Mittwoch, 10. März 2021

Abschiedspost #5: Gleichwertige Arbeit, gleiche Rechte, gleiches Gehalt

von Angelika Knop

Blick zurück: Noch lange nicht ausgelutscht ist das Thema Equal Pay / Foto: Angelika Knop

Der Equal Pay Day, der heute begangen wird, ist in Deutschland so alt wie unser Blog. Entsprechend oft habe ich darüber berichtet. Natürlich auch, weil es gerade in Medienbetrieben häufig undurchsichtige Gehaltsstrukturen gibt. Und weil es eine Journalistin ist, die in dieser Sache bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen ist. Die Klage der ZDF-Redakteurin Birte Meier ist jedoch noch nicht entschieden. Insgesamt hat sich in der Rückschau zwar viel getan in 13 Jahren, aber wenig verbessert. Abgesehen davon, dass zumindest das Thema so langsam in den Köpfen der Menschen präsent wurde auch derer, die Politik machen. Trotzdem ist und war das Entgelttransparenzgesetz, das seit 2018 gilt, seinen Namen nicht wert. Doch in diesem Jahr zeigt sich ein Silberstreifen am Horizont. 

 

Drei Entwicklungen machen Mut

Erstens ist der Gender Pay Gap erstmals seit Einführung des Equal Pay Day tatsächlich geschrumpft von rund 21 auf 19 Prozent. Das heißt, die durchschnittliche berufstätige Frau in Deutschland verdient mit ihrer Arbeit jetzt noch knapp zwei Zehntel weniger in der Stunde als der durchschnittliche erwerbstätige Mann. In diesem Tempo würde es zwar noch rund 50 Jahre dauern bis sich die Entgeltlücke zwischen den Geschlechtern geschlossen hat, aber die weiteren Entwicklungen, die ich hier aufzähle, könnten das beschleunigen. 

Zweiter Fortschritt ist ein Urteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) von diesem Januar, erstritten von der Angestellten einer Versicherung. Es besagt, dass es ein Anhaltspunkt für Diskriminierung ist, wenn das Gehalt einer Frau unter dem Median der Männer mit gleichwertiger Tätigkeit im gleichen Betrieb liegt. Diesen Mittelwert bekommt, wer den Auskunftsanspruch geltend macht, der in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten gilt. Nur hatte das Entgelttransparenzgesetz überhaupt nicht geregelt, wozu diese Auskunft gut ist und was damit passieren soll. Nun hat das BAG festgestellt, dass sich vor Gericht zumindest die Beweislast umkehrt, wenn eine Frau auf gleiche Bezahlung und Schadensersatz klagt. Das heißt: Jetzt muss der Arbeitgeber belegen, dass der Unterschied nichts mit dem Geschlecht zu tun hat. Birte Meier war noch an der Auffassung des Arbeits- und Landesarbeitsgerichts Berlin gescheitert, dass sie als Klägerin die Diskriminierung nachweisen sollte. Vorgetragene Indizien reichten nicht. Sie hätte vermutlich ein schriftliches „Geständnis“ vom ZDF gebraucht. Die Revision in dieser Frage wurde nicht zugelassen, so dass das Bundesgericht nicht über ihren Fall entscheiden konnte. Immerhin erstritt Birte Meier, dass der Auskunftsanspruch auch für feste freie Mitarbeiter*innen beim Rundfunk gilt. 

Letztendlich bedeutet allerdings auch dieser Lichtblick immer noch, dass eine Frau übrigens auch ein Mann bei Lohndiskriminierung selbst vor Gericht ziehen muss. Wer klagt, macht sich jedoch im Betrieb sicher nicht beliebter und zahlt bei Misserfolg die Verfahrenskosten. Birte Meier hat das Glück, dass die Gesellschaft für Freiheitsrechte sie unterstützt. Mit strategischer Prozessführung will die gemeinnützige Organisation nach eigenen Angaben dem „Recht zum Recht zu verhelfen“. 

Zum Abschied


Neun letzte Posts
unserer Autorinnen

Die größte Hoffnung ruht auf den aktuellen Vorschlägen der EU-Kommission. Ihre Präsidentin Ursula von der Leyen hat Lohntransparenz zu ihrer Priorität gemacht. Der vor wenigen Tagen veröffentlichte Richtlinienentwurf verpflichtet Arbeitgeber dazu, Bewerber*innen ein Einstiegsgehalt oder eine Spanne zu nennen. Dann käme endlich Licht ins Dunkel der Gehaltsverhandlungen. Außerdem sollen größere Arbeitgeber Rechenschaft über Lohngefälle zwischen den Geschlechtern ablegen, sowie Schadensersatz und Strafen zahlen, wenn sie ungleich behandeln. Vor allem aber können Frauen sich zu Sammelklagen zusammenschließen und sich von Arbeitnehmer*innenvertretungen oder Gleichstellungsstellen vertreten lassen. Die Beweislast liegt dann beim Arbeitgeber. 

 

Eine Million Euro Strafe das wäre was

Solche Klägerinnen könnten „Gamechanger“ sein, wie das Motto der aktuellen Equal Pay Day Kampagne lautet. Der ehemalige Richter und Equal Pay Experte Torsten von Roetteken hält dafür aber harte Sanktionen für notwendig. Auf einer Tagung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) zum Frauentag sagte er: „Wenn die ZDF-Redakteurin die Möglichkeit hätte, eine Million Euro einzuklagen, würden sich vielleicht noch andere anschließen. Denn dann ist die Chance größer als beim Lotto.“ Allerdings schränkte er die Hoffnungen gleich wieder ein: „Viele Richtlinien sind schon aufgeweicht worden.“ Konkret heißt das: Beim Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament und dem Rat können die Regeln noch abgeschwächt werden. Und dann gibt es immer einen Spielraum bei der Umsetzung in deutsches Recht, so dass am Ende voraussichtlich in zwei bis drei Jahren wieder ein Kätzchen landet, wo eine Tigerin zum Sprung angesetzt hat. 

Torsten von Roetteken verlangt deshalb ein grundsätzliches Umdenken: „Die Gesellschaft müsste überhaupt mal die Debatte führen, was ist uns welche Arbeit wert. Dann würde das Problem der Benachteiligung wegen Geschlecht, Rasse, Religion oder Ähnlichem in die zweite Reihe geschoben.“ Jura-Professorin Nora Markard, Vorstandsmitglied bei der GFF warnt allerdings: „Die Widerstände werden nicht kleiner, wenn wir da jetzt auch noch andere Themen mit reinnehmen. Aber das sollte uns natürlich nicht davon abhalten, darüber zu reden.“

 

Gleiche Bezahlung ist ein Grundrecht

 
Beim Rückblick auf 13 Jahre Bloggen und Equal Pay Day habe ich mich noch mal gefragt, ob es eigentlich in Ordnung ist, Aktivistin in dieser Frage zu sein und dennoch als Journalistin darüber zu schreiben. Ich sage: Ja. Das Anliegen ist zwar auch in meinem Interesse. Aber die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist ein Grundrecht, sie steht im Grundgesetzt. Das Recht auf gleiche Bezahlung ist schon in den Gründungsverträgen der Europäischen Union festgeschrieben, beziehungsweise ihrer Vorläufer. Und wir können ja nicht den Männern das Kommentieren und Demonstrieren dazu überlassen auch wenn es Zeit wird, dass viele von ihnen ebenfalls „Gamechanger“ werden. 

Gamechanger waren übrigens auch unsere Aktionen von „Media Women Connect“, über die wir hier im Blog berichtet haben. Sie haben die Medientage München dazu bewegt, mehr Frauen auf die Bühne zu holen. Richtig vermissen aber werde ich am Watch-Salon die Gelegenheit, Bücher und Filme zu rezensieren ohne Formatvorgaben. Und natürlich die tollen Kolleginnen. Denn wir schließen unser Blog ja nun. Der Equal Pay Day hat sich leider noch nicht selber abgeschafft. Umgekehrt wäre es mit lieber. 

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Zum Nachlesen: Frühere Beiträge zum Thema im Watch-Salon:

Zählen, messen, Haltung zeigen - der Weg zu fairer Bezahlung
Wenig Transparenz - keine Gleichheit. Eine Bilanz de Entgelttransparenzgesetzes
Ein Schlag ins Gesicht beim Recht auf gleiche Bezahlung für Frauen
Fair Pay ist die Zukunft
Entgeltgleichheit: Wir können Transparenz - eine Anleitung für Journalistinnen
Aufruhr in der BBC: Journalistinnen beweisen Gender Pay Gap
Kampagnenauftakt Equal Pay: Transparenz gewinnt?
Steine schmeißen im Glashaus: Medienbetriebe haben weder Entgelttransparenz noch -gleicheit

Außerdem:

Die Pressemeldung des Journalistinnenbundes zum Urteil ZDF/Birte Meier
Dossier Equal Pay des DJV
Mindestens 21 % Ungerechtigkeit - Oxi

 

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Es schlägt 13 für den Watch-Salon

Nach mehr als zwölfeinhalb Jahren schließen wir unsere Pforten. Ehrenamtlich, engagiert, journalistisch und feministisch haben wir für den Journalistinnenbund gebloggt. Zu einer Abschiedsrunde schauen (Ex-)Autorinnen noch einmal auf einen Drink und einen Plausch vorbei, erinnern sich an ihre liebsten Posts und was daraus geworden ist. Immer mittwochs, immer (noch) hier.


Aktuelles Redaktionsteam 2021

Angelika Knop · Luise Loges · Christine Olderdissen · Tina Stadlmayer

Frühere Watch-Salon-Redakteurinnen seit 2008

Ingrid Arnold · Britta Erlemann · Tina Groll · Eva Hehemann · Laura Hennemann · Marlies Hesse · Mareice Kaiser ·  Magdalena Köster  ·  Judith Rauch · Isabel Rohner · Alexandra Ruths · Silke Schneider-Flaig · Waltraud Schwab · Heidrun Wulf-Frick

... und viele Gastautorinnen aus dem jb, unter anderem

Rebecca Beerheide · Inge von Bönninghausen · Sissi Pitzer


Angelika Knop ist seit 2001 Mitglied im Journalistinnenbund, Mitgründerin des Watch-Salons und als einzige Bloggerin ununterbrochen im Team. 

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