Freitag, 6. Februar 2015

Churchills Decoderinnen brechen ihr Schweigen

The Bletchley Girls von Tessa Dunlop Foto: Stadlmayer


Im Oscar-nominierten Film "The Imitation Game" spielt Keira Knightley das Mathe-Genie Joan Clark. Als einzige Frau im Team von Alan Turing hilft sie die Enigma-Codes der deutschen Wehrmacht zu entschlüsseln. Soweit der Film. In Wirklichkeit arbeiteten neben Clark sehr viele Frauen daran, die Nachrichten des deutschen Militärs zu decodierten. Zwei Drittel der 12.000 Leute, die auf dem Bletchley-Park-Gelände Nachrichten abhörten und Codes entzifferten, waren Frauen.

Der damalige Premierminister Winston Churchill nannte Bletchley Park "eine Gans, die goldene Eier legt, aber niemals gackert". Alle Decoderinnen mussten sich verpflichten, mit niemandem über ihre streng geheime Arbeit zu sprechen. Nach Kriegsende galt das Redeverbot dreißig Jahre weiter, nicht einmal die Ehemänner und Kinder der Frauen erfuhren von deren geheimer Mission. Deshalb wusste auch in Großbritannien bis vor Kurzem kaum jemand etwas über die so genannten "Bletchleyettes". Erst 2009 wurden sie von der Regierung für ihre Dienste geehrt. Obwohl durch ihre Arbeit der Krieg um mindestens zwei Jahre verkürzt worden war, bekamen sie keine Orden, sondern lediglich gold-blaue Anstecknadeln. 2009 war übrigens auch das Jahr, in dem die Queen Alan Turing posthum begnadigte. Er war nach dem Krieg wegen seiner Homosexualität verurteilt worden und hatte sich zwei Jahre später umgebracht .

Jetzt  sind endlich zwei  Bücher erschienen, die den  Beitrag der Frauen zum Sieg über Nazi-Deutschland ins rechte  Licht rücken: "The Bletchley Girls"  von Tessa Dunlop und "The Debs Of Bletchley Park" (Die Debütantinnen von Bletchley Park) von Michael Smith. Beide Titel führen etwas in die Irre: Viele Decoderinnen waren gestandene Frauen und keine "girls" und nur einige von ihnen waren Debütantinnen, also junge Frauen, die zur gehobenen Gesellschaft gehörten. In Dunlops Buch geht es in erster Linie um die Frauen und ihre Lebensläufe, Smith legt mehr Wert auf die historische Einordnung - aber beide Bücher sind sehr lesenswert.


Pat Davies. Foto: ChiswickW4

Die Journalistin und Film-Produzentin  Pat Davies war zu Kriegsbeginn bereits Marine-Offizierin. "Ich habe von den österreichischen Köchinnen meines Großvaters Deutsch gelernt", erzählt sie.  Deshalb bekam sie bei der Marine den Auftrag, die Funksprüche der Deutschen abzuhören. "Nach dem Krieg sollten wir einfach zu unserem zivilen Leben zurück kehren", erzählt Davies: "Keine von uns ist so berühmt geworden wie Alan Turing." Die fitte 91-jährige ist eine von 15 ehemaligen Decoderinnen, die Dulop interviewt hat. "Sie wurden aus der Geschichte weggewischt, weil sie keine Stars waren, sondern Arbeitsbienen", sagte die Autorin bei der Vorstellung ihres Buches.


Auf der Enigma-Maschine trockneten die Unterhosen

 

Einige Bletchley-Frauen wohnten privat in der Nachbarschaft, andere waren in Hütten auf dem Gelände untergebracht. Betty Balfour, heute 88, arbeitete im Team von Alan Turing. Sie erzählt: "Während der Nachtschichten war die Enigma-Maschine das einzige warme Ding im Raum, deshalb trockneten wir unsere gewaschenen Unterhosen und BHs auf ihr." Auf dem Bletchley-Gelände ging es abends durchaus lustig zu, es gab Konzerte und Partys. Einige Bletchley-Frauen lernten dort ihre zukünftigen Ehemänner kennen.

Die Aufgaben der Frauen waren sehr unterschiedlich: Wer mathematisch gebildet war, half beim Knacken der Codes, wer Deutsch konnte, übersetzte die abgefangenen Meldungen. Viele Frauen waren damit beschäftigt, mithilfe der geknackten Codes die verschlüssselten Meldungen in eine lesbare Form zu bringen.

Jean Pitt-Lewis war erst 17, als sie für den Geheimdienst rekrutiert wurde. Sie arbeitete bei dem Wissenschaftler Dilly Knox, der ein reines Frauen-Team zusammen gestellt hatte. "Man kann sich besser konzentrieren, wenn keine Männer dabei sind", begründet sie den Erfolg  ihres Teams. Einige Frauen hätten Hosen getragen und Pfeife geraucht, erinnert sich Pitt-Lewis, das sei damals sehr ungewöhnlich gewesen. Trotzdem war es mit der Gleichberechtigung nicht weit her: Die Frauen wurden für die gleiche Arbeit deutlich schlechter bezahlt als die Männer.

Jane Fawcett, heute 93, war eine der wohlhabenden Debütantinnen, die Smith interviewte. Sie musste deutsche Radionachrichten abhören und Informationen heraus filtern. Nachdem der Code der deutschen Enigma-Maschine geknackt war, musste sie die dechiffrierten Nachrichten abtippen und herausfinden, was die Deutschen planten. Fawcett erinnert sich, dass sie eine Meldung bekam, in der ein Kapitän berichtete, dass sein Schiff, die "Bismarck", nach Brest unterwegs sei. So erfuhren die Briten, wo das Schiff war und versenkten es. "Es war eine Tragödie, 2000 Menschen starben", sagt Fawcett. Trotzdem ist sie stolz auf ihre Arbeit: "Wir haben Millionen Menschenleben gerettet, wir hatten einen Job zu machen und wir haben ihn gemacht."

Nach dem Krieg trennten sich die Wege der "Bletchleyettes". Viele heirateten und wurden Hausfrauen, einige machten beim Militär Karriere. Jane Fawcett wurde eine bekannte Sängerin. Über Alan Turing sagt sie: "Er wird ein wenig überbewertet, andere haben das selbe gemacht wie er". 

Kommentare

  1. Tina Kommentar

    Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag. Typisch, die Leistung der Männer wurde hymnisch gelobt, Frauen waren auch dabei, sogar in der Mehrzahl - uninteressant.
    Hoffentlich lesen diesen Hinweis auf die Publikationen wenigstens auch ein paar Männer ...

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