Vier-Frauen-Familie: Eva (Emilia Schüle), Monika (Sonja Gerhardt), Mutter Caterina (Claudia Michelsen) und Helga (Maria Ehrlich) v. l. n. r. Copyright: ZDF / Stefan Erhard |
Fundsache: Ku'damm 56. Caterina Schöllack, Leiterin der Tanzschule Galant am Berliner Kurfürstendamm wünscht sich eigentlich nichts anderes, als ihre drei Töchter gut zu verheiraten. Besonders Monika, die Jüngste, macht es ihr dabei schwer, zumal sie nicht zur Hauswirtschaft taugt.
Über drei 90-minütige Episoden entfaltet sich ein Sittengemälde, das kaum düsterer sein könnte, besonders aus der Sicht der drei jungen Frauen: Helga (Maria Ehrich), die Älteste, beginnt als strahlende Braut und muss bald lernen, was es heißt, einem Mann untertan zu sein, Zweitgeborene Eva (Emilia Schüle) arbeitet als Krankenschwester in einer Nervenheilanstalt, die sich auf die Behandlung "hysterischer Frauen" spezialisiert hat.
Nesthäkchen Monika (Sonja Gerhardt) möchte am liebsten nur tanzen - aber keine braven Standardtänze, sondern Rock'n'Roll, die neue Mode aus Amerika, die der gestrengen Mutter als sitten- und zügellos, ja "Aufforderung zum Beischlaf" gilt.
Doch was auch immer passiert, nichts kann den Zusammenhalt der Schwestern zerstören.
Hauptziel der Frau der 50er: eine gute Ehefrau zu sein. Helga (Maria Ehrich) mit ihrem Bräutigam Wolfgang (August Wittgenstein). Copyright: ZDF / Stefan Erhard |
Fundort: ZDF, 20., 21. und 23.03.2016, je um 20:15 Uhr. Als Kind der Generation Y schaue ich ja nur noch selten klassisches Fernsehen, und wenn, dann meistens mit der Familie. Hier hat mich ein Fernsehdrama aber mal tatsächlich zwei Abende in Folge allein ans Sofa gefesselt, zeitweise sogar auf der Sofakante mitfiebern lassen. Heute abend kommt der dritte Teil. Danach sind alle 3 Teile in der ZDF-Mediathek zu finden.
Fun-Faktor: Ein zeitgeschichtliches Drama der Nachkriegszeit im besetzten, aber noch nicht geteilten Berlin - und alle vier Hauptpersonen sind weiblich!
Wie in der beliebten amerikanische Sechzigerjahre-Serie "Mad Men" gibt es auch in "Ku'damm 56" detailgetreu ausgearbeitete Sets und Kostüme, aber der allgegenwärtige Sexismus und die verklemmte Gesellschaft sind hier nicht nur Kulisse - der Dreiteiler setzt sich aktiv und kritisch mit den Gesellschaftproblemen der Fünfzigerjahre im besetzten Berlin auseinander.
Beim Rock'n'Roll tanzen mit Freddy (Trystan Pütter) kann die schüchterne Monika (Sonja Gerhardt) ihrem tristen Alltag entfliehen. Copyright: ZDF / Stefan Erhard |
Autorin Anette Hess und Regisseur Sven Bosse malen ein Sittenbild, das deutlich macht, wie beklemmend es gewesen sein muss, als Frau in den restriktiven Fünfzigern aufzuwachsen. Umso mehr freut sich die Zuschauerin über die kleinen Siege, die die drei Schwestern gegen ihre herrische Mutter, die bigotte Gesellschaft und verstockte Altnazis erringen.
Die Besetzung brilliert schauspielerisch bis in die kleinsten Rollen. Besonders Claudia Michelsen als Mutter Caterina, die sich nach außen hin als Sittenwächterin geriert, dabei aber ein uneheliches Verhältnis und die Nazi-Vergangenheit ihres Hauses verbirgt, überzeugt.
TIPP: Auf der eigens eingerichteten Webseite hat das ZDF außerdem allerlei Infomaterial zu Making of und Hintergrund des Dreiteilers bereitgestellt.
Ja, mir geht es auch so mit dem Dreiteiler: Richtig fesselnd. Ich lerne viel über die Generation meiner Mutter, diesen unabdingbaren Zwang zu heieraten - und zwar eine gute Partie zu machen. Dann diese bleierne Decke, die über allem lag, die verschrobene Sexualmoral in der es nach außenhin weder Vergewaltigungen (in der Ehe), noch Homosexualität, noch außerehelichen Sex gab, defacto aber doch. Auch der Verlust der Männer/Väter, den diese Generation verkraften musste, ist sehr eindrücklich geschildert. Danke für den Hinweis, Luise :-)
AntwortenLöschenHallo ZDF,
AntwortenLöschender 3-teiler Ku'damm 56 hat mich wirklich in den Bann gezogen.
Konnte eine illustrierte Vorstellung von Deutschland erhalten zu Zeiten meines Geburtsjahrs.
Wunderbar, die verschiedenen kleinen Geschichten- auch vom damals noch nicht ummauerten Osten Berlins.
Ich hoffe, dass Ku'damm 56 zumindest einen Grimme -Preis erhält!
Marius Münster
Diese toll gemachte, unterhaltsame und fesselnde Mini-Serie hätte von mir aus gerne auch Maxi sein können. Den Bechdel-Test hat dieses TV-Schmuckstückchen jedenfalls mit Bravour bestanden.
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