Mittwoch, 10. Dezember 2008

my home, my castle, my pendlerpauschale

VON CRASSIDA

Warum soll die Steuergemeinschaft eine ökologisch so unsinnige und Stadtbewohnern gegenüber ungerechte Subvention finanzieren? Unterstützen, dass – wie etwa in München -weiterhin jeden Morgen eine halbe Million Autos – zu 90% immer nur mit einer (!) Person besetzt – sternförmig auf die Stadt zufahren? Dass die Leute abends im dichten Verkehr 90 Minuten nach Haus brauchen und danach zu nichts mehr zu gebrauchen sind?

In Großstädten wohnen viele gut ausgebildete Singles, Paare, Familien, die sich oft nicht mal die Hälfte des Wohnraums leisten können wie jene auf dem Land. Typisches Beispiel München: Eltern voll arbeitende Akademiker, zwei Kinder, wohnen beengt zur Miete, drei Zimmer für 1200 Euro (!). Eigentum für die meisten undenkbar. Kitas sind rar und kosten oft mehrere hundert Euro. Wer ein Auto hat, findet keinen Parkplatz oder muss Gebühren zahlen, fährt stattdessen Fahrrad oder teilt sich eine Monatskarte. Von den Lebensmitteln über die Mülltonne bis zum Wein in der Kneipe sind die Preise weit teurer als in kleinen Orten.

Typisches Beispiel bayerisches Land: Vater Handwerker oder Facharbeiter, Mutter Halbtagsstelle, zwei Kinder, wohnen im eigenen zweistöckigen Haus mit Balkonen, Terrasse und Wiese. Als Ortsansässige kamen sie dafür an ein subventioniertes Grundstück, gebaut haben sie über mehrere Jahre mit Hilfe von Verwandten und Nachbarn, vieles lief schwarz. Die Familie hat zwei Autos, der Vater fährt damit morgens 70 Kilometer zur Arbeit nach München, Mutter 15 Kilometer. Es gibt freie und meist kostenlose Kindergartenplätze.

Statt die Pendlerpauschale wieder für alle einzuführen, sollten sich die Landbewohner in ihren luftigen Häusern etwas einfallen lassen: Fahrgemeinschaften bilden, Verkehrsräte wählen, sich mit Nachbarorten verknüpfen, Jobsuchende oder Rentner einstellen, die die Menschen in Kleinbussen zur nächsten S-Bahn fahren und abends wieder einsammeln; Pendelbusse einrichten, die stündlich über die Dörfer fahren. Bedarf ermitteln, Pläne machen, dann öffentliche Gelder für öffentlichen Verkehr fordern.
Das Verfassungsgericht hat bei seinem Urteil betont, dass es sich bei den Wegekosten um "gemischte" Aufwendungen handelt, dass also sowohl private wie berufliche Gründe dafür verantwortlich sind, wie fern jemand von seiner Arbeitsstätte wohnt. Je weiter also entfernt, desto mehr Privatvergnügen. Ich habe keine Lust, die gepflegten Autos der Familien in den wuchtigen Neubausiedlungen bayerischer Dörfer zu subventionieren und plädiere für die Abschaffung jeglicher Pendlerpauschale.

4 Kommentare

  1. Dennoch widersprach die Neuregelung ab 1. Januar 2007 schlicht der verfassungsrechtlich gesicherten Gleichbehandlung aller Bürger. Pendlerpauschale ab dem 1. Kilometer ist nur fair - die höheren Spritpreise, längeren Fahrtwege und größeren Aufwendungen haben die Landbewohner ja immer noch. Und ein Großteil der Bundesbürger hat durchaus ein ökologisches Gewissen - und bildet Fahrgemeinschaften oder nutzt eh den ÖVP. Denn in vielen deutschen Großstädten findet man a. keinen bezahlbaren Parkplatz b. kommt man ab 1.Januar 2009 ohne Umweltplakette gar nciht erst rein.

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  2. Die alte, wieder einzuführende Pendlerpauschale gilt ja auch für alle, die in der Stadt wohnen, mit den öffentlichen und dem Rad fahren und diese Kilometer zur Arbeit ebenfalls absetzen können. Also nicht immer nur die auf Landbewohnerinnen und -bewohner schimpfen ;-) Katrin aus Berlin

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  3. Die CSU hatte ja bei der Pendlerpauschale ein bravouröses Wendemanöver hingelegt - und damit nahezu posthum (der Verlust der Mehrheit ist in Bayern ein bisschen wie Sterben) nicht in Flensburg sondern vor dem Bundesverfassungsgericht gepunktet. Und wer schlüpft da heute neben mir nahezu unerkannt nicht in eine Parklücke sondern aus der Münchner U-Bahn am Max-Weber-Platz? Ex-Parteichef und -Finanzminister Erwin Huber - vermutlich auf dem Weg ins Maximilianeum. Sappralott - da könnte man doch glatt "Pauschal-Urteile" revidieren.

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  4. Also ich finde den Artikel sehr richtig.

    Zu Tina: "Die höheren Spritpreise, längeren Fahrtwege und größeren Aufwendungen haben die Landbewohner ja immernoch". Nein, genau das ist es nicht - die höheren Aufwendungen hat die Landbevölkerung IN SUMME nämlich nicht! Die Landbevölkerung zahlt weniger für Wohnen, Kindergarten u.ä. dafür mehr fürs Auto. Stadtbevölkerung zahlt mehr fürs Wohnen, Kinderbetreuung etc. dafür weniger fürs Auto. --- Warum sollte das, wo die Landbevölkerung Nachteile hat, subventioniert werden, das wo die Stadtbevölkerung Nachteile hat hingegen privat bezahlt werden? Wo doch die Stadtbevölkerung durch im Schnitt weniger Wohnfläche und geringere Wege auch für das Einkaufen und Freitzeitaktivitäten die Umwelt viel stärker entlastet als die Landbevölkerung? Das verstehe ich nicht.

    -- Katrin: Das oben gesagte gilt auch für Deinen Kommentar. Warum bekomme ich das, was für mich billig ist, subventioniert, das was für mich teuer ist nicht? Bei der Landbevölkerung ist es doch genau andersrum. Wir versuchen immer wieder neu (z.B. durch Umzüzge), Arbeit und Privatleben unter einen Hut zu bringen und beide Fahrtwege zu verkürzen. Warum werden sollten die anderen Leute dafür belohnt werden, dass sie das nicht tun?

    -- Genau richtig steht es im Urteil: Es hat immer auch private Gründe, nicht umzuziehen. Das Netzwerk, das für Kinderbetreuung, Hilfe beim Häuslebau etc. sorgt ist bei der Entscheidung, lange Wege zur Arbeit in Kauf zu nehmen, immer mit dabei. Da sollte doch mal jeder selbst entscheiden, ob er lieber die Oma um die Ecke unbezahlt auf die Kinder aufpassen läßt und dafür sich die Fahrt zur Arbeit ausdehnt oder eben der Babysitter für Geld engagiert wird und die Fahrt dadurch geringer ist...

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