Mittwoch, 8. März 2017

Zum Internationalen Frauentag - bitte ein Einwanderungsgesetz mit Quote

von Magdalena Köster

Eine Nepalesin fordert Gleichberechtigung. / Foto: ©Stephan Bachenheimer/World Bank SB-NP03
CC BY-NC-ND 2.0


Wenn heute so manche Arbeitsplätze verwaist und dafür alle Barhocker besetzt sind, dann sind viele Frauen dem Aufruf #DaywithoutAWoman gefolgt. Das gerade in Berlin gegründete Feministische Netzwerk* fordert dazu auf, für Frauen- und Menschenrechte auf die Straße zu gehen und hat entsprechende Veranstaltungen in vielen deutschen Städten verlinkt. Ganz groß will der Womensmarch in den USA auftreten. Osezleféminisme appelliert an die Französinnen, ab 15.40 Uhr zu streiken, um auf den Gender Pay Gap in Europa hinzuweisen. Das Europäische Parlament reagiert mit einer Reihe von Sessions zum Thema.

In mehr als 20 Ländern der Welt wird es ein sichtbares feministisches Aufbegehren gegen  neoliberale, patriarchale und misogyne Entwicklungen geben.

Eckpfeiler Geschlechtergerechtigkeit

 

Um hieran etwas zu ändern, muss die Teilhabe von Frauen auf allen Ebenen steigen, weshalb wir über unseren Tellerrand hinaus mehr Lobbyarbeit für die weniger privilegierten Frauen der Welt leisten sollten.

So hat Medica Mondiale zum Weltfrauentag die künftige Bundesregierung aufgefordert, "Geschlechtergerechtigkeit als Eckpfeiler deutscher Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zu etablieren". Frauen seien zu 47 Prozent an der weitweiten Fluchtbewegung beteiligt, unter den Geflüchteten in die EU sind ihren Berechnungen nach aber lediglich 17 Prozent Frauen. Gründe seien u.a., dass ihnen weniger Geld zur Verfügung stünde und ihnen mehr Gefahren wie sexualisierte Gewalt auf der Flucht drohten. Damit können diese Frauen nicht um Asyl bitten,  keine neue Sprache lernen und sich mit einem anderen Gesellschaftssystem vertraut machen. Entsprechend appelliert Medica Mondiale an die künftige Bundesregierung,

"ausreichend Aufnahmekontingente und damit legale Fluchtwege für alleinreisende Frauen und Kinder zu schaffen, die sich in Flüchtlingslagern entlang der Fluchtroute befinden, und sich in der europäischen Union dafür einzusetzen, dass auch andere europäische Länder solche Kontingente einführen."

Ein Einwanderungsgesetz kommt


Sehr viel leichter als beim Asylgesetz ließe sich beim nicht mehr lange aufzuhaltenden Einwanderungsgesetz (das nichts am Asylverfahren ändert, dieses aber entlasten könnte) eine paritätische Beteiligung von Mädchen und Frauen steuern. Für CDU/CSU ist ein solches Gesetz immer noch ein heißes Eisen, Vorreiterinnen sind hier Rita Süßmuth und Annegret Kramp-Karrenbauer. Vor allem die SPD, aber auch Grüne und FDP haben konkrete Vorstellungen entwickelt, wie ein Einwanderungsgesetz aussehen könnte. Teile der Linken sprechen dagegen von Nützlichkeits-Rassismus**. Alle orientieren sich am Punktesystem nach kanadischem Vorbild, das allerdings auch noch nicht rund läuft. Kriterien sind dabei Bildungsgrad, Sprachkenntnis, Alter und Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt. Das Geschlecht wird nicht angesprochen, es heißt lediglich, bei einem festen Arbeitsangebot dürfe die Kernfamilie mit.

Auf unsere Nachfrage bei der SPD-Fraktion, wie sie sich eine angemessene Verteilung von Männern und Frauen vorstellen, heißt es:

"Eine Frauenquote ist bislang nicht Teil der Forderungen. Auch unsere betreffenden Arbeitsgruppen in der SPD-Bundestagsfraktion haben sich diesbezüglich bisher nicht entsprechend positioniert. Beim Einwanderungsgesetz stellen wir auf die Eignung ab und den Bedarf. Uns geht es in erster Linie darum, den Fachkräftebedarf zu decken. Dabei wollen wir auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, um insbesondere die Frauenerwerbstätigkeit zu erhöhen. Insgesamt könnten zusätzlich 1,3 bis 2 Millionen Frauen am Arbeitsleben teilnehmen."

Die Pressestelle der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer lässt ausrichten, "der interne Prozess zu diesen Details läuft noch".

Viele offene Stellen im Gesundheitsbereich sprechen für eine Quote


Klar ist, dass die Unterdrückung von Frauen in vielen (meist armen) Ländern häufig zu einer geringeren Bildung führt und damit eine Einwanderung erschwert. Die Organisation One erinnert deshalb explizit zum 8. März daran, dass weltweit 130 Millionen Mädchen keine Schule besuchen dürfen, ein Zustand, den wir dringend über gebundende Entwicklungsprogramme ändern sollten.

Vorläufig heißt das aber, dass es neben der Einwanderung hochqualifizierter Frauen, die es selbstverständlich auch gibt, auch Angebote für weniger gebildete Frauen geben muss, die sich bei uns weiter qualifizieren könnten. Damit wären zwei  Chancen verbunden. Sie könnten nach einer adäquaten Schulung etwa im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten, in dem es die meisten Mangelberufe in Deutschland gibt und ihren Beruf vielleicht einmal in der alten Heimat ausüben, wo sie genauso gebraucht werden.

Bis jetzt sind sich die meisten Fachleute darin einig, Menschen mit beruflichen Fähigkeiten auf Niveau 3 (von 8) einwandern zu lassen.

Nach diesen Kriterien gibt es sicher genug Frauen, die an einer Einwanderung interessiert wären. Und das würde eine Quote absolut rechtfertigen.



*  Unter dem Hashtag #MeinTagohnemich sammelt das Feministische Netzwerk Geschichten vom Tag ohne Frauen, vom Tag ohne Dich.

** Der Vorwurf: Fachkräfte aus ärmeren Ländern abzuwerben, führe dort zu einem brain-drain, wichtige Stellen könnten im eigenen Land nicht besetzt werden und es ausbluten.
Das Gegenargument: Häufig fänden die Menschen gar keine Arbeitsmöglichkeit im eigenen Land und würden nur deshalb auswandern. Außerdem könnten die häufig üblichen Geldüberweisungen an Verwandte in der alten Heimat zu einem wirtschaftlichen Aufschwung beitragen.





4 Kommentare

  1. Toll Magdalena! Gut, dass Du unseren Blick weitest!

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  2. Fachkräftebedarf: Wenn die Wirtschaft über einen Fachkräftemangel klagt, heißt das nicht, dass Stellen unbesetzt bleiben, sondern dass man gern mehr Auswahl hätte, also einen großen Bewerberüberhang. Man möchte also keine Vollbeschäftigung, sondern einen gewissen Grundstock an Arbeitslosen im Wettbewerb. Hinzu kommt, dass man heute in manchen Berufen gar nicht mehr bereit ist, die Menschen gegen volles Gehalt einzuarbeiten, Mitarbeiter sollen sich bereits (z.B. über Praktika oder duales Studium) auf genau diese Tätigkeit vorbereitet haben. Wollen wir das - steigende Ansprüche bei stagnierenden Reallöhnen?

    Pflege: Wenn die Löhne höher wären, würden mehr Frauen von 450-Euro-Jobs (z.B. bei Pflegediensten) in eine reguläre Teilzeitbeschäftigung wechseln. Bei niedrigen Löhnen ist es für viele attraktiver, über den Ehemann oder Hartz IV versichert zu bleiben.

    Handwerk: Durch den Akademisierungswahn machen zu viele Leute Abitur und zu wenige sind bereit, eine Lehre zu machen. Hinzu kommt die niedrige Ausbildungsvergütung - da müsste das Handwerk mehr investieren.

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  3. Ach ja, und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa gibt es auch noch. Für die Beschäftigten aus Spanien zahlt der Staat aber keinen Deutschkurs, das müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer untereinander regeln.

    Deutschland interessiert sich nicht mehr für Südeuropa. Wir werden lieber Refugee-Weltmeister.

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  4. Liebe Irene,
    ich kann Dir nicht wirklich widersprechen. Vor allem die schlechte Bezahlung im Gesundheits-, Pflege- und Kindererziehungsbereich ist ein großes Ärgernis. Es müssen wohl erst ganz viele Männer als "Pfleger" und "Erzieher" arbeiten, damit Ansehen und Bezahlung in diesen Berufen steigen.

    Dennoch sollten wir das Einwanderungsgesetz nicht überbewerten. Es sind gerade mal 25.000 (!)
    Stellen, die etwa die SPD in ihrem Entwurf für das erste Jahr vorschlägt.
    Dazu heißt es:
    "Der Bundestag soll jedes Jahr festlegen, wie viele Menschen aus Drittstaaten einwandern können. Gab es viel Zuwanderung aus der EU, kann die Quote niedriger liegen. Fehlen Fachkräfte, kann sie höher sein."

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