Dienstag, 20. Oktober 2015

jb-Medienlabor - Feminismus und Frauenmedien

Feministischer Presseclub: Ulrike Fischer, Dagmar Kieselbach, Helga Kirchner, Teresa Bücker, Stefanie Lohaus, Katrin Rönicke             Foto: Eva Hehemann

Print oder online, Fernsehen oder Video on demand – wo finden feministische Medien heute ihr Publikum? Das war die Frage, zu dem das 4. Medienlabor des Journalistinnenbundes nach Berlin eingeladen hatte. Auf dem Panel "Frau TV", "Missy Magazine" und "Edition F", vertreten durch ihre Chefinnen. Das Gespräch streifte auch die Bloggerszene und die klassischen Frauenmagazine. Schließlich war der provokante Titel: „Brigitte" geht in Rente – wer sind die Enkelinnen? Frauenmedien und Feminismus.

Der Postfeminismus ist tot, es lebe der Feminismus – erst kürzlich so beim Literaturfestival Berlin vor voll besetztem Saal formuliert, gilt dieses Bekenntnis auch für die vier Tage intensiver Diskussionsrunden im Haus der Heinrich-Böll-Stiftung vom 14. - 18. Oktober. Schlusspunkt der vom Gunda-Werner-Institut ausgerichteten Tagung „dare the im_possible – Das 21. Jahrhundert feministisch gestalten“,  war das jb-Medienlabor – mit der Frage: wo können wir all die drängenden Fragen für eine geschlechtergerechte Gesellschaft besprechen?  Welche Medien gibt es überhaupt, die Themen feministisch abbilden? 

Print oder online – der Wandel des Journalismus hin zu den neuen Medien macht auch vor Feministinnen nicht halt. Selbst die etablierten Frauenmedien sind im Netz unterwegs, sei es mit einem eigenen online-Angebot, sei es auf Facebook und Twitter. In ihrer Keynote zur Eröffnung betonte Katrin Rönicke, das Internet biete vor allem jenseits des Mainstreams eine große Chance, Online eröffne neue Diskussionsräume. Gut vernetzte Bloggerinnen von Mädchenmannschaft über Frau Lila bis hin zu Journelle ermöglichen breite Allianzen. Sie selbst sorgt mit ihrem Bloggerinnenmagazin "Featurette" für die Sichtbarkeit jener Frauen, die anders als die männlichen Alphablogger, in der Nische bloggen: Ein geniales Tool, das die unterschiedlichsten Blogbeiträge aktuell zusammenträgt.

Was kommt, wenn "Brigitte" in Rente geht?


Frauen wollen sich nicht immer nur unbezahlt über die Welt und die oft empörend schwierige Situation von Frauen Gedanken machen. Das digitale Magazin Edition F ist vor zwei Jahren an den Start gegangen und hat, wie Redaktionsleiterin Teresa Bücker verkündete, 250 000 Leserinnen, im Kern zwischen 25 und 35 Jahre alt. Aber es klicken auch Frauen und Männer anderer Altersklassen das attraktive gestaltete Onlinemagazin an. Ein bisschen viel Work-Life-Balance, gepaart mit Karrieretipps für die angehende Businessfrau und einmal die Woche etwas stylische Mode – da musste sich Teresa Bücker von Moderatorin Helga Kirchner die Frage gefallen lassen: „Bist Du Feministin?“ „Ich bin Feministin“,  erklärte sie ohne mit der Wimper zu zucken und die beiden Gründerinnen Susann Hofmann und Nora-Vanessa Wohlert verstünden sich auch so. Das ist in der Tat erkennbar, denn viele der Edition F-Postings zu aktuellen frauenpolitischen Ereignissen haben eine engagierte Haltung zur Gleichstellung, neben dem ganzen ChiChi. Feminismus, das hat schon die "dare the im_possible"-Tagung deutlich gemacht, hat heute ganz unterschiedliche Ausprägungen: vom Queerfeminismus über Netzfeminismus bis zum neoliberalen Feminismus gibt es ein neues Nebeneinander.

Missy Magazine, Mitausrichterin der "dare the im_possible"-Tagung, setzt im Gegensatz dazu auf Print. 2008 von drei Freundinnen um Stefanie Lohaus gegründet, erscheint das Blatt heute viermal im Jahr. Bei einer viel beachteten Fundraising-Aktion kamen in diesem Sommer 50 000 Euro zusammen. Nebeneffekt, durchaus beabsichtigt, war die Steigerung der Leser*innen-Blatt-Bindung. Die Zeitschrift wird gebraucht und geliebt, dessen sind die Herausgeberinnen nun sicher. Dennoch fehlt es an einer dauerhaften Finanzierung. Doch solange in den Chefetagen der Verlage überwiegend Männer sitzen, gibt es für ein feministisches Magazin kein Geld. Darin war sich das Podium einig. Teresa Bücker lenkte den Blick auf die USA: Da funktionieren feministische Formate sehr gut. Das sollte deutschen Verlegern und Investoren Mut machen. Ulrike Fischer, selbst  lange in den klassischen Frauenzeitschriften tätig, berichtete dass die "Young Miss" nur über die "Brigitte" querfinanziert wurde, dann aber nach langen erfolgreichen Jahren eingestellt wurde. Der Erfolgsdruck, der durch die Glitzerwelt der "Glamour" aufkam, war zu groß. Doch ausgerechnet dieses Blatt voller People- und Stylegeschichten fragte in seiner jüngsten Ausgabe: "Bist Du Vollblut, Halbblut oder Kaltblut-Feministin?".

Feminismus macht Angst

 

„Das F-Word macht den Männern Angst", so Dagmar Kieselbach, Redaktionsleiterin von Frau TV, das einzige übriggebliebene Frauenmagazin im deutschen Fernsehen. Sie weiß worüber sie spricht, steht doch auch ihre WDR-Sendung stets unter Beobachtung und muss mit satten Einschaltquoten ihre Existenzberechtigung nachweisen. Dafür sorgt die Frau-TV-Redaktion mit einem Mix aus harten und weichen Themen, heute dichter dran an den Protagonistinnen als früher, weniger Politagitation als Anteilnahme und Zuhören, denn Frauen haben viele kluge Dinge zu sagen. Dank ihrer 36.000 Follower*innen auf Facebook übrigens im direkten Dialog mit der Zuschauerschaft: eine Onlinerepräsentanz nutzt eben auch dem klassischen Medium.

Nach dem Panel gab es Gelegenheit mit den Podiumsteilnehmerinnen die Themen in kleinen Runden zu vertiefen, eine charmantes Format des nunmehr schon 4. jb-Medienlabors. Es bringt meist mehr Einsichten, als die gelegentlich uneffektiven „Fragen aus dem Podium“, auch wenn manche Zuschauerinnen es bedauerten, dass die Ergebnisse nicht dem gesamten Publikum vorgetragen werden. Dagmar Kieselbach kam in ihrer Gesprächsrunde noch einmal auf das angstmachende F-Wort zu sprechen. Frage man Männer wie Frauen, ob sie sich für eine gerechte Welt einsetzen,  verneine das keiner. Würden sie allerdings nach Ihrer Haltung zum Feminismus gefragt, komme Ablehnung, sagte sie. Das Wort hat einen schlechten Ruf. Der Feminismus leidet an seiner miserablen Reputation und das nicht erst seit heute. 

Feministischer Presseclub 

 

Zum großen Finale traf sich das Panel zum feministischen Presseclub, es war schließlich Sonntag. 45 Minuten Diskussion: wie gehen feministische Medien mit dem Thema "Flüchtlinge" um. Und obwohl um 15 Uhr nicht mehr so ganz Frühschoppenzeit war, schenkte eine freundliche Assistentin den Diskutantinnen das traditionelle Glas Wein ein. Das Publikum forderte „rauchen, rauchen“, vergeblich. Das waren noch Zeiten, in Werner Höfers Internationalem Frühschoppen. Doch eines war anders: 100 Prozent Frauenanteil. Die Quote übererfüllt.


Das Medienlabor ist eine medienpolitische Veranstaltungsreihe des Journalistinnenbundes. Der Journalistinnenbund will damit ein Gegengewicht schaffen zu den meist von Männern dominierten medienpolitischen Runden.


  • Machen Sie sich selbst ein Bild von Panel und  Presseclub. Das jb-Medienlabor wurde mit Video aufgezeichnet.
  • Während der Veranstaltung wurde zahlreich mit dem Hashtag #jbMedienlabor15 getwittert.
    Zitate und Kommentare sind hier auch ohne eigenen Twitteraccount nachzulesen.
  • "Dare the im_possible"-Tagung verpaßt? Es ist alles dokumentiert: Berichte, Fotos, Videomitschnitte 
  • Das Gute zum Schluss: Das JB Medienlabor als Foto-Love-Story. Exklusiv von den Bloggerinnen des Gunda-Werner-Instituts. Großartige Idee.

Kommentare

  1. Danke für diese tolle Zusammenfassung. Mir fehlte beim Medienlabor allerdings die kritische Auseinandersetzung mit Edition F. Ein Teil des Inhalts wird inzwischen über unbezahlte Artikel der Leserinnen generiert, was zum einen der Beginn des (in der Branche inzwischen ja durchaus üblichen) Ausverkaufs des Journalismus ist und ganz besonders Freelancerinnen trifft. Gerade Feministinnen sollten hinterfragen, ob sie ihre Projekte wirklich um jeden Preis den Ungepflogenheiten des Kapitalismus unterwerfen wollen.

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