Annette Hillebrand coacht erfolgreiche Medienfrauen / Foto: Ulf Dahl |
Immer mehr Kolleginnen schaffen es erfreulicherweise, endlich in Führung zu gehen. Aber an die Spitze zu gelangen, ist die eine Sache. Eine andere ist es, dort auch zu bestehen. Was gehört dazu, sich in den nach wie vor hauptsächlich männlich geprägten Hierarchien zu behaupten?
Annette Hillebrand hat bis 2014 die Akademie für Publizistik in Hamburg geleitet und dann den Sprung in die Selbständigkeit als Coach und Dozentin gemacht. Sie gibt Seminare für Führungskräfte in Medien-Unternehmen, arbeitet als Führungskräfte-Coach und als Moderatorin. Ihr Urteilsvermögen schätzen wir besonders bei der Jury-Arbeit für den Courage-Preis. Nun hatte ich die Gelegenheit, sie nach Erkenntnissen und Tipps für die berufliche Laufbahn zu befragen. Das Gespräch habe ich protokolliert.
Annette Hillebrand über Medienfrauen auf leitenden Posten
Als Coach spreche ich hauptsächlich mit Frauen, die – einmal auf einer leitenden Stelle angekommen – auf unerwartete Probleme treffen. Typisch ist die Feststellung, dass die überragenden fachlichen Kompetenzen als Journalistinnen, durch die sie Karriere gemacht haben, nun nichts mehr gelten. Sie machen weiter wie bisher, bienenfleißig und immer top vorbereitet, aber das ist kein Erfolgsfaktor mehr. Irgendetwas ist anders; es werden Spiele gespielt, die sie nicht verstehen, und es gelten rätselhafte Regeln in einem nach wie vor männlich dominierten Umfeld. Das verunsichert sie und ein Noch Mehr ihres bisherigen Arbeitens hilft da nicht. Es wäre unsinnig, nun das männliche Verhalten zu imitieren; vielmehr ist es notwendig, diese Mechanismen zu analysieren und für sich einen adäquaten Umgang damit zu entwickeln.
Zum Beispiel so: Eine Frau wird Chefredakteurin eines Mediums, in dem noch nie eine Frau zuvor Chefin gewesen war. Die erste Konferenz ist entscheidend. Sie hatte drei männliche Konkurrenten um den Posten, die alle fest mit einer Beförderung gerechnet hatten. Nun kommt sie zur ersten Sitzung und am Kopf des Tisches liegt bereits eine Mappe. Statt einen anderen freien Platz zu wählen, schiebt sie die Mappe beiseite, besetzt den Platz, den Mann ihr verweigern wollte - und macht auf diese Weise unmissverständlich ihren Führungsanspruch deutlich. Die Männer im Raum haben das sogleich verstanden. Die Amerikaner nennen dieses Verhalten „to work the room“ (in etwa: „den Raum bearbeiten“). Körpersprache und non-verbale Kommunikation sind ja viel wichtiger, als wir gemeinhin annehmen.
Netzwerken gehört unbedingt dazu
Zu den wichtigen Erkenntnissen, um als Führungskraft erfolgreich zu agieren, gehört auch die Notwendigkeit des Netzwerkens. Mit wem muss ich sprechen, mit wem zum Essen gehen, auch wenn ich diese Person vielleicht unsympathisch finde. Wer hat den nötigen Einfluss im Unternehmen, um mich zu stützen? Oder zu stürzen? Das ist notwendige Politik, bei der ein männlicher Mentor übrigens sehr hilfreich sein kann, der einem erklärt, wie es im jeweiligen Unternehmen läuft. Wenn ich begreife, dass das ein Teil meiner Arbeit ist, dann fängt’s übrigens oft an, Spaß zu machen. Im Übrigen würde sich daran wohl auch nichts ändern, wenn statt der Männer nur Frauen beteiligt wären, Machtpositionen bringen das mit sich.
Netzwerken ist wichtig, Kommunikationsmuster zu verstehen ist mindestens ebenso wichtig. „Mädchen, das schaffst Du schon!“ – welche – vor allem junge – Frau hat nicht schon solche Sätze hören müssen! Vermeintlich nett gemeint, jedoch völlig unangemessen. Darauf nicht wie ein trotziges Kind zu reagieren, fällt nicht leicht. Doch genau darum geht es: durchatmen. Überlegen: was passiert hier gerade? Und dann professionell reagieren. Das lässt sich lernen, schnell und effektiv! Zum Glück. Letztlich soll es Frauen in Führung doch gut gehen. Sie sollen Freude haben. Führung bedeutet ja nicht nur Arbeit, Verantwortung und Kampf, sondern eben auch Gestaltungsmöglichkeiten und Kreativität.
Gesprächsführung üben
Wesentlich ist zudem gekonnte Gesprächsführung! Eine junge Redaktionsleiterin, die ihren Job bekommen hat, weil sie ein gutes Blatt macht, hat mehrere ältere, männliche Kollegen, die schwer frustriert sind von der Medienkrise, von ihrer zunehmenden Bedeutungslosigkeit. Deren Probleme und Empfindlichkeit sind verständlich und ernst zu nehmen. Gespräche zu führen mit solchen Mitarbeitern, wo Kritik anzubringen ist, die aber eben auch konstruktiv sein soll, ist überaus anspruchsvoll. Das muss gut überlegt und vorbereitet sein. Das kann auch geübt werden. Und wenn es einmal sitzt, dann braucht es dazu keine weitere Hilfe. In meinen Seminaren spielen wir solche Situationen durch und tauschen auch die Rollen. Sich in die Rolle des Gegenübers zu versetzen, ist sehr hilfreich. Dabei finde ich es erstaunlich, wie schwer es ausgerechnet JournalistInnen fällt, präzise in der Sache und angemessen im Ton Kritik zu äußern. Da wird oft herumlaviert, weit ausgeholt, geschwurbelt – so dass die Angesprochenen sagen: Was wollte er/sie jetzt von mir? Ich habe nix verstanden.
Die Frage ist immer wieder: Was muss ich tun, damit die anderen mich in meiner Rolle als Chefin akzeptieren? Ein früher gepflegter freundschaftlicher Umgang mit den Kollegen kann eventuell in leitender Position nicht mehr aufrecht erhalten werden, ebenso wenig wie permanent ansprechbar zu sein. Damit muss man klarkommen können. Es gibt einige Frauen, die sich aus solchen Gründen und weil sie ihre inhaltliche Arbeit nicht aufgeben wollen, ganz bewusst gegen einen Führungsposten entscheiden. Und das ist zu akzeptieren! Denn wo sollen sie hin, wenn sich die Entscheidung für den Führungsjob als Fehler herausstellt? Zurück ins Glied?
Anerkennung? Eher nicht …
Ruth Seliger, eine bekannte Wiener Trainerin, hat Führungsarbeit einmal mit Hausfrauenarbeit verglichen. Wenn sie gut gemacht ist, wird sie nicht bemerkt. Und es ist auch kein Dank dafür zu erwarten. Wenn ich als Chefin ein ganzes Wochenende über ein bevorstehendes schwieriges Gespräch nachgedacht habe, das ich dann erfolgreich führe und damit bestenfalls einen Konflikt gelöst und etwas gut bewegt habe, wird niemand auf den Gedanken kommen, sich dafür bei mir zu bedanken. Das schmerzt, aber es ist halt so.
Ein Interesse für Unternehmenszahlen ist auch sehr wichtig! Ich muss wissen, wohin das Unternehmen überhaupt will. Am wirtschaftlichen Ergebnis meiner Führungsarbeit muss ich mich messen lassen, ich muss es rechtfertigen können. Das ist mindestens so wichtig wie die inhaltliche Ausrichtung eines Mediums, die mich vielleicht bisher mehr interessiert hat.
Für die Zukunft bin ich zuversichtlich, dass es für Frauen leichter wird, in Führung zu gelangen und dann auch in diesen Positionen zu bestehen. Vielleicht noch dies: Ich bin beeindruckt von den vielen jungen Männern, die mir in meinen Seminaren begegnen, die sehr offen, sensibel und kommunikativ begabt sind. Es gibt also Hoffnung – und zugleich auch weiterhin viel zu tun. Denn so schnell ändern sich all die Muster und Gewohnheiten ja nicht.
Also entspannen und pragmatisch damit umgehen! Das ist jedenfalls meine Empfehlung."
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