Elke Ambergs Reisebericht aus Tibet weckt Entdeckerinnengeist - schon auf dem Sofa Foto: Gabriele Loges |
Wie steht es eigentlich mit der Gleichberechtigung in Tibet? Tja ... bis vor kurzem hätte ich keine Antwort auf diese Frage gehabt, und ich halte mich eigentlich für recht weltgewandt. Die chinesische Zensurbehörde hält ihren Daumen eisern auf alles, was das besetzte Land im Himalaya angeht, und selbst Tibet-Tourist*innen sehen meist nur das, was ihr Guide will: die großen Sehenswürdigkeiten, die schöne Landschaft und jede Menge Yaks.
JB-Mitglied Elke Amberg blickte hinter diesen Vorhang aus Schweigen: Zusammen mit ihrer Freundin hat sie eine Individualtour aufs Dach der Welt gemacht und einen ungewöhnlichen, sehr persönlichen und spannenden Reisebericht darüber geschrieben.
Tibet ist für viele Frauen ein Wunschziel: Gerade solche, die auf der Suche nach Spiritualität sind, finden oft zum Buddhismus und Tibets Hauptstadt Lhasa ist dessen religiöses Zentrum, auch wenn der Dalai Lama längst von den Chinesen vertrieben wurde. Aber warum eigentlich? Laut der traditionellen buddhistischen Lehre haben wir von Hause aus mieses Karma und sind zum Dienen geboren.
Diese und andere Fragen stellte sich auch Elke Amberg, als sie sich auf den verwaltungstechnisch schwierigen Weg in das Himalaya-Land machte. Der Buddhismus ist aber gar nicht die ursprüngliche Religion Tibets: Bön, ein uralter, polytheistischer Glaube mit zahlreichen mächtigen Göttinnen, beherrschte das Land schon lange, bevor Buddhas Lehren sich hier durchsetzten. Auf der Suche nach diesen Göttinnen, allen voran Palden Lhamo, der furchterregenden Schutzgöttin Tibets, erkundete Amberg eine ganze Reihe Klöster, unbekannter Berggipfel und heiliger Seen.
Zwischen Trekkingerlebnissen mit "Yak-Mann" und gelegentlichen Anfällen von Höhenkrankheit und Unterbringungen mit mehr als zweifelhaften Hygieneverhältnissen endeckte sie dabei noch eine andere unbekannte Welt: die der modernen tibetischen Frauen. Jigme, die junge Touristenführerin, die seit früher Jugend ihre verwitwete Mutter und mehrere Geschwister ernähren musste, gibt für die beiden Reisenden, wie für die Leserin, den Blick hinter Kulissen frei und sorgt noch für Überraschungen: Wer im Westen kennt schon die tibetische Tradition der Brüderehe, bei der eine Frau aus Gründen der Vermögenssicherung mehrere Brüder heiratet - und auch allen sexuell zur Verfügung stehen muss?
Man kann Ambergs Buch lesen wie einen Reisebericht aus vergangenen Jahrhunderten und den beiden Abenteurerinnen, ihrer einheimischen Führerin und zahlreichen kurzfristigen Weggefährten in eine fremde Welt voller Wunder und Seltsamkeiten folgen. Dabei verliert die Autorin allerdings nie den kritischen, feministischen Blick auf die Problematik. So ist ihr Bericht auf jeden Fall eine spannende Lektüre für die Entdeckerin von heute.
Elke Amberg: Berge, Bön und Buttertee - Reise ins Tibet der Frauen. Ulrike Helmer Verlag, 19,95 Euro
Morgen rezensiert Magdalena Köster: Anja Reschke (Hg.): "Und das ist erst der Anfang - Deutschland und die Flüchtlinge"
7 Tage, 7 Bücher:
#1: Christine Olderdissen über „Hack’s selbst – Digitales Do it yourself für Mädchen“
#2: Tina Stadlmayer über "Spuren - Eine Reise durch Australien"
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