Mittwoch, 6. März 2019

Die Berufung - Felicity Jones kämpft im Kinofilm als Ruth Bader Ginsburg für Gleichberechtigung

von Angelika Knop

Film und Diskussion - Preview von "Die Berufung" mit Frauennetzwerken in München / Foto: A. Knop

Dunkle Anzüge, weiße Kragen, kurze Haarschnitte so weit das Auge reicht. Junge, weiße Männer strömen zum Vorlesungsbeginn in die ehrwürdigen Hallen der Juristischen Fakultät in Harvard. Mittendrin Ruth Bader-Ginsburg - eine von neun Frauen unter rund 500 Erstsemestern. Mit dieser Szene aus dem Jahr 1956 beginnt der Film "Die Berufung - Ihr Kampf für Gerechtigkeit". Bei der Preview im Februar 2019 im Rahmen der Jüdischen Filmtage in München ist es umgekehrt: Hunderte Frauen, darunter ein paar Männer, strömen in das mehr als 100 Jahre alte "Filmtheater Sendlinger Tor". Sie wollen sehen, wie Hollywood einer Ikone der Gleichberechtigung ein Denkmal setzt.


"Wann ich aufgebe, bestimme ich." Das sagt Hauptdarstellerin Felicity Jones im Film zum Leiter Recht der American Civil Liberties Union (ACLU). Selbst bei der Bürgerrechtsbewegung muss die Juristin Ruth Bader Ginsburg dafür kämpfen, dass Frauenrechte den vollen Einsatz wert sind - ebenso wie der Kampf für die Rechte der afroamerikanischen Minderheit oder für die Kriegsdienstverweigerer im Vietnamkrieg. "You don't tell me when to give up." Dies ist der Leitsatz im Biopic. Sie gibt nicht auf, wenn der Professor sie in der Vorlesung ignoriert, wenn sie trotz brillantem Abschluss keinen Job als Anwältin bekommt und wenn sie trotz aller Widerstände den Fall vor das Bundesberufungsgericht bringt, der die Rechtsprechung und Rechtslage in den USA gründlich verändern wird.


Diskriminierung im Leben und im Gesetz


"On the Basis of sex", so lautet der Originaltitel des Films, zu deutsch etwa "(Diskriminierung) wegen des Geschlechts". Und der Film zeigt jede Menge Situationen, Sprüche und Konflikte, die heutigen Frauen ein bitteres Lächeln ins Gesicht rufen, weil wir sie zumindest im Ansatz auch noch kennen - aus den Erzählungen unserer Mütter und Großmütter, aus unserer Jugend oder von aktuellen reaktionären Kommentaren und Haltungen. Es ist ja noch nicht so lange her, dass Chefs Frauen bei der Einstellung nach dem Kinderwunsch fragten - und aus den Köpfen ist es noch nicht überall. Wenn der Professor im Film die jungen Studentinnen beim Dinner bittet, zu sagen, warum sie denn in Harvard einen Platz besetzten, den ja auch ein Mann hätte einnehmen können, dann ist es auch nicht so weit weg von männlichen Bewerbern, die sich heute bitter beklagen, wegen einer Quote oder Diversity-Politik habe nun eine Frau "ihren" Job. Bei der Vorab-Premiere in München erzählte die US-Anwältin Stacey van Hooven, dass ihr bei einem Vorstellungsgespräch in der Landeshauptstadt der Partner einer Anwaltskanzlei die Frage stellte, ob sie ein Hobby suche, als er in ihrem Lebenslauf las, dass sie Kinder hatte. Heute ist sie Vice President and General Counsel, also leitende Unternehmensjuristin, des schwedischen Gesundheits- und Hygieneunternehmens Essity.

Die Gesetzeslage und die Rechtsprechung zum Thema Gleichberechtigung haben sich mittlerweile geändert und teilweise auch die Wirklichkeit - dank Vorkämpferinnen wie RBG. So wird die heutige Supreme Court Richterin liebevoll von ihren Anhängerinnen abgekürzt.  Und so lautet auch der Titel des  oscarnominierten Dokumentarfilms von Betsy West und Julie Cohen, der bereits im Dezember 2018 bei uns in den Kinos lief: „RBG- ein Leben für die Gerechtigkeit" (US-Titel: "RGB. Hero. Icon. Dissenter“), 25 Jahre nachdem sie ans oberste Gericht der USA berufen wurde.


Feministische Regisseurin und Frauennetzwerke


Nun also mit etwas Verspätung der Spielfilm von Mimi (Miriam) Leder, die aus eigener Erfahrung weiß, was es heißt, sich ich in einer männerdominierten Branche durchzusetzen. 1973 war sie die erste Frau, die einen Abschluss an der renommierten Filmakademie, dem American Film Institute (AFI) Conservatory, in Hollywood machte. Sie ist eine der wenigen Regisseurinnen und Produzentinnen, die erfolgreich ins Actionfilm-Genre vordrang. Dass sie nach einem Misserfolg an den Kinokassen lange Zeit nur noch Aufträge fürs Fernsehen bekam, schreibt die erklärte Feministin auch der Tatsache zu, dass sie eine Frau ist. Nun setzt sie RGB mit diesem Hollywood-Drama ein Denkmal.

Die Filmfirma Entertainment One überlässt den Erfolg in Deutschland nicht dem Zufall. Es gab vor dem Start Screenings in Berlin, Köln, Frankfurt, Hamburg - und eben München, in Kooperation mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte und zahlreichen Frauenverbänden. Professorin Maria Wersig erklärte dort, dass es im Deutschen Juristinnenbund (djb) "ganz viele RBGs" gebe, die Vorbilder seien. Dazu zählte die djb-Vorsitzende unter anderem die ehemalige, bereits verstorbene, Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta Limbach, oder die frühere Hamburger und Berliner Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit und natürlich Elisabeth Selbert, eine der Mütter des Grundgesetzes.


Hollywood-Drama, Geschichtsunterricht und Ansporn


"Die Berufung" zeigt Ruth Bader Ginsburg als Vorbild, vielleicht ein wenig zu glatt und perfekt, auch wenn sie selbstironisch ihre mangelnden Kochkünste kommentiert. Ihre größte Kritikerin - mal abgesehen von den männlichen Widersachern - ist ihre Tochter, die sie eben als zu perfekt anklagt, die sich als rebellische Teenagern an der Mutter reibt und damit am Idealbild kratzt. Und doch ist sie es, die Ruth im entscheidenden Augenblick die entscheidende Frage stellt: "Für wen kämpfst du, wenn nicht für mich?"

Die Britin Felicity Jones, bekannt aus Star Wars, spricht in der Originalversion mit dem Brooklyn-Akzent der echten Ruth, sieht aber in jeder Lebenslage ein wenig zu makellos aus. Idealisiert wirkt auch die Beziehung zum stets gut gelaunten Ehemann Marty Ginsburg (Armie Hammer), der sich mit ihr die Kindererziehung teilt und sie auch beruflich als ebenbürtige Partnerin behandelt. Schon früh im Film kommt eine Liebesszene und beim Zusehen der Gedanke: "Ok, das musste eben sein für Hollywood." Doch manchmal ist das Leben vielleicht einfach so schön wie ein Klischee. Ruth Bader Ginsburg selbst beschreibt ihr Verhältnis so: „Er war der erste Mann, der sich dafür interessierte, dass ich ein Gehirn hatte. Er war sich seiner so sicher, er fühlte sich so gut mit sich selbst, dass er mich niemals als Bedrohung gesehen hat." Sie selbst und ihre Tochter haben das Drehbuch ihres Neffen Daniel Stiepleman gegengelesen und mit überarbeitet. US-Medien haben beim Fact-Checking festgestellt: Nicht jedes Detail im Film ist akkurat, aber die Aussage stimmt. Und deshalb ist es zwar konventionelles US-Kino, aber eben auch gut gemachter, sehenswerter, lehrreicher und unterhaltsamer Geschichtsunterricht. Und ein Ansporn, nicht aufzugeben, bis vollständige Gleichheit erreicht ist - in Gesetz, Rechtsprechung und Gesellschaft.

"Die Berufung" - Kinostart 7. März 2019



Kommentare

  1. Liebe Angelika. Danke für diesen profunden Hinweis auf einen Film, der mir sicherlich entgangen wäre. Ich versuche die Originalfassung zu sehen. In der Übersetzung geht - glaube ich - einiges verloren. Danke für deine Arbeit hier im Watchblog. LG Gisela

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