Gewalt gegen Frauen verhindern - eine Herausforderung für alle. Das Plakat zur Kampagne. Foto: R. Beerheide |
Es geschieht täglich, zuhause, am Arbeitsplatz oder in der Öffentlichkeit: Frauen werden gedemütigt, geschlagen, vergewaltigt. Hier in der Europäischen Union. Jede dritte Frau über 15 Jahre hat das schon einmal selbst erfahren. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Europäischen Agentur für Grundrechte (FRA). Bittere Erkenntnisse. Was machen wir nun damit?
Die stellvertretende Vorsitzende des Journalistinnenbundes, Rebecca Beerheide, war dabei, als die Studie in Brüssel vorgestellt wurde. Ihre Eindrücke:
Das Ergebnis war sicher so nicht erwartet worden. Die Diskussion mit nationalen Parlamentarierinnen und ihren Brüsseler Kolleginnen war zum Teil sehr emotional. Stolz sind die Forscherinnen dennoch: denn nie gab es weltweit eine so große Studie zu dem Thema.
Nein, die gibt es nicht, es wurden nur Frauen befragt - 42.000 in den 28 EU-Staaten.
War das Ergebnis erwartet oder hat das Ausmaß selbst die ForscherInnen und AuftraggeberInnen überrascht?
Das Ergebnis war sicher so nicht erwartet worden. Die Diskussion mit nationalen Parlamentarierinnen und ihren Brüsseler Kolleginnen war zum Teil sehr emotional. Stolz sind die Forscherinnen dennoch: denn nie gab es weltweit eine so große Studie zu dem Thema.
Gibt es Vergleichszahlen, wie oft Männer von Gewalt betroffen sind?
Nein, die gibt es nicht, es wurden nur Frauen befragt - 42.000 in den 28 EU-Staaten.
Wie haben die JournalistInnen bei der Präsentation der Ergebnisse reagiert?
Zu Beginn haben alle Kolleginnen das journalistisch kühl aufgenommen. Dann merkte eine Forscherin der Europäischen Agentur für Menschenrechte an: "Eine von drei Frauen", die von Gewalt betroffen waren, "das gilt auch für euch". Da wurde es doch recht still im Saal. Und erst recht bei der Anmerkung, dass in der EU täglich sieben Frauen an dieser Gewalt sterben. Über persönliche Erfahrungen hat danach zwar keine Kollegin berichtet. Geschockt über das Ausmaß waren aber viele.
Die Statistiken zeigen das Ausmaß der Gewalt. Gibt es auch Erklärungen dafür? Wodurch und wieseo entsteht Gewalt gegen Frauen besonders häufig?
Das ist sehr unterschiedlich: Eine Theorie der Forscherinnen besagt, dass es in den EU-Ländern, die sich in einer Wirtschaftskrise befinden, mehr Gewalt gegen Frauen gibt. Andererseits sind offenbar Frauen in Ländern, die bereits mehr Gleichberechtigung haben, deutlich offener, sprechen über Gewalt, die sie erlebt haben und zeigen sie auch an. Wobei Gewalt auch heißen kann: Sexuelle Anspielungen am Arbeitsplatz.
Was ist in Deutschland besser oder schlechter als in anderen EU-Staaten?
Deutschland liegt bei vielen Ergebnissen im EU-Schnitt. Aber Frauen erfahren oder empfinden hier deutlich mehr psychische Gewalt in der Partnerschaft. Auch sexuelle Belästigung und Stalking sind häufiger. Was mich besonders nachdenklich macht: 44 Prozent der befragten Deutschen haben als Kinder Gewalt erfahren, bevor sie 15 Jahre alt waren. Das ist deutlich häufiger als der EU-Durchschnitt von 35 Prozent. (Hier kann man die Ergebnisse für einzelne Staaten mit dem EU-Schnitt vergleichen.)
Welche Konsequenzen zieht die EU aus der Umfrage?
Vor der Wahl im Mai werden die Abgeordneten des Europaparlamentes keine Deklarationen oder Direktiven mehr verabschieden. In der Anhörung des EU-Gleichstellungsausschuss am Mittwoch wurde außerdem klar, dass die Abgeordneten sich noch nicht einig sind, ob sie schnell viel Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben oder viele kleine Schritte anregen wollen. Ein Schritt wäre zum Beispiel, Personal bei der Polizei zu schulen, Anzeigen von Frauen sensibler aufzunehmen. Außerdem sollen die nationalen Regierungen mehr für die Bildung tun und auch Männer und Jungen in die Präventionsprogramme aufnehmen
Was sind die Forderungen konkret an die deutsche Politik?
Mehr Aufklärungskampagnen und sensiblerer Umgang mit dem Thema in den Behörden ist sicherlich eine Forderung, die an jedes Mitgliedsland geht. Noch gibt es aber keine ganz klaren Forderungen an einzelne Länder.
Welche Rolle können die Medien spielen?
Auch da gibt es viel zu verändern. Über Twitter lief während der Konferenz viel Kritik zur Marketingkampagne für den ZDF-Samstagskrimi. Unter dem Spruch "Samstags legt man die Füße hoch" hängen da zum Beispiel Frauenbeine in hochhackigen Schuhen aus dem Kofferraum. Diese völlig missglückte Aktion zeigt: in fiktionalen Stoffen spiegelt sich das Gesellschaftsbild wider. Auch hier ist angesagt: Würden mehr Frauen über Medieninhalte bestimmen, gäbe es andere Schwerpunkte.
Macht der Journalistinnenbund Vorschläge, wie Medien mit Gewalt gegen Frauen umgehen sollen?
Medien müssen die Gewalt, die meist im Verborgenen stattfindet, natürlich thematisieren - aber mit einem gender-sensiblen Blick. Der JB will sich ohnehin wieder verstärkt dem Gender-Training von JournalistInnen widmen, überarbeitet dazu gerade Module. Ich nehme die Erkenntnisse aus Brüssel in diese Beratungen mit.
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Bei der Konferenz (#IWD14EP) in Brüssel ging es außerdem um die Rolle der Frauen bei der Europawahl. Davon demnächst mehr im Watch-Salon.
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