Eine nahezu paritätische Speakerliste - die weltweit wichtigste Konferenz für Investigativjournalismus hat es hinbekommen, Frauen und Männern gleichermaßen auf die Podien zu setzen. Es gibt also genügend kompetente Journalistinnen, die man(n) zu Wort kommen lassen kann - und die dem Ruf dann auch folgen. Die Sensibilisierung für das Thema steigt. Dennoch bleibt noch einiges gegen Diskriminierung zu tun, auch intersektionell.
401 Speaker:innen waren zur GIJC19 geladen, knapp die Hälfte davon weiblich. Ich als Frau fand das (leider außergewöhnlich) bemerkenswert. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass es den Organisator:innen der Konferenz wichtig war, auch auf die Parität in den Panels zu achten. Es gab zwar einige Veranstaltungen mit rein männlicher Besetzung, aber ebenso auch Diskussionsrunden und Workshops, die ausschließlich von Frauen moderiert und abgehalten wurden.
Most of the panels I visited at #GIJC19 consisted of more female than male journalists. So inspiring to see so many badass #women from all over the world! 💪🏼👩🏽💻🕵️♀️ Keep it up @gijn!— Pia Dangelmayer (@piarennt) September 28, 2019
Meine Meinung teilten auch andere Frauen, mit denen ich sprach, unter anderem Pia Dangelmayer, Reporterin im Investigativteam des Bayerischen Rundfunks. Sie fand es "super", dass es auf dieser Konferenz so viele Panels gab, in denen Frauen aus verschiedenen Ländern saßen, denn: “Klar ist es wichtig, dass wir darüber sprechen: Welche Rollen haben Frauen? Aber das Wichtigste ist, dass diese Vorbilder da vorne sitzen und reden. Wir hatten vor zwei Jahren bei Netzwerk Recherche die Diskussion, warum so wenige Frauen auf den Panels sitzen und warum es so wenige Frauen im investigativen Journalismus gibt. Das ist gar nicht so, aber sie sind oft nicht sichtbar, weil sie nicht so die Alphatiere sind, die sagen: ‘Ich mache so geile Arbeit und setze mich in die erste Reihe.’”
Nicht nur Speaker:innen - auch Worte besser wählen
Während die Geschlechterparität der Panels allgemein gelobt wurde, machte Caelainn Barr vom britischen Guardian auf eine Panelbeschreibung in der Konferenzapp Whova aufmerksam. Die Veranstaltung mit dem Titel “How to Do Hard Stories on Soft Issues” (dt. Wie man harte Geschichten über weiche Themen schreibt) listete unter anderem den Kampf für die Gleichberechtigung der LGBTQ-Gemeinschaft, Rassismus, sexuellen Missbrauch oder Mobbing am Arbeitsplatz als ‘weiche Themen’ auf. Diese als weiche Themen zu betrachten, denen wir nicht die gleiche Zeit als investigative Reporter:innen widmen sollten, sei wirklich problematisch, sagte Barr: “Es ist eine sehr männliche Sicht der Welt auf das, was ‘hart’ und ‘weich’ ist, und ich denke, wir müssen da wirklich vorsichtig sein, selbst bei der Beschreibung der Panels. Ich verstehe, dass diese Konferenz ein Spiegelbild der gesamten Branche ist, aber ich denke, dass wir uns bewusst sein müssen, wie wir die Dinge angehen”.
So viele inspirierende investigative Journalist*innen ❤ Das war das beste Panel, das ich seit Langem erlebt habe. Danke #GIJC2019 pic.twitter.com/9N5rF3Ek41— Eva Przybyla (@EvaSheshe) September 28, 2019
Daniel Drepper, Chefredakteur von BuzzFeed Deutschland und verantwortlich für die Beschreibung, äußerte dazu, dass die Überschrift tatsächlich etwas verkürzt gewesen sei: “Ein ‘allegedly soft issues’ oder ‘issues that are often wrongfully perceived as soft’ wäre besser und weniger missverständlich gewesen”. Die ganze Veranstaltung habe sich darum gedreht, dass diese Themen eben nicht weich seien, sondern genauso hart recherchiert werden sollten wie die klassischen Themen in einer männlich-dominierten Investigativ-Welt: Korruption oder Wirtschaftskriminalität. “Bei BuzzFeed News Deutschland machen mein kleines Team - Juliane Löffler, Pascale Müller, Marcus Engert und ich - seit gut zwei Jahren genau das: Themen, über die manch andere Redaktionen unserer Ansicht nach nicht häufig genug berichten, hart und politisch zu recherchieren. Dazu gehören LGBT*, Frauenrechte, sexualisierte Gewalt, Arbeitsbedingungen”, so Drepper.
Jede Form von Diskriminierung muss aufhören
Natürlich reicht es nicht aus, dass Frauen gerecht repräsentiert sind und Veranstaltungsbeschreibungen sensibel formuliert werden. Bei einer globalen Konferenz mit mehr als 1.600 Teilnehmer:innen aus über 130 Ländern fallen noch ganz andere Missstände ins Auge. Neben Sexismus bleiben immer Probleme wie Rassismus und Klassismus, oder wie die Kollegin Sibongakonke Mama aus Südafrika es ausdrückte: “Die Definition und das Verständnis dessen, was es bedeutet, echten investigativen Journalismus zu betreiben, ist sehr verzerrt und sehr stark geprägt von einem kapitalistischen, heterosexuellen und patriarchalischen Sexismus, Rassismus und Klassismus. Und diese Konferenz trägt die Verantwortung dafür, dass sich das ändert.”
Das Ringen um die gerechte Repräsentation aller, nicht nur der Frauen, ist also auch im Journalismus noch nicht vorbei.
Unsere Gastautorin
Lena Sünderbruch ist Nachrichtensprecherin, Reporterin und Autorin beim NDR und in der ZDF heute-Redaktion. Sie studierte Politik- und Kommunikationswissenschaft in Münster und ist Mentee des Journalistinnenbundes im Jahrgang 2019/20. Die freie crossmediale Journalistin interessiert sich besonders für eine bessere Gesellschaft, Geschlechtergerechtigkeit und die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Sie twittert unter @LSuenderbruch.
Vielen Dank für den Bericht!Die Bezeichnungen "harte" und "weiche" Themen gehören schon lange in die Mottenkiste des Journalismus. Hoffentlich sterben sie aus, wie U- und E-Musik. Aufklärung bedeutet immer viel Arbeit und ist nie nett und easy. So einfach ist's.
AntwortenLöschenDanke für das Feedback!
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