Donnerstag, 23. Juli 2015

München - ein Sommer der feministischen Kunst

Titel des Ausstellungskatalogs zu Louise Bourgeois im Haus der Kunst, München
Foto: Peter Bellamy, Art: The Eastern Foundation

Countdown im Münchner Haus der Kunst. Schnell noch die atemberaubende Kunst der Louise Bourgeois anschauen (bis zum 2. August). Und dann gleich in die nächste Ausstellung einer Frau.  Die Konzeptkünstlerin Lea Lublin ist mit ihrer ersten Retrospektive im Lenbachhaus zu sehen (bis 13. September), die souverän Medien verknüpfende Zilla Leutenegger in der Pinakothek der Moderne (bis 4. Oktober). Ein Lob den Münchner Museen, die uns gerade feministische Kunst auf dem Silbertablett servieren.


Ihre Werke waren im Museum of Modern Art in New York, auf der Documenta in Kassel und der Biennale in Venedig zu sehen. Aber nirgendwo wirkt die Arbeit Louise Bourgeois' so selbstverständlich wie im Haus der Kunst. Der alte Nazi-Bau mit seiner schwierigen Architektur wird von ihren berühmten "Zellen" einfach ignoriert. Sie setzen ihre eigenen Grenzen, kappen die hohen Räume und öffnen sie gleichzeitig für eine Betrachtung in Runden, weg von den üblichen Führungslinien. Es sind Skulpturen und Installationen, versehen mit Türen, Möbeln und Gittern aus alten Abbruchhäusern, Bühnenbilder voller subtiler wie brachialer Erzählungen. Man schaut hinein und ist den ambivalentesten Gefühlen ausgesetzt: Erinnerung und Angst, Sicherheit und Geborgenheit, Wut und Kraft - und das alles gleichzeitig.

Bourgeois (1911-2010) hatte es als Kind und Jugendliche mit einem mächtigen, frauenverachtenden Vater und einer ob seiner Eskapaden wohl gebrochenen Mutter zu tun. Das Video "Beim Schälen einer Orange" macht den lebenslangen Konflikt und damit auch Antriebsstoff ihrer Werke deutlich (unbedingte Anschau-Empfehlung). "Ohne meine Kunst wäre ich mit dem Leben nicht fertiggeworden", hat Louise Bourgeois gesagt, gerettet habe sie die Begabung, sublimieren zu können und die Erkenntnis, dass "Kunst die Garantie für geistige Heilung" sei.



"Was ist die Frau?" und "Striptease des Jesuskindes" von Lea Lublin, Lenbachhaus, München. Fotos: Köster


Eine echte Entdeckung ist Lea Lublin, 1929 in Polen geboren, in Argentinien aufgewachsen, 1999 in Paris gestorben. Dort hat sie sich auch von der Malerei verabschiedet ("die endet nur in hübschen bürgerlichen Wohnzimmern"), widmete sich Mitmachprojekten und der Dekonstruktion der Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen. Mitten in den Protesten 1968 zog sie mit ihrem Baby für drei  Wochen ins Museum und machte das Stillen und Wickeln zu einem öffentlichen Akt. Mit der Installation einer Waschanlage vor dem Bild der Mona Lisa bot sie den Betrachtenden an, "das Bild der Frau" zwischen hin und hergleitenden Scheibenwischern wieder frei zu putzen. Echte Aktionskunst war auch ihre Fahnen-Prozession durch die Straßen von Paris. Alte Videos zeigen die Künstlerin vergnügt mit aufgeregten Passanten über die Frage "Was ist die Frau?" diskutieren.  Klugerweise rettete jemand die Fahne, nachdem sie von Lublin in der Seine versenkt worden war.

Sehr aufschlussreich auch die im Münchner Lenbachhaus erstmals gezeigte Serie "Der Striptease des Jesuskindes", in der Lea Lublin die sexuelle Konnotation in der christlichen Malerei freilegt. Die Kritikerin der Süddeutschen Zeitung, Catrin Lorch, nennt Lublins Arbeit bahnbrechend und meint, auch im Hinblick auf weitere unterschätzte Künstlerinnen der 1970er Jahre:

"Diese feministischen Werke verschwanden so so rapide aus dem Gedächtnis der Kunst, dass man weniger vom Vergessen denn vom Verdrängen sprechen muss."

Installation Zilla Leutenegger,  Foto: Pinakothek der Moderne, München

Das wird mit dem Oeuvre der 1968 geborenen Schweizerin Zilla Leutenegger wohl nicht mehr passieren. Die kluge Sammlerin Ingvild Goetz wurde schon früh auf sie aufmerksam und erstand  deren Zyklus "Ring my Bell". Das Alter Ego der Künstlerin namens Z(ett) bewegt sich in der Pinakothek der Moderne durch sieben Installationen, den Räumen einer sparsam möblierten Wohnung. Das faszinierende daran ist, wie kunstvoll Leutenegger dabei mit verschiedenen Ebenen arbeitet, Zeichnung, Installation, Skulptur und Video. Sie zeichnet Gegenstände an die Wand, stellt dazu echte Möbel auf und pflanzt über technisch perfekte Aufnahmen mit dem Beamer die als Schattenriss agierende Z in die Szene. Die legt in der Küche Platten auf statt zu kochen, lässt sich durch einen Spalt beim Duschen zuschauen, Musik ist zu hören, das laufende Wasser, Vögel und Autos durchs offene Schlafzimmerfenster - und manchmal auch nichts. Die Verbindung von Ton, bewegtem Bild und räumlicher Arbeit transportieren eine Atmosphäre der Ruhe und Gelassenheit, aber auch der Einsamkeit und Langeweile. Z will die Intimität ihres Zuhauses teilen und Leutenegger ruft geradezu dazu auf. "Meine idealen BesucherInnen projizieren sich selbst in den imaginierten Raum und verbinden ihn mit eigenen Assoziationen und Erinnerungsbildern."
"Meine Vorreiterinnen haben mir den Weg geebnet, damit Frauen heute mit großer Selbstverständlichkeit durch die Kunstwelt gehen können."

Ach ja, und in der Sammlung Goetz sind noch bis 8. August die Fotografien von Cindy Sherman zu sehen,  außerdem Videos und Installationen von Nathalie Djurberg.

Wer es nicht zu den Künstlerinnen nach München schafft, ist vielleicht auch mit dem Buch "Die gleißende Welt" von Siri Hustvedt glücklich. Protagonistin des hochgelobten Werks ist die Künstlerin Harriet Burden, die, wie von Hustvedt bestätigt, in vielerlei Hinsicht Louise Bourgeois ähnelt.

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