von Tina Stadlmayer
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Die Moderatorin von "Strictly Come Dancing", Claudia Winkleman, ist die am meisten verdienende BBC-Frau. Foto: BBC-Schnappschuss |
Auf den ersten Blick sieht es in Großbritannien gut aus für Frauen in Führungspositionen: Premierministerin ist Theresa May, die Regierungschefin in Schottland ist Nicola Sturgeon, eine Frau ist Polizeipräsidentin in London, zwei große Fernsehanstalten, ITV und Channel 4 haben Chefinnen. Bei der BBC sollen bis zum Jahr 2020 die Hälfte der Moderator_innen Frauen sein. Und trotzdem werden Frauen nach wie vor systematisch benachteiligt. Auf Nachfrage der Regierung veröffentlichte die BBC die Liste ihrer bestbezahlten Mitarbeiter_innen: Nur ein Drittel derer, die mehr als 170.000 Euro im Jahr verdienen, sind Frauen.
Die sieben Bestverdiener sind ausnahmslos mittelalte bis alte weiße Männer. Die am meisten verdienende Frau, Claudia Winkleman, Moderatorin der Show "Strictly Come Dancing", bekommt nur ein Fünftel dessen, was der männliche Topverdiener einsteckt - der ehemalige Moderator der Autoshow Top Gear, Chris Evans. Männliche Radiomoderatoren wie Steve Nolan verdienen doppelt so viel wie Laura Kuenssberg, die sowohl im Fernsehen als auch im Radio präsent ist. Sarah Montague, die uns fast jeden Morgen die aktuelle politische Lage auf BBC Radio 4 erklärt, taucht überhaupt nicht auf der Liste der 96 Bestverdiener_innen auf, während ihr Co-Moderator John Humphrys mit einem Gehalt von über 670.000 Euro im Jahr dabei ist. Humphrys moderiert allerdings auch noch einige Fernsehshows.
Die Moderatorin interviewte ihren Chef zum Thema Lohndiskriminierung
Auch das ist typisch BBC: In der Morgensendung von Radio 4 interviewte Moderatorin Mishal Husain ihren Chef, BBC-Direktor Tony Hall, zum Thema Lohndiskriminierung im eigenen Haus. Hall versuchte Husain zu erklären, wie die Ungerechtigkeit zustande kommt: "Eine Person kann neben einer anderen sitzen und den selben Job machen, aber mehr verdienen. Aber vielleicht machen sie auch andere Sachen", sagte er zu Husain. Die Moderatorin konterte: "Vielleicht aber auch nicht."
Tatsächlich verdient Husain deutlich weniger als ihr Co-Moderator Nick Robinson,
Auch Emily Maitlis, die kluge und besonnene Moderatorin des TV-Nachrichtenjournals Newsnight, steht nicht auf der Liste, ihr Kollege Evan Davis dagegen schon. Maitlis thematisierte die Lohnungleichheit ironisch als Rednerin auf einer Veranstaltung der Technologie-Industrie: "Sie sind als Industrie so erfolgreich, dass sie sich schon bald einen BBC-Mann als Redner leisten können." Eine langjährige Mitarbeiterin der BBC beklagte gegenüber dem "Guardian", dass die BBC Frauen und People of Color jahrelang belogen habe: "Nun wird endlich klar, wie es wirklich ist: Eine Menge weißer, priviligierter Männer geben sich gegenseitig privilegierte Gehälter."
Nachdem alle britischen Zeitungen über die Lohnungleichheit bei den BBC-Gehältern berichtet hatten - meist ohne die Leser_innen über die Zustände in den eigenen Redaktionen zu informieren - kündigte BBC-Chef Tony Hall an, die Gehälter bis 2020 anzugleichen. Darauf reagierten die Redakteurinnen mit einem offenen Brief. Sie forderten, dass die Lohnungleichheit sofort beseitigt werde - auch bei denjenigen, die sehr viel weniger verdienen als die Stars der BBC: Jetzt sei es an der Zeit, dass "diejenigen mit starken und lauten Stimmen diese für alle im Unternehmen nutzen."
Politikerinnen unterstützen den Kampf der BBC-Frauen. Die für Gleichberechtigung zuständige Ministerin Justine Greening sagt: "Es ist unmöglich, nicht schockiert zu sein." Und die Labour-Abgeordnete Harriet Harman forderte, die BBC solle "die klare Diskriminierung überwinden und mit gutem Beispiel voran gehen". Die Kommentatorin des "Guardian", Jane Martinson, wies jedoch darauf hin, dass es anderswo noch schlechter aussehe: "Die Kluft bei der Bezahlung von Männern und Frauen in unserem Land beträgt 18,1 Prozent." In den Chefetagen der hundert größten börsennotierten Unternehmen sei die Kluft noch größer.
Intendant verdient mehr als Intendantin
Auch im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden Männer und Frauen nicht gleich bezahlt. Das zeigt die Klage der ZDF-Journalistin Birte Meier, deren Fall aktuell in der Berufung ist. Die ARD hat inzwischen die Gehälter ihrer Intendant_innen veröffentlicht. WDR-Chef Tom Buhrow, an der Spitze des größten ARD-Senders, bekommt mit 399.000 Euro am meisten. Die Intendantin des MDR, Karola Wille, die gleichzeitig bis Jahresende ARD-Vorsitzende ist, erhält pro Jahr "nur" 275.000 Euro. Buhrows Vorgängerin, Monika Piel, hatte weniger verdient als er. Ihr Gehalt entsprach inklusive Nebeneinkünften Buhrows Grundgehalt.
Das in Deutschland beschlossene Gesetz zur Lohntransparenz gilt nur für private Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Allerdings bekommen die Angestellten nur Auskunft über das Gehalt ihrer direkten Kolleg_innen. Öffentlich berichten müssen die Unternehmen nicht. Anders in Großbritannien: Die gender pay reporting legislation verlangt von Unternehmen mit mehr als 250 Angestellten, dass sie offenlegen, wie groß die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen sind. Öffentlich-rechtliche Anstalten wie die BBC müssen die Liste ihrer Gehälter veröffentlichen.
Doch die BBC hat inzwischen zwei nicht ganz faire Wege gefunden, die negative Berichterstattung über die Lohnungleichheit einzugrenzen: Zum einen wurde einigen sehr gut verdienenden Männern das Gehalt gekürzt, anstatt allen Frauen das Gehalt zu erhöhen. Zum anderen lagerte die BBC die Produktion einiger Shows an Studios aus, die als kommerzielle Unternehmen arbeiten, und damit keine Rechenschaft über die Bezahlung ihrer Leute leisten müssen. Damit werden in Zukunft einige Bestverdiener von der BBC-Liste verschwinden.
Am Freitag, 20. Oktober wird Eva Hehemann im Rahmen unserer Englischen Woche über den Fall des Harvey Weinstein berichten. Am Montag, 16. Oktober berichteten wir über den Kampf der BBC-Frauen gegen Hater auf Pressekonferenzen und im Netz.
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