember 2013

Fragen wir eine Wissenschaftlerin - Teil 3

Kreative Berufe - wie gut lassen sie sich tatsächlich mit Familie kombinieren? Foto: Watch-Salon

Wie steht es um den Feminismus? Meinungstexte dazu gibt es mehr als genug. Doch was sagt die Wissenschaft? In diesem dritten und letzten Teil unseres Gesprächs mit Christina Scharff spricht die Genderstudies-Forscherin über die besonderen Schwierigkeiten, denen Frauen ausgerechnet in den kreativen Berufen begegnen.


Wir haben uns bisher darüber unterhalten, wie die Medien in Sachen Feminismus berichten und warum das Wort Feminismus zwar schwierig, aber hilfreich ist. Du forschst aber auch zu Frauen in kreativen Berufen. Was ist dort so besonders?


Die Kreativwirtschaft hat ja den Ruf, hip, cool und progressiv zu sein. Es herrscht das Credo: Hier geht es nur um Talent. Beide Geschlechter sollten also genau die gleichen Chancen haben. Aber tatsächlich ist dem überhaupt nicht so. Denn es studieren zwar sehr viele Frauen ein Fach aus diesem Bereich; und auch in dem Heer der unbezahlten Praktikanten sind viele Frauen. Aber später, gerade wenn es drauf ankommt, wird es dünn: Während bei den Männern in diesem Berufsfeld 64 Prozent älter als 35 sind, sind es bei den Frauen nur 51 Prozent; so die Zahlen für Großbritannien aus dem Jahr 2010. Das heißt: Etliche Frauen verlassen diesen Berufssektor im Laufe ihres Arbeitslebens.

Das hängt zumindest zum Teil mit dem Kinderkriegen zusammen. Denn von den Frauen, die in diesem Berufssektor bleiben, haben nur 23 Prozent Kinder, während es bei den Männern 35 Prozent sind - auch das wieder Zahlen für Großbritannien. Sicherlich gehen viele der Frauen deshalb, weil die prekären Arbeitsverhältnisse, die ja in diesem Bereich verbreitet sind, sich nicht gut mit Kinderkriegen verbinden lassen: Unter anderem gibt es kein oder wenig Elterngeld.

Und schließlich haben wir einen selbstverstärkenden Effekt, denn so entsteht eine Unausgewogenheit in den höheren Etagen und damit der Entscheidungsträger. Eine simple Frage: Wie viele bekannte Dirigentinnen, Herausgeberinnen, Filmregisseurinnen, Orchesterintendantinnen gibt es schon? In den Netzwerken dominieren die Männer. Entscheidende Treffen, bei denen Jobs vergeben werden, finden dann auch gerne mal in Stripclubs statt. Die Filmindustrie ist genau hierfür berüchtigt, steht damit aber sicher nicht alleine da.

Dieses Moderne, Hippe und Coole der Kreativwirtschaft ist also ein männliches Hip und Cool, das Frauen richtiggehend ausschließt?


Teilweise ja. Aber nicht nur das: Auch ganz traditionell sind in unserer stereotypen Vorstellung Männer kreative Genies, eben ein bisschen genial. Wenn dagegen Frauen erfolgreich sind, dann deshalb, weil sie sich enorm reinhängen. Allein schon, wenn man sich anschaut, was als richtige Kunst gilt: Im Englischen unterscheidet man immer zwischen „art“ und „craft“; also zwischen Kunst und Handarbeit. In diese zweite Kategorie fallen Tätigkeiten oft nur deshalb, weil sie historisch von Frauen gemacht wurden.

Wie sieht es konkret im Journalismus aus?


Im Journalismus sind Frauen weiterhin sowohl vertikal als auch horizontal benachteiligt. Vertikal heißt: Männliche Chefs und weibliche Praktikantinnen sind die Regel. Und in der Ebene sieht man, dass sich die Frauen im gering bezahlten und wenig angesehenen Modejournalismus sammeln, während im gut bezahlten Wirtschaftsjournalismus die Männer dominieren. Eine klassische horizontale Benachteiligung, deren Logik perfiderweise auch andersherum funktioniert: Berufsfelder, deren Frauenanteil steigt, sinken gerade deshalb im Status und in der Bezahlung. Genau im Journalismus haben Wissenschaftler dieses Phänomen schon festgestellt.

In der Kreativwirtschaft gibt es ja wenige Festanstellungen und viele Selbstständige. Nun könnte man meinen, das kommt Frauen entgegen, die Beruf und Familie flexibel kombinieren wollen…


Interessanterweise ist das wenig erforscht, denn bisher gibt es vor allem Studien zur Situation von Frauen in Betriebsanstellungen. Hier gibt es Programme, um Frauen zu fördern, und man kann verfolgen, wie gut diese wirken. Für Selbstständige aber gibt es solche Maßnahmen nicht.

Aber nicht nur das: Frauen sind bei dieser informellen Art des selbstständigen Arbeitens auch schlicht benachteiligt, weil sie hier eben nicht sagen können: Ich habe das-und-das geleistet und habe darum jetzt das Recht, befördert zu werden.

So wird die schöne Flexibilität schnell zum Nachteil. Und sowieso stellt sich die Frage, ob es wirklich so einfach ist, mit Kind auf dem Arm am Laptop zu arbeiten…

Und nun?


Als einen ersten Schritt wünsche ich mir, dass die Frauen, die es nicht schaffen, ein komplett emanzipiertes Leben mit Job und absolut gleichberechtigter Kindererziehung zu führen, sich nicht selbst die Schuld dafür geben. Es liegt eben noch viel an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Zum Glück lassen sich diese ändern. Vorausgesetzt, wir sehen ein, dass es nach wie vor Verbesserungsbedarf gibt.

Kommentare

  1. Zu ähnlichen Ergebnissen ist die MehrWert-Studie von Prof. Dr. Romy Fröhlich u.a. gekommen, die die BücherFrauen vor drei Jahren im Ulrike Helmer Verlag veröffentlicht haben. Untersucht wurde die Arbeitssituation in der Buchbranche. Die deprimierenden Zahlen haben dazu geführt, dass sich die BücherFrauen als Verband seither verstärkt politisch engagieren.

    Gerade für freiberuflich tätige Journalistinnen ist es extrem wichtig, sich in Netzwerken einzubringen, um nicht ihre eigene prekäre Situation als ein individuelles Problem zu deuten. Nur im Verband mit anderen Betroffenen können diese Probleme gelöst werden. Eine Mitgliedschaft im Journalistinnenbund ist also ein Gebot der Vernunft.

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