Dienstag, 28. April 2020

Auftragseinbruch versus "viel zu viel zu tun" - Eine Freie und eine Führungskraft berichten

Journalistisch arbeiten in Corona-Zeiten: "Wie geht es dir beruflich?" haben wir jb-Kolleginnen gefragt. So unterschiedlich Jobpositionen sind, so verschieden fallen die anonymisierten Antworten aus, die wir zu einer dreiteiligen Miniserie zusammengestellt haben.

Leere Konferenzräume - Ganze Redaktionen arbeiten im Homeoffice / Foto: Drew Beamer by unsplash.com


Den einen brechen sämtliche Aufträge weg. Die anderen brechen vor lauter Mehrarbeit fast zusammen. Die Pandemie ist nicht gerecht. Aber wir müssen uns bewähren, als Freie irgendwie die Existenz sichern, als Führungskraft perfekt funktionieren: jetzt wo alle mehr Medien konsumieren und verläßliche Informationen benötigen. Zwei Berichte von Gastautorinnen aus unterschiedlichem Blickwinkel.


Freie Journalistin für Print, Radio und Online-Video


Anfangs habe ich das gar nicht kommen sehen, dass ich mich arbeitslos melden würde. Die Ausfälle und die Erkenntnis kamen in Wellen. Veranstaltungen sind ein großer Teil meiner Berichterstattung als freie Journalistin – nicht nur unmittelbar, sondern auch für Recherchen und Interviews für spätere Geschichten. Als sie abgesagt wurden, waren gegenwärtige und zukünftige Aufträge futsch – und noch dazu einige Tage bereits geleisteter Recherche. Ausfallhonorare gibt es keine , weil nicht die Redaktionen Aufträge storniert haben, sondern ich nicht leisten kann.

Halb so schlimm, dachte ich, denn viele Recherchen und Gespräche laufen über Netz und Telefon. Nur hatten meine Gesprächspartner*innen in der Wirtschaft jetzt oft anderes zu tun – Termine wurden geschoben, fielen aus. Es dauerte länger, die Geschichten zu produzieren. Das würde sich normalisieren, dachte ich.

Redaktionen auf Sparkurs


Was ich blauäugig gar nicht hatte kommen sehen, war, dass Redaktionen – obwohl nun alle Welt mehr Informationen liest, hört und guckt – wegen Anzeigeneinbruch jetzt sparen. So auch meine. Eine Redakteurin in Kurzarbeit im Homeoffice sagte mir ganz offen, der Verlag habe schon mal nachgefragt, ob es Content auch „irgendwo umsonst“ gäbe statt bei bezahlten Autor*innen. Und  auch die Honorare seien nun unter Druck, obwohl bereits seit Jahren nicht erhöht. Alle Geschichten, die zwar mit ihr angedacht, aber nicht fest beauftragt waren, sind nun auf unbestimmte Zeit verschoben.

Als ich dann mitbekam, welch Redaktionen nun auch noch an Kurzarbeit denken, welche Programme gekürzt oder zusammengelegt wurden, dämmerte mir, dass es vermutlich ein schlechter Zeitpunkt wäre, mir neue Auftraggeber zu erschließen. Soforthilfen bekomme ich keine, weil mein Konto dafür nicht leer genug ist. Und wenn es das dann ist, sind die Hilfen vermutlich schon aufgebraucht. Klingt wie ein Luxusproblem – aber das Ersparte auf meinem Konto sollte eigentlich in meine langfristige Absicherung fließen.

Auf zur Arbeitsagentur


Glücklicherweise besitze ich tatsächlich die Arbeitslosenversicherung für Selbständige, die es nur unter bestimmten Umständen gibt. Und weil ich in dieser wechselhaften Branche früher festangestellt war, kenne ich mich auch bereits mit der Arbeitsagentur aus. Die Meldung ging diesmal telefonisch – und ich hatte ein wirklich nettes Gespräch mit der Dame im Homeoffice. Im Hintergrund krähten die Kinder.

Dann flatterte mir ein Standardschreiben ins Haus, wo ich ankreuzen kann, dass ich keinen Unterstützungsbedarf habe, weil ich „davon ausgehe, dass ich in den nächsten 3 Monaten in Arbeit sein werde“. Die Vorhersage fällt mir in der aktuellen Situation natürlich etwas schwer. Außerdem kann ich angeben, ob ich „aufgrund der aktuellen Situation vorübergehend eine Tätigkeit in einem systemrelevanten Bereich (Verkauf, Kasse, Lager und Logistik etc.) auszuüben“ bereit bin.


Das Beste daraus machen


Ich überlege, ob das vielleicht eine Selbsterfahrungs-Reportage wäre, ob die Gesellschaft da wirklich meine Arbeitskraft braucht oder ob es dann nicht noch länger dauert, bis ich im Journalismus wieder gut im Geschäft oder in einem neuen Job bin. Außerdem werde ich darauf hingewiesen, dass, falls ich Kinder habe, „auch zu Ferienzeiten“ die Kinderbetreuung sichergestellt sein muss. An dem Punkt haben sie das Papier wohl nicht aktualisiert – oder nicht nachgedacht. Immerhin: Die Regel, dass Selbständige die Versicherung nur zweimal in Anspruch nehmen können und dann rausfallen, haben sie für Pandemiezeiten gekippt.


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Führungskraft in einem Radiosender


Corona-Task-Force, Abstandsregeln, Homeoffice, Erweiterung der IT – die Rede darüber kam schnell auf, aber doch für mich sehr abstrakt, unwirklich. Sollte es wirklich so schlimm kommen?

Im Strudel der Ereignisse


Dann aber entschied die Geschäftsleitung, dass wir am besten innerhalb von drei Tagen das komplette Programm umstellen sollten und ich war mitten drin im Strudel der Ereignisse. Ziel der Operation: die Mitarbeiter*innen schützen, die Sendesicherheit gewährleisten. Das Mittel dazu: Wenige Leute im Newsroom und im Sendestudio, der Großteil der Redaktionen in Einzelbüros oder im Homeoffice.

Beim unmittelbaren Programmumbau waren wir im Wesentlichen zu dritt, haben neue und längere Sendeflächen geschaffen, neue Dienste und die Pläne dazu erfunden, im Akkord Leute abtelefoniert, ob sie diesen oder jenen Job übernehmen könnten, Räume umgestaltet und die Honorierung geklärt, den Redaktionsassistentinnen neue Abläufe zugemutet und Info-Mails an alle geschrieben. Ein Großteil der Arbeit ist Kommunikation: rein sachliche Fragen wie z.B. technische Zugänge und Schwierigkeiten. Es geht aber auch um Ängste, wie die vor einer Ansteckung, vor dem Verlust des gewohnten Jobs und der Honorare oder um die Besorgnis, ob der Sender die Krise nutzen würde, um eine lang geplante Reform umzusetzen. Dies ist aber nicht der Fall.

Dauerhaft angespannt


In 25 Jahren im Beruf habe ich bei manchem aktuellen Ereignis meine Frau gestanden, rund um die Uhr gearbeitet und anschließend zufrieden auf den Erfolg geblickt. Das Besondere dieser Krise und damit das Zermürbende aber ist die Dauer. Wenn jetzt die Beschränkungen des öffentlichen Lebens gelockert werden, dann stellen wir uns darauf ein, dass die Gefahr für die Mitarbeiter*innen und für die Sendesicherheit größer werden könnte. Von Entspannung keine Spur.


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Miniserie "Wie geht es dir beruflich?"

Montag, 27.4.2020:
Homeschooling und Homeoffice – immer ein schlechtes Gewissen

Dienstag, 28.4.2020:
Auftragseinbruch versus viel zu viel zu tun – Eine Freie und eine Führungskraft berichten


Mittwoch, 29.4.2020:
Krise als Chance: Digitales Empowerment – Zwei Journalistinnen über das Abenteuer Online-Schulung

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