Mittwoch, 20. März 2019

FEMINISMUS REVISITED - Erica Fischer im Dialog der Generationen

von Christine Olderdissen

Buchhandlung BUCHBOX!, Berlin-Prenzlauer Berg. Erica Fischer liest, Andrea Dernbach vom Tagesspiegel moderiert.
Foto: Massimo Cortini

Wie Erica Fischer mit ihren knallroten Dr. Martens-Boots da sitzt, passend zur roten Brille und im schönsten Kontrast zu den kurzen, grau-weißen Haaren, wundert es kaum, wenn sie in amüsierter Empörung sagt: „Ich bin schon 75, wie konnte das passieren?“ Die Mitbegründerin der österreichischen Frauenbewegung in den 1970er Jahren ist ins Zeitzeuginnenalter vorgerückt. Mit einem Blick auf ihre eigenen bewegten Zeiten ruht sie sich aber nicht aus. Sie sucht die Auseinandersetzung mit jungen Feministinnen. Ihr neues Buch trägt den programmatischen Titel: „Feminismus revisited“.

Erica Fischer ist bekannt als Autorin von "Aimée & Jaguar". Sie hat etliche andere Bücher geschrieben, und sie ist seit langem jb-Frau, daher kennen wir uns. Natürlich gehe ich zur Buchvorstellung in der Berliner Buchhandlung BUCHBOX!, es ist die Premiere. Das Publikum ist so gemischt, wie die Personen in ihrem neuen Buch - gestandene, ja auch alt gewordene Feministinnen und junge Frauen, die heute vielfach die feministischen Diskurse bestimmen. Diese Melange, wie die in Wien aufgewachsene Schriftstellerin und Journalistin vielleicht sagen würde, hat sie gereizt. Ihr selbstgesetzter Auftrag: frauenbewegte Anliegen von einst mit den feministischen Debatten von heute gegenzuchecken - im Dialog mit mehr oder weniger prominenten Feministinnen um die 30. „Sie könnten alle meine Enkelinnen sein,“ sagt Erica Fischer oben auf der kleinen Bühne. Der Schalk blitzt ihr aus den Augen.

Katrin Rönicke lernte sie beim Weihnachtsessen des Journalistinnenbundes kennen. Hengameh Yahgoobifarah hörte sie das erste Mal bei einer feministischen Veranstaltung, traute sich aber nicht so recht sie anzusprechen. Parisa Madani traf sie bei einem Barcamp und saß neben ihr in deren Session zu Cis- und Trans*frauen. Sie bat Mithu Sanyal um ein Interview, weil sie wissbegierig war auf ihren „neuen kritischen Umgang mit der eingeschliffenen Vergewaltigungsdebatte“. Und sie traf das erste Mal eine Sexarbeiterin zum Gespräch, und war beeindruckt "von Marleens kühler Selbstverständlichkeit, mit der sie über ihre Arbeit spricht“. Kunstvoll verknüpft Erica Fischer Portraits der Frauen mit Interviewteilen, setzt ihre eigenen Erlebnisse dagegen, fügt Erläuterungen ein, wo es nötig ist.

"Ich bin immer glücklicher geworden"

Buchcover / Berlin-Verlag

Erica Fischer geht auf die Jüngeren zu, oft zögert sie, weil sie fürchtet, aufgrund ihres Alters abgelehnt zu werden. Doch dann erlebt sie eine freundliche Offenheit, was auch daran liegt, dass sie als die Ältere sich nicht nur neugierig zeigt, sondern auch Lernbereitschaft signalisiert. Warum denkst du so, warum bist du so – ich erzähle dir wo ich stehe, wie ich dazu gekommen bin. Dieser Prozess der persönlichen wie auch der politischen Annäherung ist ausgesprochen erhellend. Es ist der rote Faden durch das Buch.

Erica Fischer schlägt eine Brücke zwischen den Generationen. Wir hatten doch immer schon gesagt "Wir müssen reden" ist ein gutes Prinzip. Beispielgebend führt sie uns vor, wie ertragreich solche Begegnungen sind. "Ich bin immer glücklicher geworden", bringt sie den Gedankenaustausch auf den Punkt.

Während ich durch ihr Buch so viel Neues erfahre - persönlich gefärbte Erinnerungen an den Aufbruch der Frauen in den 1970/80er Jahren bis hin zu hintergründigen Einsichten von heute, kommen mir unerfreuliche Erfahrungen unter Feministinnen in den Sinn. Ich möchte allen "Feminismus revisited" als Aufforderung unter die Nase halten - hier lies und mach es nach. Die Frauen ihrer Generation sollten nicht so tun, als hätte es nach ihnen keine Frauenbewegung mehr gegeben und die Jüngeren sollten nicht glauben, dass sie den Feminismus erfunden hätten.
 
Feminismus revisited
Erica Fischer
EAN 978-3-8270-1387-3 

Im Mai wird jb-Kollegin Magdalena Kemper im Buchhändlerkeller in Berlin-Charlottenburg Erica Fischer zu einem Gespräch über ihre langjährige Schriftstellerinnenkarriere begrüßen.
5. Mai, 17 Uhr, Carmerstr. 1, 10623 Berlin

Erica Fischer geht auf Lesereise:
  • 22. März  Leipziger Buchmesse
  • 27. März  Kulturbrauerei Berlin 
  • 1. April  Stadtbibliothek Cottbus
  • 3. April  Volkshochschule Konstanz 

Weitere Termine auf der Verlagsseite 


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