Mittwoch, 30. Oktober 2019

Ausgezeichnet! Courage-Preis für die Fotokünstlerin Patricia Morosan

Fünf Fragen von Eva Hehemann


Preisgekrönt: Patricia Morosan erhielt zusammen mit Christine Holch für diesen Bericht in der chrismon
den Couragepreis des Journalistinnenbundes 2019


Eine der erfreulichsten Aufgaben einer Jury ist es, nach getaner Arbeit den auserkorenen Gewinnerinnen von ihrem Preis zu berichten. 2019 fiel es mir zu, Patricia Morosan telefonisch mitzuteilen, dass sie für ihre Fotografien zu einem chrismon-Artikel zusammen mit der Autorin Christine Holch den Courage-Preis erhalten sollte. Die Freude war groß, auch bei mir, denn als Fotografin finde ich es natürlich immer ermutigend, wenn Kolleginnen ausgezeichnet werden. Wir leben in einer Welt der Bilder, hunderte Fotografien überfluten uns alltäglich, die meisten hinterlassen keinen bleibenden Eindruck. Aber Patricia Morosans Arbeiten sind von besonderer Qualität. Wie eindrücklich sie die Protagonistinnen des Artikels portraitiert hatte – man sollte die beiden als Kinder schwer sexuell missbrauchten Frauen nicht erkennen können –, hatte unsere Jury sehr berührt.


Patricia Morosan / Foto: William Minke
Die Schilderungen der Leidensgeschichte in dem preisgekrönten Artikel gehen unter die Haut. Wie lässt sich für solche Grausamkeiten eine angemessene Darstellung, ein angemessener Tonfall finden? Solch einen Text zu illustrieren, ist eine sehr schwierige Aufgabe. Patricia Morosan erarbeitete die Portraits zusammen mit den Dargestellten. Ihre Bildsprache ist perfekt geeignet, um den inneren Zustand der Frauen sichtbar zu machen, ohne sie bloßzustellen oder sensationslüstern zu skandalisieren.

Patricia Morosan wurde in Rumänien geboren, studierte Filmwissenschaften und Kunstgeschichte in Bukarest und Berlin sowie Photographie an der Berliner Ostkreuzschule. Sie ist Teil des internationalen Fotokollektivs  "Temps Zero" und des internationalen Künstlerkollektivs "Artistania". Ihre Fotos und Filme wurden unter anderem beim Rencontres de la photographie d’Arles und beim Bursa Fotofestival in der Türkei gezeigt. Gerade stellte sie ihre Arbeiten im Nationalen Museum für Zeitgenössische Kunst in Bukarest aus. Im November 2017 präsentierte sie ihr erstes Fotobuch. Sie gewann 2019 nicht nur den Courage-Preis, sondern auch den "New European Photography Award" der Jury des Fotofestival Boutographies in Montpellier und wurde für den Kunstpreis Haus am Kleistpark nominiert.

Neben der Teilnahme an Ausstellungen erhält sie Aufträge für verschiedene Magazine, kuratiert auch Filmreihen und gibt Workshops für geflüchtete Frauen. Für eine 35 Jahre alte selbständige Fotografin, die eine eher künstlerische Bildsprache verwendet, mal ganz "klassisch" und mal mit Unschärfe und monochromer Farbgebung arbeitet und sich ihren Motiven mit großer Intensität und Empathie nähert, ist der Erfolg hart erarbeitet.


Sie haben zunächst Film studiert. Wie kam es zum Wechsel in die Fotografie?


Es gab so etwas wie ein "Urerlebnis" als ich "Nihil", einen frühen Film von Uli M. Schueppel, gesehen habe. Da steht ein alter Mann vor einer Staffelei inmitten eines zugefrorenen Meeres und malt auf den Horizont blickend imaginiert schaurige Feuerwesen, die auf ihn zustürzen. Mich faszinierte dieser Blick des Künstlers.

Aus der Serie "Remember Europe", 2018 / Foto: Patricia Morosan

Sie machen Kunst mit fotografischen Mitteln. Wer Ihnen einen Auftrag erteilt, will vermutlich gerade diese künstlerische Art der Fotografie?


Das faszinierende an der Fotografie ist die Begegnung, sowohl mit dem Fremden und dem Unbekannten, als auch mit Etwas, das man als nah empfindet. Die Bildsprache entsteht in der Formulierung dieser Begegnung. Diese Formulierung beschäftigt mich, sowohl bei freien als auch bei Auftragsarbeiten. Meine letzte Arbeit zum Beispiel beschäftigt sich mit der Geschlechtsidentität einer non-binären Person, die als Transgender innerliche und äusserliche Veränderungen erlebt. Diese Arbeit ist durch eine Art Auftragsarbeit ausgelöst worden. Ich wurde von einer kulturellen Institution in Rumänien gefragt, ob ich in Kooperation mit einem Fashion Designer aus Berlin eine Fotoarbeit entwickeln kann. Ich nahm die Herausforderung an, aber wollte nicht nur die Kollektion des Designers fotografieren, sondern über Körper und Geschlecht reflektieren. In diesem Zusammenhang kam ich auf eine Person, die gerade eine Transformation durchmacht. In Zusammenarbeit mit dieser Person und dem Fashion Designer entstand so die Serie "You, The Living", die zur Zeit im Museum für Zeitgenössische Kunst in Bukarest zu sehen ist. Insofern stellt sich für mich nicht die Frage der Trennung von künstlerischer Arbeit und Auftragsarbeit, sondern ich suche innerhalb jedes Projekts, das ich annehme, einen emotionalen Bezug, innerhalb dessen sich für mich ein „Ausdruck“ finden lässt.

Glauben Sie, dass Frauen einen anderen Blick auf ihre Umgebung haben als Männer? Oder ist der Blick einfach individuell verschieden und nicht vom Geschlecht beeinflusst?


Ich glaube, dass das Geschlecht ein soziales Konstrukt ist, das von Erfahrungen und kulturell-sozialen Gegebenheiten geformt ist. So auch der Blick. Frauen teilen eine kollektive Erfahrung des Körpers, der sozialen Muster, der Erwartungen und Anstrengungen. Bestimmt haben diese Erfahrungen einen Einfluss auf den Blick. Hier gibt es aber viele Nuancen. Diese Nuancen sind individuell verschieden.

  
Aus der Serie "Remember Europe", 2018 /
Foto: Patricia Morosan
Aus der Serie "Remember Europe", 2018 /
Foto: Patricia Morosan


Unverschämt gefragt: Können Sie von dem Job leben? Sie sind sehr erfolgreich. Ich bin selbst Fotografin und weiß, was alleine die Ausrüstung kostet. 


So unverschämt finde ich die Frage gar nicht. Dieses Problem "beschäftigt" auch mich täglich. Alle, die im kreativen Bereich und unabhängig arbeiten, werden mit der finanziellen Unsicherheit zu kämpfen haben. Das gehört zur dunklen Seite der Selbständigkeit. Ausserdem muss man zwischen Brotjobs und Leidenschaftsarbeit balancieren. Davon leben zu können, hängt davon ab, wie weit man sich vom Materiellen abhängig macht. Und nur von der künstlerischen Arbeit leben zu wollen, scheint sowieso schwierig. Ich versuche deshalb, meinen Lebensunterhalt, soweit dies geht, minimal zu halten. Eine richtige komplette Ausrüstung besitze ich allerdings auch nicht. Braucht man aber auch nicht unbedingt. Wenn bestimmte Technik für Projekte gebraucht wird, leihe ich sie aus.

Als freie Fotografin zu existieren ist kompliziert. Woher holen Sie sich Unterstützung?


Netzwerke sind natürlich sehr wichtig. Insofern war auch das Studium an der Ostkreuz-Schule hilfreich. Aber auch meine Teilnahme im Kollektiv „Temps Zero“ oder auch meine sozialpädagogischen Fotoprojekte mit geflüchteten Frauen helfen mir, Netzwerke immer weiter zu spannen. Ich versuche auch immer, Fördergelder für all meine vielen Ideen zu beantragen – und manchmal werden Projekte auch damit unterstützt. Aber ich wünschte mir, es gäbe von dieser Seite noch mehr Support.


Mehr zu Patricia Morosan gibt es auf ihrer Website

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