Dienstag, 16. Juni 2009
Mal eben in Teheran aufs Dach steigen
Illu: twitpic.com
Gestern abend, Tagesthemen, - ein Armutszeugnis für die ARD.
Tom Buhrow sagt zu Beginn der Sendung nicht etwa „wir haben wie viele andere Sendeanstalten leider keine Bilder aus Teheran, weil unsere Korrespondenten an der Arbeit gehindert werden und greifen deshalb auf die Nachrichtenkanäle des Internets zurück.“ Nein, er sagt voller Stolz: „Wir zeigen Ihnen jetzt Bilder, die bisher nur im Internet zu sehen waren!“ Junge, die Bilder und Handyfilme hatte ich längst gesehen, jeder hatte sie längst sehen können.
Besser auch nicht der Beitrag von Peter Mezger, der seit Tagen in seinem Büro in Teheran festsitzt. Er betont, dass er dennoch über viele Informationskanäle verfüge und gibt eine absurd falsche Einschätzung der Lage zum Besten: „Die Lage hat sich sehr entspannt“, meint er. „Die meisten Leute sind längst zu Haus und im Bett. Sie sind aber vorher noch mal aufs Dach gestiegen und haben ´Tod dem Diktator` gerufen.“ Von den Milizen sei tagsüber gar nichts zu sehen und zu hören gewesen. Buhrow fragt nach dem Techniker der ARD, der in Haft genommen worden war. Mezger: „Er ist wieder da … sieht dementsprechend aus, aber wir gehen davon aus, morgen wieder zu drehen.“ Wurde er geschlagen, gefoltert oder war er nur dreckig? Buhrow fragt nicht nach.
Am Morgen meldet das Morgenmagazin von ARD und ZDF „es gab wieder schwere Ausschreitungen in der Nacht“. Phoenix glänzt mit stundenlanger fundierter Berichterstattung, die BBC bittet auf twitter die Prostestierenden in Iran immer wieder um Kontaktaufnahme.
Internet und Mobilfunk zeigen bei diesem Drama zum ersten Mal in vollem Umfang die Grenzen der herkömmlichen Medien.
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Journalistin, Sachbuchautorin, Freischreiberin in München. Fühlt sich als fünfte von sechs Schwestern in Frauenrunden besonders wohl. Verlernt nie, sich über Ungerechtigkeiten zu empören. Schreibt entsprechend quer durch die Gesellschaft - analysiert, begeistert sich und spottet gern, im Watch-Salon wie auf Twitter.
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Gut, dass Web 2.0 Informationen bietet, die das iranische Fernsehen Press TV verschweigt. Gut, dass Millionen junger Leute in den Städten moderne Medien (Handy, PC) beherrschen. Schlecht, dass sich digitale Gräben durch das Land ziehen, denn rund 1/3 lebt auf dem Land, i.d.R. ohne Internet. Selbst in den Städten können sich 1/4 keine neuen Medien leisten, bzw. es fehlt an dem technischen Know How. Bleibt zu hoffen, dass die digitale Welle den Diktatoren den Boden unter den Füßen wegschwemmt.
AntwortenLöschenManchmal hilft ein Brief, die Lage aufzuhellen, wie der Hilferuf aus dem Iran, der bei Emma eingegangen ist. Ich möchte die freiheitsliebenden IranerInnen unterstützen - gibt es schon Initiativen? Unterschriftenlisten? Spendenkonten?
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