Donnerstag, 10. April 2014

TLC: Frauensender ohne Serien und Spielfilme

von Angelika Knop

Anstoßen auf den Senderstart - im Astor Kino
des Bayerischen Hofs. Foto: A. Knop

Ein neuer Frauensender - und was bringt er? Klar: Kleider, Kochen und Kosmetik. Warum auch nicht? Nackt, hungrig und hässlich bin ich auch nicht gerne. Zumindest nicht in dieser Kombination. Also einen Blick ins Programmschema geworfen: Reife "Cougar Wifes" leben mit deutlich jüngeren Männern, die Castingshow „Catwalk 30+“ soll Frauen jenseits der 29 eine Model-Karriere ermöglichen und "Abgeschminkt" enthüllt die Schönheit unter dem Make up. Gibt es bei TLC, das Discovery heute an den Start ins deutsche Free TV schickt, also doch etwas zu entdecken?


Freier Empfang für Frauen


Irgendwie ist das ja auch so eine Art Gleichberechtigung: Mit DMAX lockt man die Männer und erreicht damit in der immer noch hochgehypten Zielgruppe 14 bis 49 einen Marktanteil von 1,7 Prozent. Nun kümmert sich die Sendergruppe auch um die Frauen und holt den in den USA und anderswo verschlüsselten Sender frei empfangbar zu uns - über Satellit, Kabel und IPTV. Die "weltweit größte Entertainment-Marke für Frauen" soll damit in Deutschland eine technische Reichweite von rund 80 Prozent haben.

Praktisch jede kann das also gucken, nur ich nicht. Ich habe nämlich DVBT, also terrestrischen Empfang. Ich lebe "nur" mit rund zwei Dutzend Programmen, darunter bereits zwei Frauensender: sixx und Sat.1 Gold. Ich sehe die übrigens tatsächlich manchmal, die verrückten Hühner aus der Eigenwerbung und von "Sex and the City", ebenso die ollen Schinken aus den 80ern mit den Pastellfarben und Fönfrisuren. Mit Vergnügen und Schokolade und ganz ohne die Männer in meinem Leben.

Echte Geschichten, echte Menschen?


Brauche ich da noch einen Frauensender, wenn ich ihn denn empfangen könnte? "Ja - ganz dringend", antwortet  auf diese Frage Susanne Aigner-Drews, die Chefin von Discovery Deutschland. "Weil TLC anders ist: zu 100 Prozent Real-Life-Entertainment - echte Geschichten, echte Menschen, echte Gefühle." Klingt wie Journalismus, ist es aber nicht. Es ist Reality TV. Und dem eigenen Slogan "Das echte Leben braucht kein Drehbuch"haben die ProgrammmacherInnen offenbar nicht getraut. Denn die meisten Formate sind vor allem eins: gescripted. So wie die Doku-Serie "Breaking Amish" über junge Erwachsene, die ihre strenge Religionsgemeinschaft verlassen, um nach New York zu gehen: Aufgesagt, inszeniert, ohne Spannungsbogen, redundant, portioniert zum jederzeitigen Einstieg in die laufende Sendung. Nur dass ich bei der Pressevorführung im Kino zwischendurch nicht Chips holen oder aufs Klo gehen kann und auch nicht wegzappen. Es werden sehr lange Minuten, als der Prosecco alle ist.

"Alle Programme sind neu, das ist keine Abspielstation." Auch darauf ist man bei TLC stolz. In Deutschland ist das Programm tatsächlich neu. Das meiste stammt aus den USA - und dass es quasi synchron gedolmetscht übersprochen wird, kann man mögen - oder auch nicht.

Eine Entdeckung?


Zurück also zur Anfangsfrage: Gibt es da etwas zu entdecken? Falls ja, habe ich es zumindest nicht gefunden - nicht in den Trailern und Ausschnitten auf der Homepage und auch nicht bei der schicken Präsentation im Bayerischen Hof. Oder doch: Susanne Aigner-Drews ist so bodenständig-bayrisch, so nahbar und macht dabei so eine gute Figur im senderfarbenen roten Kleid. Die würde ich gerne mal in  in einer Talkshow sehen.

Überhaupt waren interessante, engagierte Frauen da an diesem Abend. Ich habe mich gut unterhalten: über unsere Jobs, über Politik - aber auch über Kinder, Geburtstage, Pferde und das leckere Essen. Ich mag das, aber entweder ungescripted oder gleich perfekt inszeniert, so wie bei HBO oder in Hollywood.

***
TLC steht übrigens ursprünglich für "The Learning Channel", aber nach Programmreformen hat dieser Name wohl keine Bedeutung mehr. 


3 Kommentare

  1. "Irgendwie ist das ja auch so eine Art Gleichberechtigung"

    So kann man Gendermarketing natürlich auch sehen, auf die Idee war ich bisher nicht gekommen. Reiht sich Frauenfernsehen doch nur ein in die Liste der "Extra für"-Produkte: Frauensenf, Chips für den Mädelsabend, rosa Ü-Ei, Schnuller für 'Glamour girls' und der rosa Werkzeugkasten etc.

    Ich würde eher sagen, das ist ein großer Schritt in die Rosa-Hellblau-Falle, die beide Geschlechter in enge Schubladen schubst. "So sind sie nun mal die Frauen/Männer" ist der kurzsichtige Einleitungsgedanke und dann folgen die Klischees. Ich danke vielmals, aber kein Bedarf!

    Almut Schnerring
    (Autorin des Buchs "Die Rosa-Hellblau-Falle")

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  2. Es gibt sicher schlechtere Programme. Auch wenn mich persönlich scripted reality nicht sonderlich interessiert. Aber die Serien rund um die wunderbaren Hühner bei sixx schaue ich auch manchmal zum Abhängen. Hätte ich vor Sendestart auch nicht vermutet. Warum nicht mal TLC? Seien wir uns doch bewusst: Bei all diesen Sendern geht es nur darum, Werbung zu verkaufen. Kein inhaltlicher, kein gesellschaftspolitischer Anspruch. Dafür brauch man dann doch die vielgescholtenen Öffentlich-Rechtlichen!

    Sissi Pitzer, sip media und BR

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  3. Danke für den Beitrag, den ich mit Freude gelesen habe. Ich selbst habe TLC in den USA wirklich gerne geschaut. In dem Dschungel aus mehreren hundert Sendern stach er Ende der neunziger Jahre, als ich krankheitsbedingt längere Zeit bettlägrig war, tatsächlich mit informativem und unterhaltsamem Reality TV hervor. Da gab es A Baby Story, täglich vier halbstündige Geschichten über Paare (hetero wie homo), die Kinder bekamen; A Wedding Story (weniger mein Fall, aber manchmal sehr vielsagend, was amerikanische Kultur anging); Trading Spaces gab Nachbarn je ein Zimmer im Haus der anderen, das renoviert und völlig neu/anders hergerichtet werden sollte (ähnlich wie das BBC format Changing Rooms, was ein wenig intelligenter war, weil es häufig Ortgeschichte u.ähnl. beinhaltete). Meine allerliebste Sendung war aber Great Books, eine einstündige Dokusendung, die u.a. von Walter Cronkite konzipiert worden war und sich eine volle Stunde mit einem Titel der Weltliteratur beschäftigte (Heart of Darkness ist mir besonders in Erinnerung). Das war (und ist) eben auch eine amerikanische Seite des Edutainments: es gibt Dinge, die es in Europa nicht gibt, geben darf. Von daher bin ich gespannt, was es künftig auf TLC in Deutschland zu sehen gibt. 1:1 wird sich das deutsche Publikum nicht für amerikanisches Fernsehen erwärmen lassen, schon gar nicht für scripted reality. Aber ein bisschen Konkurrenz hat auch dem Fernsehgeschäft noch nie geschadet.

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