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Britische Zeitungen berichten über die Vorstellung des SNP-Wahlmanifests. Foto: Stadlmayer |
In Großbritannien ist Wahlkampf und die Medien haben einen
neuen Star erkoren: In höchsten Tönen preisen sie
Nicola Sturgeon, schottische
Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Scottish
National Party (SNP).
Nach der
Vorstellung des
SNP-Wahlmanifests
schwärmte der linksliberale
Guardian:
"Es war die Krönung von
Königin Nicola." Der
Herald lobte:
"Nicola Sturgeon ist die stärkste Kraft innerhalb der britischen
Linken." Die
Huffington Post nannte sie "die mächtigste Politikerin
seit Maggie". Und der Fernsehsender ITV fasste zusammen:
"Journalisten und Kommentatoren waren sehr beeindruckt." Was ist da passiert?
Immer wieder wundere ich mich als Journalistin über meine
eigene Zunft. Im November schrieben wir in
diesem Blog
über die Fiesheiten, die sich Nicola Sturgeon von der
Presse gefallen lassen musste. Von "Todeszellen-Frisur" war in den
Zeitungen die Rede und sie musste sich als "nippy sweety" (verbissene
Süße) verunglimpfen lassen. Sie wurde als graue Maus
im Schatten des ehemaligen SNP-Vorsitzenden Alex Salmond
verspottet.
Und jetzt? Nicola Sturgeon ist dieselbe kluge und schlagfertige Politikerin wie vor einigen Monaten. Nur, dass sie
jetzt eine wichtige Rolle als mögliche Königsmacherin spielt und deshalb von
den Medien ernst genommen wird. Obwohl die SNP nur in Schottland antritt, wird es nach der Unterhaus-Wahl am 7. Mai auf sie ankommen. Umfragen zufolge wird sie der Labour-Partei
in Schottland
bis zu 41 Mandate abjagen. Weder Labour noch die Tories werden voraussichtlich eine Mehrheit bekommen. Labour-Spitzenkandidat Ed Miliband könnte allerdings Premierminister einer Minderheitsregierung werden, wenn er sich auf eine Zusammenarbeit mit Nicola Sturgeon einlässt.
Die schottische Journalistin
Lesley Riddoch
machte sich im Guardian über den Sturgeon-Hype lustig: "Ich würde gerne wissen, wie
viele Korrespondenten sich entgeistert fragen, warum sie den Aufstieg dieser
Frau nicht mitbekommen haben." Am Ende ihres Artikel kommt sie zu
dem Schluss: "Sturgeons Performance könnte beweisen, dass das bevorzugte
Vorbild für Politiker in Zukunft nicht mehr "der große Mann", sondern
"die erfolgreiche Frau" sein könnte. Es sei "kein Wunder, dass ganz
Britannien verzückt ist."
Vielleicht sind viele Medienleute aber auch deshalb so begeistert
von Sturgeon, weil ihre Auftritte einfach interessanter, professioneller und
unterhaltsamer sind als die von Labour-Chef Ed Miliband und Tory-Premierminister
David Cameron. Inhaltlich verspricht sie in diesem Wahlkampf mehr Geld für das
Gesundheitssystem und ein Ende der Sparpolitik - das kommt vor allem bei Labour-AnhängerInnen gut an, die ihrer
eigenen Partei in diesen Punkten nicht mehr so recht trauen.
Boris Johnson vergleicht Nicola Sturgeon mit der mörderischen Lady Macbeth
Bei einigen konservativen Politikern und Journalisten hat der Erfolg von Nicola Sturgeon dagegen einen Beiss-Reflex
ausgelöst: Die rechte Daily Mail nannte sie "die gefährlichste Frau
Britanniens". Und Boris Johnson,
Bürgermeister von London, verglich sie im konservativen Telegraph mit der
mörderischen Lady Macbeth. Ein
Journalist derselben Zeitung fühlte
sich bei der Vorstellung des SNP-Manifests "an die Aufmärsche der Nazis
in Nürnberg erinnert". Und der Reporter Piers Morgan nannte Sturgeon
"Mini-Gozilla".
Die heftigen Reaktionen der konservativen
Herrenriege könnten auch damit zusammen hängen, dass sich die Frauen in diesem Wahlkampf
besser darstellen als die Männer. Deutlich wurde dies bei den letzten beiden Fernsehdebatten.
Beim
Streitgespräch aller sieben Parteivorsitzenden war Nicola Sturgeon die
deutlichste von allen,
Leanne Wood von der walisischen Partei Plaid Cymru und
Natalie Bennett von den Grünen wirkten ebenfalls
überzeugend. Tory-Premierminister David Cameron sonderte dagegen Plattitüden
ab, Labour-Chef Ed Miliband wirkte sehr glatt, Nick Clegg von den
Liberaldemokraten kam kaum zu Wort und Rechtspopulist Nigel Farage hetzte
und geiferte wie immer.
Während der
zweiten Debatte Mitte April bot Nicola Sturgeon Ed Miliband die Tolerierung an:
"Ich bin bereit, mit Ihnen zusammen zu arbeiten. Nutzen Sie die Chance,
David Cameron aus der Downing Street hinaus zu werfen." Doch Ed Miliband
tat so, als habe er sie nicht verstanden und wiederholte seine Absage an eine
Koalition mit der SNP.
Alle Parteien buhlen in diesem Wahlkampf um die Stimmen der
Wählerinnen, denn die Frauen sind weniger auf eine Partei festgelegt als die
Männer. Das Gesundheitssystem, Bildung und
Wohnen sind Themen von denen die Parteien annehmen, dass sie für Frauen
wichtig sind. Sie spielen deshalb in diesem Wahlkampf eine große Rolle. Labour
hat in jedem zweiten für die Partei aussichtsreichen Wahlbezirk eine Frau
aufgestellt, bei den Konservativen kandidiert nur in jedem fünften
aussichtsreichen Bezirk eine Frau. Die bekannteste Kandidatin der Konservativen
ist Innenministerin
Theresa May, die prominenteste Labour-Kandidatin ist
Schatten-Innenministerin
Yvette Cooper.
Die stellvertretende Labour-Vorsitzende
Harriet Harman macht ihren ganz speziellen Frauen-Wahlkampf: "Während wir
Themen wie Kinderbetreuung und häusliche Gewalt ansprechen, haben die
Konservativen den Wählerinnen nichts anzubieten", sagt sie. Politikverdrossenheit
sei bei Frauen besonders aufgeprägt. "Politik ist zu wichtig, um
sie den Männern alleine zu überlassen", tönt die Labour-Frau. In den Augen vieler Femnistinnen macht sie sich allerdings lächerlich: Sie
tourt in einem Prinzessinnen-rosa Bus mit der Aufschrift "Von Frauen für
Frauen" durchs Land.
Danke für den interessanten Artikel. Mit einem "Prinzessinnenbus" auf Tour für die Labour Partei zu gehen, hat ja auch was.Im Land der Queen.
AntwortenLöschenDonnerwetter, so hat man den Wahlkampf in England in der deutschen Presse noch nicht erklärt bekommen!
AntwortenLöschenDank für den aufschlussreichen Bericht.
Gundula Thors